Ein Zeitalter wird besichtigt! Und Rembrandt ist auch dabei! – Serie: „Das Zeitalter Rembrandts“ in der Albertina in Wien (Teil 1/2)

Rembrandt Harmensz. van Rijn

Was war im 17. Jahrhundert, Teil des Goldenen Zeitalters, innerhalb des Lebens, der Wissenschaft und der Kunst, passiert, das solchen Aufbruch begünstigte? Es hatten sich die nördlichen Niederlande von den südlichen getrennt. Die Vormachtstellung von Antwerpen für den Seehandel ging auf Amsterdam über, der zum Einfuhrhafen für all die Reichtümer wurde, die aus den ost- und westindischen Kolonien in die Niederlande per Schiffe – auch der Schiffsbau florierte – transportiert wurden. Die neuen Nördlichen Niederlande waren als Republik von sieben vereinigten Regionen gebildet worden. In ihnen hatten es schnell Patrizier und Bürger zu Wohlstand gebracht, manche wurden gar reich. Bei aufstrebenden Ständen richtet sich die neue Schicht gerne nach den Ausweisen von Hochkultiviertheit der Vorherigen. Beide Faktoren, das Nachmachen und der Geldsegen, führte in Holland zu einem beispiellosen Auftrieb von Kunst und Kultur. Es gehörte jetzt zum guten Ton eines besseren Bürgers, seine eigenen vier Wände zu schmücken, also mit Bildern zu behängen, als Ausdruck bürgerlicher Errungenschaften.

Ursprünglich hatte es zwei Quellen für die Kunst an Wänden gegeben. Die herausragende blieb die Anbetung durch Bilder und das Schmücken von Kirchen mit Bildern, beide mit religiösen Motiven. Diese waren aus recht starren romanischen Heiligenfiguren schon in der Gotik lieblicher und menschlicher geworden. Da gehörte dann zu einer Maria schon ein Hortus conclusus, in dem sie auf der Rasenbank saß und allerlei Vögel sangen und anderes kreuchte und fleuchte. Selbst auf den Bildern der Kreuzigung hatte sich das himmlische und das weltliche Jerusalem seinen Platz erobert, genauso wie die Landstriche voll grüner Natur oder die traumhaften Wasserverläufe, die direkt im Himmel endeten. Auch viel Volk war vorhanden. Da mußte man tunlichst die Menschen voneinander abgrenzen und was lag näher, als dies durch unterschiedliche Kleidung zu tun, in Farbe und Form, ihnen verschiedenartige Gestalten zu geben, Haare, Nasen und sonstige Attribute. Längst war der christliche Anlaß bei vielen Gemälden nur noch Nebensache und titelgebend, während die Leinwand vom bunten Leben bevölkert wurde.

Neben der nun lebensprallen religiösen Kunst, die aus den Kirchen in die Privatgemächer und Andachtsräume der besseren Schicht strebten, gab es als zweite Quelle die Repräsentanz des Herrschaftsbildes, selten in Ganzkörper, häufig als Porträt der Aristokratie. Auf diese Bezüge ging der Anspruch, sich selbst im Abbild zu begegnen, des sich konstituierenden wohlhabenden Bürgertums zurück, allerdings waren die häuslichen Wände nicht für Ausmaße eines Altargemäldes geeignet und so treffen sich in dieser historischen Stunde zwei Entwicklungen und vereinigen sich. Die Bestandteile des religiösen Bild emanzipieren sich als selbstständig: die Landschaft, sei es der Wald, das Feld oder das Wasser, das Porträt, das Stilleben ins seinen vielfachen Formen, das gesellige Beisammensein von Menschen, was in Holland zum Bauerngenre wurde.

Gleichzeitig waren diese Ansprüche geeignet, nicht mehr ein bestimmtes Bild bei einem Künstler in Auftrag zu geben, sondern sich schnell dessen zu versichern, was da war. Der anonyme Kunstmarkt war geboren und damit auch das Ausrichten der künstlerischen Produkte danach, was besonders gut verkäuflich war. Nur noch eine kleine Oberschicht vergab Aufträge, die anderen bedienten sich auf dem entstehenden Kunstmarkt, dessen malerische Produkte nun in die Vielzahl der Genres einzuordnen war. Folgerichtig ist auch die Ausstellung in der Albertina an dieser inneren Ordnung orientiert und die Räume in ihrer Abfolge daran organisiert, denn die meisten Künstler hatten längst angefangen, sich zu spezialisieren. Menschen zu malen, galt immer als besondere Kunst. Anderen fielen Naturstücke leichter oder gar Seestücke oder die Verbindung von Natur und Staffage, wie man die klein eingefügten Menschen in Landschaftsbilde nennt. Die malerische Spezialisierung war gang und gebe.

Ein weiteres Genre entstand mit den Künstlerbildern. Waren lange, zumindest bis zur Renaissance, auch Maler als Handwerker eingeordnet worden und hatten sich ihr Anrecht auf Signierung erkämpft, brauchte der Kunstmarkt nichts so sehr wie Künstlernamen, die dem Bild besondere Weihen und sehr gute Verkaufsmöglichkeiten boten. Sicher spielten auch die Auswirkungen des Paragonestreites in der Renaissance und davor und danach eine Rolle, in dem es darum ging, welche Kunstart die bevorzugte sei und mit dem Argument die Malerei gegenüber der Skulptur siegte, man müsse sich dabei zu ihr im Gegensatz nicht schmutzig machen. Und so waren auch die Selbstporträts von Malern ein eigenes Genre geworden, von denen die 55 gemalten, 30 radierten und 7 gezeichneten Selbstporträts von Rembrandt Zeugnis ablegen, der sie natürlich aus anderen Gründen gemalt hatte, konnte er doch so an eigenem Leib, am eigenen Gesicht ohne Zeitbeschränkung den Lauf der Zeit verfolgen. Das machten andere nach. Dieser hier sitzt er in edles Schwarz gekleidet mit weißen Vollands an seiner Staffel und mischt Farben. Zeichenmodelle in Schwarzweiß liegen vor ihm auf dem Boden. Das ganze Bild wirkt außerordentlich gestellt, sehr repräsentativ, wie auf einer Bühne inszeniert und heißt „Porträt eines Künstlers in seinem Atelier“, gemalt von Michiel van Musscher im Jahr 1665. Wir setzen den Rundgang fort.

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Ausstellung:

bis 21.6.2009

Katalog:

Das Zeitalter Rembrandts, hrsg. von Klaus Albrecht Schröder und Marian Bisanz-Prakken, HatjeCantz 2009. Dieser Ziegelstein bringt Gemälde und Zeichnungen ins Buchformat und erst beim Darinblättern erkennt man, daß im Zusammensein beider in der Ausstellung die größeren bunten Gemälde zuviel der Aufmerksamkeit eingefordert hatten, weil die zarteren Zeichnungen, Radierungen, Stiche nicht derartige Augenfänger sind. Darum ist es schön, hier in Ruhe die Tiefe und die Strichführung dieser Werke studieren zu können. Der Katalog gliedert sich nach den Ausstellungsabteilungen und deren Benennungen und bietet zu jeder Abbildung einen langen Kommentar.

Reiseliteratur:

Felix Czeike, Wien, DuMont Kunstreiseführer, 2005
Baedecker Allianz Reiseführer Wien, o.J.
Lonely Planet. Wien. Deutsche Ausgabe 2007
Walter M. Weiss, Wien, DuMont Reisetaschenbuch, 2007
Marco Polo, Wien 2006
Marco Polo, Wien, Reise-Hörbuch

Tipp:

Gute Dienste leistete uns erneut das kleinen Städte-Notizbuch „Wien“ von Moleskine, das wir schon für den früheren Besuch nutzten und wo wir jetzt sofort die selbst notierten Adressen, Telefonnummern und Hinweise finden, die für uns in Wien wichtig wurden. Auch die Stadtpläne und U- und S-Bahnübersichten führen– wenn man sie benutzt – an den richtigen Ort. In der hinteren Klappe verstauen wir Kärtchen und Fahrscheine, von denen wir das letzte Mal schrieben: „ die nun nicht mehr verloren(gehen) und die wichtigsten Ereignisse hat man auch schnell aufgeschrieben, so daß das Büchelchen beides schafft: Festhalten dessen, was war und gut aufbereitete Adressen- und Übersichtsliste für den nächsten Wienaufenthalt.“ Stimmt.

Anreise:

Viele Wege führen nach Wien. Wir schafften es auf die Schnelle mit Air Berlin, haben aber auch schon gute Erfahrungen mit den Nachtzügen gemacht; auch tagsüber gibt es nun häufigere und schnellere Bahnverbindungen aus der Bundesrepublik nach Wien.

Aufenthalt:

Betten finden Sie überall, obwohl man glaubt, ganz Italien besuche derzeit Wien! Überall sind sie auf Italienisch zu hören, die meist sehr jungen und ungeheuer kulturinteressierten Wienbesucher. Wir kamen perfekt unter in zweien der drei Hiltons in Wien). Sinnvoll ist es, sich die Wien-Karte zuzulegen mitsamt dem Kuponheft, das auch noch ein kleines Übersichtsheft über die Museen und sonstige Möglichkeiten zur Besichtigung in Wien ist, die Sie dann verbilligt wahrnehmen können. Die Touristen-Information finden Sie im 1. Bezirk, Albertinaplatz/Ecke Maysedergasse.

Mit freundlicher Unterstützung von Air Berlin, dem Wien Tourismus, der Wiener Festwochen und diverser Museen und den Hilton Hotels Wien.

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