Sie heißt Leila, ist schlank und schön und bezaubert alle durch ihre Anmut. Einziges Problem: Leila kann nicht sprechen. Sie ist ein (weiblicher) Roboter. Dennoch wird sie geliebt und gehasst, bewundert und verachtet, geschlagen und geküsst – im Theaterstück „Robots“ von Christian Denisart. Leila – das ist die „femme fatale“, das Objekt der Begierde, das unerreichbar bleibt und die Männer-Welt in den Abgrund treibt. Schlimmer noch: Am Ende zerstört sie durch ihre Präsenz auch noch die letzten vorhandenen zwischenmenschlichen Beziehungen. Und sorgt für ein tragisches Ende des Theaterstücks.
Bei dem als Weltpremiere angekündigten Roboter-Schauspiel im Theater Barnabé in Serbion unweit von Lausanne geht es um die verzweifelte Suche der Menschen nach einer emotionalen Nähe zur von ihm geschaffenen Roboter-Welt. Ein bisschen fühlt man sich an die „Modernen Zeiten“ erinnert, wo Charlie Chaplin von der Welt der Maschinen überrollt wird.
Zentrale Figur des Stücks ist ein Mann, der in einem alten Holzhaus abgeschieden von der Außenwelt lebt – wie ein Schweizer hoch oben auf der Alm. Seine einzigen „Kompagnons“ sind seine Roboter Igor und Bruno, die ihm den Alltag erleichtern und ihn überall bedienen. Doch weil diese stumm sind, sucht der Mann menschliche Nähe – und findet offenbar per Kontaktanzeige eine Frau. Diese ist zwar interessiert an ihm, doch entsetzt über die störenden automatisierten Haushaltshilfen. Sie nimmt ihren Mantel und rennt aus dem Haus.
Resigniert und vollends desillusioniert von der realen menschlichen Zweisamkeit erschafft sich der Mann ein roboterhaftes Ebenbild der Frau, tanzt mit ihr – und verliebt sich in sie. Als er morgens neben ihr aufwacht, begreift er jedoch, dass sich hinter der angebeteten Frau nur eine leblose kalte Maschine befindet.
Da naht Rettung, die „echte“ Frau klingelt an der Tür. Sie ist zurückgekommen. Der Mann beseitigt rasch seine Roboter und tut alles, um ihr zu gefallen. Das funktioniert solange, bis die Frau ihr roboterhaftes Alter Ego bemerkt. Und natürlich eifersüchtig wird. Denn der Mann offenbart vor ihren Augen seine noch vorhandenen Gefühle für die Roboter-Dame Leila. Die Frau, die übrigens keinen Namen hat, gerät in Rage, versucht den Roboter zu zerstören und zerstört sich dabei selbst. Sie verheddert sich in der Elektronik und stirbt durch einen Stromschlag.
„Ich wollte zeigen, dass Roboter einfach nicht den Menschen ersetzen können“, erklärt Regisseur Denisart. Mit sorgenvoller Mine verweist er auf die Entwicklung in Japan, wo Söhne und Töchter einen Roboter zum Wochenend-Besuch bei ihrer Mutter schicken anstatt selbst zu kommen. Deshalb verzichtete Denisart bewusst auf sprechende Roboter. „Erst dadurch, dass die Roboter nicht sprechen, werden sie lebendiger“, glaubt er.
Als einzige verbindende Sprache zwischen Roboter und Menschen dient die Musik. Eine Orgel, laut dem Veranstalter Europas größte Orgel, gibt im Theater Barnabé den Ton an. Sie bestimmt, wie sich die Schauspieler bewegen, wie sie sich annähern und entfremden. Wenn die Roboter-Dame Leila zur Orgelmusik tanzt, dann spürt man plötzlich die Symbiose zwischen Mittelalter und post-modernes 21. Jahrhundert – passend zum Kontrast zwischen dörflicher schweizerischer Landschaft und High-Tech-Welt.
Mit dieser eigenwilligen Mischung wollte Regisseur Denisart an die Zeit der retro-futuristischen Roboter in den 70er Jahren anknüpfen. „Damals waren die Roboter noch geheimnisvoll und beunruhigend.“ Der Schweizer wollte lieber die mystische Seite der Roboter zeigen und sie nicht als unterdrückte Sklaven darstellen, die irgendwann rebellieren.
Zur Umsetzung des Stücks zogen die Macher alle technischen Register. So werden die Roboter über Sequenzen programmiert. Hinter der Bühne steht ein Techniker, der per Kameras die Roboter überwacht und die Sequenzen per Knopfdruck steuert.
Schweizer Ingenieur-Know-How
Die Roboter Bruno und Igor wurden von der renommierten Technischen Hochschule Lausanner (EPFL) und dem Start-up BlueBotics entwickelt. Bei der gefühlvolleren Roboter-Variante Leila hingegen mussten die Ingenieure passen. Erst der Automatiker Francois Junod schaffte es, eine graziöse Roboter-Dame zu konzipieren.
Für die menschlichen Schauspieler Branch Worsham (der Mann) und Laurence Iseli (die Frau) war es eine enorme Herausforderung, mit Robotern aufzutreten und über Bewegungen zu kommunizieren. „Im Grunde muss ich zwei Rollen spielen“, meint Iseli. Ihre eigene und die des Roboters.
Die Resonanz auf die Weltpremiere war bislang überwältigend. Das Dorf-Theater in Servion, das über 300 Plätze fasst, war meist gut besucht.
Regisseur Denisart hofft, sein Stück bald ins Ausland importieren zu können. Aus Kanada und Japan gebe es für Festivals schon Anfragen, berichtet er stolz. Auftreten können die Schauspieler theoretisch überall in der Welt. Denn gesprochen wird in dem Stück nie.
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Titel: Robots – les Voyages extraordinaires
Regisseur: Christian Denisart
Ort: Théâtre Barnabé, Servion (Schweiz),
Dauer: bis 17. Mai 2009