Die Gastro-Branche der Bundesrepublik Deutschland scheint den Sternen nah – Der Guide Michelin 2017 wurde in Berlin vorgestellt

Der gute Guide in einer guten Hand. © 2017, Münzenberg Medien, Foto: Stefan Pribnow

Berlin, Deutschland (Weltexpress). Glaubt man denen, die dafür bezahlt werden, dass sie behaupten, die Gastronomie in Deutschland bewege sich „weiterhin auf Spitzenniveau“ (freu sich, wer`s kennt), dann bewegt sich die Gastro-Branche der Berliner Republik weiter auf einem Niveau, das nicht mit hoch und höher, sondern mit am höchsten zu beschreiben sei. Das wäre nicht nur super, das wäre Superlativ. Doch in diesem Beitrag soll es weder um Wortwitz oder Wortwuchs noch um den Wahn und die Wirklichkeit dieser Branche gehen, sondern um ein Buch, genauer: um das scheinbare Buch der Bücher für Gourmets und Gourmands deutscher Zunge: den Guide Michelin Deutschland 2017.

Der wurde erstmals nicht wie noch ein Jahr zuvor, als in einer coolen wie kühlen Berliner Bruchbude zwei Dutzend Kennern der Kochkunst ein paar Reden gehalten, ein paar Köche präsentiert und nach ein paar Fragen beantwortet sowie ein paar Gerichte und nach dem Gelage ein paar Bücher gegeben wurden, wobei noch weitere Dutzend Gernegroß anwesend waren und alles genossen oder auch nicht, sondern ganz anders veranstaltet.

Ein, zwei und drei Sterne

Da der Gastro-Guide einst als als Reiseführer für Autofahrer konzipiert, passte es prima, dass der Reifenhersteller Michelin unter dem Motto Party statt Presse als Ort für die Feier ohne Fragen ein Berliner Autohaus wählte. Zum angeblich guten Mercedes-Stern auf dem Asphalt dieser Welt gab es nicht nur weitere Michelin-Sterne. Letztere sind wie folgt zu verstehen: Früher, so sagte ein geschwätziger Gast mit Gemahlin, habe ein Stern für Fahrer von Personenkraftwagen bedeutet, dass sich das Anhalten für die Wohlstandswampe lohnte. Für zwei Sterne hätten Besseresser und -verdienende schon mal einen Umweg in Kauf genommen. Drei Sterne hingegen seien direkt angesteuert worden.

Von der Belustigung zur Belohnung, die sich, was einige Gäste des Großereignisses hinter vorgehaltener Hand anmerkten, bezahlt gemacht habe. Michelin teilte mit, dass „drei neuen Zwei-Sterne-Adressen und 28 neuen Ein-Stern-Häusern“ hinzugekommen seien. Insgesamt würde die Zahl der Restaurants mit einem oder mehreren Sternen jetzt auf dem neuen Höchststand von 292 Betrieben“ liegen. Das seien „17 Prozent mehr als noch vor fünf Jahren.“

Das und noch viel mehr erzählte der auf der Bühne und durch das Programm führende Michelin-Direktor Michael Ellis. „Die Entwicklung der deutschen Spitzengastronomie bleibt dank zahlreicher junger, innovations-freudiger Köche auf sehr hohem Niveau. Vielfach haben sie ihr Know-how in internationalen Top-Häusern erworben und stellen ihr Können jetzt als Küchenchefs in eigenen Restaurants unter Beweis. Damit tragen sie maßgeblich dazu bei, dass die deutsche Gastro-Szene zu den besten in Europa und der Welt zählt“, soll Ellis laut Michelin-Pressemitteilung vom 01.12.2016 gesagt haben. Ja, wenn das so ist.

Drei Neuen unter den 39 Zwei-Sterne-Restaurants

Tristan Brandt, der im Restaurant „Opus V“ in Mannheim kocht, erhielt „innerhalb von nur zwei Jahren den zweiten Stern“ für seine „Überraschung- und Erlebnis-Gastronomie“ mit Apfel und Algen und so weiter, wie er meinte.

Meisterkoch Tohru Nakamura aus dem Restaurant „Geisels Werneckhof“ in München, der kocht, was keiner kennt beziehungsweise „mit japanischen Einflüssen“ Kreiertes servieren lässt, zählt nun auch zu den Zwei-Sterne-Köchen.

Marco Müller, der es im Restaurant „Rutz“ in Berlin richtet, ist ebenfalls Neueinsteiger in dieser Liga der Zwei-Sterne-Köche.

Zehn Drei-Sterne-Köche und -Küchen in Deutschland

Die Zahl der Restaurants mit drei Sternen bleibt bei zehn. Mehr ausgezeichnete Köche und Küchen sehen die Beurteiler nur noch in Frankreich, was wenig wundert, denn der Reifenhersteller hat seinen Sitz im französischen Clermont-Ferrand. Zehn Küchenchefs und Restaurant von „etwas einhundert Adressen weltweit“, wie Michelin mitteilt, mehr werden wohl wirklich nicht vergeben, sind dennoch ein gute Zahl. Die Restaurants und Köche, die am höchsten bewertet wurden, sind:

Claus Peter Lump, Restaurant Bareiss in Baiersbronn
Harald Wohlfahrt, Schwarzwaldstube in Baiersbronn
Christian Jürgen, Restaurant Überfahrt in Rottach-Egern
Kevin Fehling, The Table in Hamburg
Thomas Bühner, La Vie in Osnabrück
Sven Elverfeld, Aqua in Wolfsburg
Joachim Wissler, Vendôme in Bergisch-Gladbach
Helmut Thieltges, Waldhotel Sonnora in Wittlich/Dreis
Christian Bau, Victor’s Fine Dining in Perl
Klaus Erfort, GästeHaus Klaus Erfort in Saarbrücken

Ein-Sterne-Restaurant

Zudem hätten insgesamt „243 Häusern“ jeweils einen Stern bekommen. Alle Häuser hätten, so Michelin-Pressesprecher Michael Küster, „professionelle Testesser besucht“ und die Köche hätten von den Probeessen nicht informiert worden. Die Testesser hätten laut Krause den Trend des „Casual Fine Dining“ ausgemacht, „der auch ein jüngeres Publikum“ anspreche. Vor allem in Metropole sei das „lebhafte, abwechslungsreiche und spannende Gastronomie“ Mode.

Doch es gilt, was galt: selber lesen und essen. In dem Buch, dem das Etikett „Neuer Look, voller Geschmack“ angeklebt wurde, werden auf den 1.176 Seiten nicht nur 2.306 Restaurants vom Landgasthof bis zum Feinschmeckerlokal aufgelistet, es werden auch 1.972 Hotels vom der gut geführten Familienpension bis zur Wellness-Wumme werden genannt. Für viele Gäste der Guide- und Gourmet-Veranstaltung in Berlin schien das gut so.

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Guide Michelin Deutschland 2017, 1.176 Seiten, 54. Ausgabe, Michelin, Dezember 2017, ISBN: 9-782067-214729, Preise: 29,95 EUR (D), 30,80 EUR (A)

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