Im Ernst. Viel spricht dafür daß die spätere Leidenschaft des Kaisers schon in Jünglingsjahren im Taunus gezüchtet wurde, ganz abgesehen davon, daß sein Vater, der so früh verstorbene Kaiser Friedrich III, von Ernst Curtius erzogen wurde, der später Olympia ausgrub. In der Nähe der Sommerresidenz der Hohenzollerschen Kaiserfamilie in Bad Homburg, befindet sich die Saalburg, am Limes gelegen, dem steinernen Wall, mit dem die Römer ihren Staatsbesitz vor den wilden Germanen, den Chatten und sonstigen Stämmen absichern wollten. Dort nun auf der Saalburg durften der noch jugendliche Prinz schon im Sommer 1878 im Ruinengelände am Taunusrand graben und durfte auch in römischen Gräbern römische Scherben finden, die man zuvor für ihn eingebuddelt hatte. Der Fundort wurde lange als Prinzenkeller bezeichnet. Das kann man sich doch gut vorstellen, was das für Erfolgserlebnisse waren, war doch diese neue Wissenschaft durch Heroen der Deutschen fast als germanische Wissenschaft anzusehen. Schließlich hatte Volksheld Schliemann Troja ausgegraben und der Schatz des Priamos zeigte ja, daß es nicht nur um alte Scherben ging, sondern sogar um Gold! Aber auch weitere Deutsche waren führend in der Archäologie und der Prinz und spätere Kaiser wollte ihr spiritus rector werden.
Das nun sicherlich aus mindestens zwei Gründen. Die persönliche Eitelkeit ist das eine und die führte auch sofort dazu, daß er als Kaiser dann mit Beschluß vom 18. Oktober 1897 das Römerkastell Saalburg wieder aufbauen ließ. Wie auch immer man zu Rekonstruktionen eigentlich verfallener Anlagen steht, die Saalburg ist aus dem kulturellen Gedächtnis der Region nicht mehr wegzudenken. Sie ist eines der Ausflugsziele für jeden Schüler im Umkreis und sie bleibt – und wir finden das gut! – auch für Familien vor allem am Wochenende ein Ort, der angesteuert wird und wo sich Natur mit Kultur und Geschichte so paart, daß alle Generationen und alle Geschlechter davon etwas haben.
Aber auch der Ausbau der Saalburg folgte einem weiteren Kalkül, das der Machtpolitiker Wilhelm – völlig legitim übrigens – knallhart verfolgte: dem Ausbau des Ansehens und der ökonomischen Macht Deutschlands, das gegenüber England und Frankreich, Spanien und Portugal, ja gar auch Italiens über zu wenig Kolonien verfügte, aber die führende Industriemacht Europas sein wollte und das industriell ja auch war, nachdem England, der Frühstarter, überholt war. Dazu gehörten eben der Flottenbau und die Ölung der Kriegsmaschinerie genauso wie die Wissenschaften vom Menschen und ihrem Leben auf Erden. Das muß man heute den Deutschen leider erst wieder erzählen, daß im 19. Jahrhundert Deutsch die internationale Wissenschaftssprache einiger Disziplinen war, wovon die Philosophie die anerkannteste war. Also kurzum; auch in der Archäologie sollte Deutschland führend sein, mit dem Kaiser als Anführer an der Spitze.
Die von Wolfgang Löhlein konzipierte und erstellte Ausstellung, die zudem einen kleinen, aber kompakten schriftlichen Führer hat, gehört strukturell zu unseren Lieblingsausstellungen aus einem besonderen Grund. Hier wird Lokalgeschichte verknäult mit der nationalen Geschichte und der Zug der großen weiten Welt ist auch dabei und die Grundlage von allem sind echte archäologische Stücke, die man derzeit in den Vitrinen im Museum bestaunen kann. Aber diese von der Bronzebüste des Kaisers überragten Exponate aus dem Taunus, aus Schwanheim und Praunheim, der Römerstadt Nida: Vasen, Öllämpchen, Büsten, Geschirr, Mühlen, Steindeckel, eben die üblichn römischen Scherben und Bronzen, sind eingebettet in eine Geschichte, die überschaubar ist und die von daher auch denen, die nicht die Archäologie mit der Muttermilch eingesogen haben, also ganz und gar keine Experten sind, sondern – wie man sagt – blutige Laien, einen Begriff davon geben, was die Archäologie will und was sie vermag.
Auch, was sie nicht vermag, nämlich aus den Scherben sich automatisch des Lebens der Frühzeiten zu versichern. Dazu gehört dann noch mehr, aber auch das erklärt die Ausstellung mitsamt den Nachbardisziplinen. Und sie macht uns auch auf unseren Dünkel aufmerksam, den wir doch alle ein klein wenig teilen, daß nämlich die klassische Archäologie, das ist die Erforschung der Antike, sprich Griechenlands und Roms, das non plus ultra sei. Längst haben sich die anderen Archäologien ihren Platz erobert, aber es ist ein Zeitausdruck des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts an den Wurzeln unseres Europas zu wühlen und das ist nun einmal die Klassische Archäologie, die sich zudem als Hilfswissenschaften auf die damalige Literatur und Geschichtsschreibung stützen kann und auf deren Renaissance im Humanismus.
So bringt die Ausstellung im Archäologischen Museum zu Frankfurt das Nahe und Ferne zusammen, wenn man den imperialen Gestus erkennt, mit dem Kaiser Friedrich II. die Grundsteinlegung der Saalburg inszenierte, dessen Baupläne er persönlich abgezeichnet hatte. Später ließ er auch die Marienburg in Westpreußen und im Elsaß die Hochkönigsburg rekonstruieren. Seine Leidenschaft galt allerdings dem Spaten persönlich. Und auch das kann man sich gut vorstellen, wie ein in seine Termine wie Kleider eingezwängter Monarch beim Buddeln sozusagen Mensch wurde und sich gleichzeitig als Führer der neuen Wissenshaften fühlte, als der, der das an Licht fördert, worauf ganz Europa sich aufbaut. Unterm Strich ist aber etwas ganz anderes bedeutsam. Die kaiserliche Aufmerksamkeit zahlte sich in Münzen aus. Denn – wie Museumsdirektor Egon Wamers durchaus süffisant bemerkte – nie wieder gab es einen derartigen Geldsegen von oben für die Archäologie, einen persönlichen Dispositionskredit, den er auch gerne hätte.
Und da kommt der Imperialismus erneut ins Spiel, denn dessen Zeiten und die des Geldsegens sind durchaus identisch. Ein Aspekt, den die Ausstellung deutlich anspricht, wenn sie erläutert, daß „zwischen 1876 und 1915”¦etwa ein Viertel der Landoberfläche der Erde als Kolonien unter einem halben Dutzend Staaten verteilt oder neuverteilt“ wurde und dem gegenüberstellt, daß Deutschland nach Schätzungen zwischen 1899 und 1913 über vier Millionen Mark aus öffentlichen und privaten Mitteln allein für Ausgrabungen in Kleinasien aufbrachte. Das sind nach heutiger Berechnung etwa 11 Millionen Euro und dabei sind die deutschen Grabungen in Europa oder Afrika nicht einberechnet! Köstlich der zitierte Ausspruch von Abdul Hamid II., Sultan des osmanischen Reiches: „Seht Euch diese dummen Fremden an! Ich beschwichtige sie mit kaputten Steinen.“
Nun, der Sultan und seine persönliche Staatsform haben nicht überlebt, die Steine schon und das Weiterleben der Steine und Scherben ist eben eins der Phänomene, warum die Menschen buddeln, die längst tot sind, wenn ihre Ausgrabungen noch Thema der Menschheit bleiben. Bei diesem durchaus zwielichtigen und politisch katastrophalen Kaiser Wilhelm II. sind uns seine persönlichen Eitelkeiten darum heute egal, er hat sich bei der Förderung der Archäologie für eine richtige Sache eingesetzt und diese Ausstellung, die für den am 27. 1. 1859 geborenen Prinzen –Friedrich Wilhelm, nachmals Kaiser Wilhelm II. – als Geburtstagsgeschenk zum 150. anzusehen ist, ist absolut besuchenswert. Ach so, wir sind noch die Überschrift schuldig. Auch historisch überholt. Wer weiß heute noch was eine Pirsch ist und was ein Zwanzigender? Gemeint ist mit Hintersinn, daß auch bekannt ist, daß dem Kaiser bei Jagden die Tiere vor die Büchse geschoben wurde, wie die Steine und Scherben beim Ausgraben präpariert wurden, was beide Mal für diesen Kaiser auf der gleichen Ebene spannend war. Leicht zu unterhalten. So war er halt, dieser Kaiser. Ließ sich leicht täuschen und läutete den deutschnationalen finalen Schuß und Schluß des Untergangs des damaligen deutschen Reiches ein. Schade ist das nicht.
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Info: Dort gibt es auch eine Kopie der in Berlin befindlichen Nofretete. Allerdings hat sie beide Augen? Versuchen Sie, eine Führung mitzumachen, die Peter Fasold, stellvertretender Direktor des Museums anbietet.
Ausstellung: bis 6. September 2009