Parade der Pötte auf Elbe und Weser – Die Nordseeküste als Tor zur Welt

Die „Lange Anna“ auf Helgoland. © 2017, Foto/BU: Dr. Bernd Kregel

Bremerhaven, Cuxhaven, Helgoland, Deutschland (Weltexpress). Die Flussmündungen von Elbe und Weser sind Ausgangspunkte einer abenteuerlichen Seefahrtstradition.

„Alte Liebe“

Die MS Europa passiert die „Alte Liebe“. © 2017, Foto/BU: Dr. Bernd Kregel
Die MS Europa passiert die „Alte Liebe“. © 2017, Foto/BU: Dr. Bernd Kregel

„Am Werfte zu Kuxhaven, da ist ein schöner Ort, der heißt „Die Alte Liebe“. Die meinige ließ ich dort…“ In Liebesangelegenheiten kannte Heinrich Heine sich zweifellos bestens aus. Wen wollte es daher verwundern, dass sogar „Die Alte Liebe“ sein Herz erweichte. Jener spektakuläre Aussichtspunkt an der Elbmündung, der bis heute die Zuschauer begeistert. Denn hier geben sich alle Schiffe ein Stelldichein, die von Hamburg aus in die weite Welt hinaus fahren oder nach langer Seereise an ihren vertrauten Ausgangsort zurück kehren.

Ist hier nicht das stets über diesen Gewässern schwebende Quäntchen von Seefahrtsromantik sogar mit Händen zu greifen? Als sich beispielsweise die riesige „Pacific Princess“ soeben auf die offene See zubewegt und zeitgleich in umgekehrter Richtung die schnittige „Europa“ nach langer Kreuzfahrt mit dröhnendem Signalton ihre Rückkehr ankündigt? So stellt sich das Fernweh auf der Aussichtsterrasse von selbst ein und folgt den beiden Ozeanriesen in ihrer jeweiligen Richtung, bis diese allmählich mit dem Dunstschleier des Horizonts verschmelzen.

Stürme und Strömungen

Elbe 1 an der „Alten Liebe“ in Cuxhaven. © 2017, Foto/BU: Dr. Bernd Kregel
Elbe 1 an der „Alten Liebe“ in Cuxhaven. © 2017, Foto/BU: Dr. Bernd Kregel

Umso mehr zieht nun die prächtige Kulisse des Feuerschiffs „Elbe 1“ die Blicke auf sich. Unübersehbar in leuchtendem Rot erinnert es an die alten Zeiten, als bemannte Feuerschiffe vor der Elbmündung mit ihrem Leuchtfeuer den ein- und auslaufenden Schiffen Orientierung boten. Und die dabei doch selbst einer ständigen Exitenzbedrohung ausgesetzt waren. Denn auch wenn sie fest an der Kette lagen, stand doch bei hoher Grundsee in dem flachen Küstengewässer stets auch die eigene Sicherheit auf dem Spiel.

Das letzte Exemplar der „Elbe 1“ machte dabei allerdings eine Ausnahme. Verfügte sie doch über eine eigene Manövrierfähigkeit und konnte daher den über sie herein brechenden Stürmen und Strömungen trotzen. So blieb sie auch nach ihrem Ausscheiden aus dem aktiven Dienst der Nachwelt erhalten. Bei einer Tour selbst durch die verborgensten Winkel des Schiffs wird deutlich, dass die „Elbe 1“ nicht nur ihre Funktion als Leuchtturm erfüllte, sondern auch als Wetterstation ihren Dienst tat. Und nicht zuletzt hatte sie sich als Zufluchtsstätte für Schiffsbrüchige zu bewähren, die von der Besatzung oftmals im letzten Moment hatten gerettet werden können.

Nordsee als Mordsee

„Windstärke 10“-Museum in Cuxhaven. © 2017, Foto/BU: Dr. Bernd Kregel
„Windstärke 10“-Museum in Cuxhaven. © 2017, Foto/BU: Dr. Bernd Kregel

Von ähnlich abenteuerlichen Geschichten erzählt auch die „Windstärke 10“, das ansprechend gestaltete neue Wrack- und Fischereimuseum von Cuxhaven. Klaus Hankel, früher selbst aktiver Seefahrer, weiß anschaulich von der Knochenarbeit und den Gefahren vergangener Zeiten zu berichten. Besonders dann, wenn zwischen prall gefüllten Netzen und haushohen Wellen der Kampf ums Überleben angesagt war und sich die Nordsee nicht selten in eine Mordsee verwandelte.

Jedes Wrack, hat dabei natürlich seine eigene dramatische Geschichte. So wie die „Cimbria“, ein Auswandererschiff mit dem Ziel New York, das nach einer Kollision im dicken Nebel nach nur zwanzig Minuten seine letzte Ruhe auf dem Schiffsfriedhof der Nordsee fand. “Es war ein verzweifelter Kampf aller gegen alle um das eigene Leben“, wird ein Überlebender dieses Dramas zitiert, bei dem von 493 Menschen an Bord 437 in den kalten Fluten der Nordsee ihren Tod fanden.

Schwankende Schiffstreppe

Im Deutschen Auswandererhaus in Bremerhaven. © 2017, Foto/BU: Dr. Bernd Kregel
Im Deutschen Auswandererhaus in Bremerhaven. © 2017, Foto/BU: Dr. Bernd Kregel

Sicherlich war dies keine ermutigende Nachricht für alle jene, die während der großen europäischen Auswanderungswellen beabsichtigten, ihrer Heimat den Rücken zu kehren. Diesen Eindruck vermittelt auch das anschaulich gestaltete Deutsche Auswandererhaus in Bremerhaven. Errichtet wurde es genau an jener Stelle des Weser-Hafenbeckens, von wo aus einst die Mehrzahl der europäischen Auswanderer ins „Land der unbegrenzten Möglichkeiten“ aufgebrochen war. Gut nachvollziehbar ist hier die frostige und angstvolle Stimmung, wie sie an der steilen Stahlwand eines Auswandererschiffes kurz vor der Abreise in die ungewisse Zukunft um sich griff.

Der Museumsbesucher folgt den Auswanderern über die schwankende Schiffstreppe bis hinauf an Bord des Schiffes und setzt sich dabei auf die Fährte eines „Mitreisenden“ aus jener Zeit. Beispielsweise begleitet er den Drucker Ottmar Mergenthaler, dessen Biografie er mit bereit stehenden Kopfhörern, Fotografien und Schaubildern immer besser kennen lernt. Aber auch die Zustände auf dem Zwischendeck des Schiffes, beengt und dunkel zugleich, werden dabei nachvollziehbar. Bis sich am Ende der Reise die Freiheitsstatue im Hafen von New York als Hoffnungssymbol für einen erfolgreichen Neuanfang vor der Stadtkulisse von Manhattan abhebt.

Verführerische Galionsfigur

Galionsfigur im Deutschen Schiffahrtsmuseum. © 2017, Foto/BU: Dr. Bernd Kregel
Galionsfigur im Deutschen Schiffahrtsmuseum. © 2017, Foto/BU: Dr. Bernd Kregel

Einen Blick zurück in jene nicht immer gute alte Zeit gewährt auch das nahe gelegene Deutsche Schiffahrtsmuseum. Die reichhaltigen Exponate, Schiffsmodelle und Malereien umfassen Themenbereiche wie den Walfang und die Fischerei aber auch das Militär- und Transportwesen. Glanzpunkt der Sammlung ist eine liebevoll restaurierte Hansekogge aus dem 14. Jahrhundert, die im Schlamm der Weser entdeckt und bei aller gebotenen Vorsicht aufwändig restauriert wurde.

In seinem Außenbereich bietet das Schiffahrtsmuseum zusätzlich feste Ankerplätze für eine Reihe von Schiffen mit Seltenheitswert. Überragende Bedeutung fällt dabei, allein schon wegen seiner riesigen Masten, dem Viermastschoner „Seute Deern“ zu, dessen Name offensichtlich von der verführerisch dreinblickenden Galionsfigur herrührt. Wer wollte sich da nicht auf ihre Einladung in das stilvoll gestaltete Bordrestaurant einlassen?

Lebhafter Containerhafen

Containerhaven in Bremerhaven. © 2017, Foto/BU: Dr. Bernd Kregel
Containerhaven in Bremerhaven. © 2017, Foto/BU: Dr. Bernd Kregel

Gern folgt man auch einer Einladung der Reederei Cassen Eils zu einer Fährfahrt hinaus zu der Felseninsel Helgoland. Die Tour mit der „Fair Lady“ startet an dem ausdrucksstarken Auswandererdenkmal der Stadt, und bereits kurz nach der Abfahrt öffnet sich der Blick über den quirligen Containerhafen von Bremerhaven. Hier warten Exportautos aller namhaften Firmen zu Tausenden darauf, auf fensterlose Transportgiganten verladen zu werden.

Als besonders faszinierend erweist es sich, mit welcher Geschwindigkeit die hoch aufgestapelten Container von rührigen Spezialkränen auf die bereit liegenden Containerschiffe verladen werden. Doch schon bald ist die offene See erreicht, wo eine Anlage zur Energiegewinnung mit ihren nahezu zwanzig riesigen Rotoren das Interesse auf sich zieht.

Klippenwanderweg zur „Langen Anna“

Vogelkolonien auf Helgoland. © 2017, Foto/BU: Dr. Bernd Kregel
Vogelkolonien auf Helgoland. © 2017, Foto/BU: Dr. Bernd Kregel

Bis schließlich die Insel Helgoland erreicht ist. Einst eingetauscht von den Briten gegen die ostafrikanische Insel Sansibar, stellt das Felseiland als die einzige deutsche Hochseeinsel für die meisten Besucher etwas Besonderes dar. Der Zerstörungswut der Briten weitgehend entgangen, hat sich Helgoland gemausert zu einem Publikumsmagneten. Die Hauptattraktion des Inselaufenthalts ist wie eh und je der Klippenwanderweg hinüber zur legendären „Langen Anna“, die als ein roter Sandsteinstumpf in den Himmel ragt. Sie dient als Nistplatz für Schwärme von Basstölpeln, die hier in den kräftigen Aufwinden Zuflucht und Halt suchen.

Schutz suchen nach einem bewegten Tag auch die Inselbesucher, die auf der modern und dazu äußerst bequem eingerichteten „Helgoland“ diesmal die Rückreise nach Cuxhaven antreten. Hinter der hoch aufragenden Kugelbake gerät schließlich auch „Die Alte Liebe“ ins Blickfeld. Und wo gäbe es schon eine bessere Gelegenheit, von der Parade der Pötte stilvoll Abschied zu nehmen?

Reiseinformationen “Nordsee”:

Basstölpel im Flug auf Helgoland. © 2017, Foto/BU: Dr. Bernd Kregel
Basstölpel im Flug auf Helgoland. © 2017, Foto/BU: Dr. Bernd Kregel

Anreise: Mit Pkw oder Bahn über Hamburg nach Cuxhaven oder Bremen nach Bremerhaven. Weiter mit den Fähren „Fair Lady“ von/nach Bremerhaven oder „Helgoland“ von/nach Cuxhaven, Web: www.cassen-eils.de

Reisezeit: Ganzjährig. Für manche Wasser-Aktivitäten ist das Sommerhalbjahr zu bevorzugen.

Reiseziele: Bremerhaven: Auswandererhaus, Klimahaus Bremerhaven, Schiffahrtsmuseum, Zoo am Meer; Cuxhaven: Feuerschiff Elbe 1, Windstärke 10

Auskunft: Bremerhaven: Erlebnis Bremerhaven, CuxhavenHelgoland

Anmerkungen:

Vorstehender Beitrag von Dr. Bernd Kregel ist eine Erstveröffentlichung im WELTEXPRESS. Die Recherche wurde von der Reederei Cassen Eils unterstützt.

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