Berlin, Deutschland; Wien, Österreich (Weltexpress). Lieblingssong: „Beautiful Day“. So steht es bei Nico Rosberg. Mindestens zwei dieser schönen Tage hat der 31-Jährige in der vergangenen Woche erlebt. Man darf davon ausgehen, dass viele wunderbare Tage/Jahre folgen könnten. Denn der gebürtige Wiesbadener hat eine der klügsten und bemerkenswertesten Entscheidungen getroffen, die im Sportjahr 2016 von einem Akteur des Weltsports vermeldet worden sind.
Glückstag Nummer eins war der Sonntag in der Vorwoche, als er mit dem letzten Saisonrennen in Abu Dhabi erstmals und als dritter Deutscher nach Michael Schumacher und Sebastian Vettel Formel-1-Weltmeister wurde!
Glückstag Nummer zwei war der Freitag in Wien, als er die überraschte Öffentlichkeit mit dem sofortigen Ende seiner Rennsport-Karriere konfrontierte. Und dabei entschlossen und unendlich erleichtert wirkte!
Nico Rosberg hat alles richtig gemacht. Er hat das Kapitel 25 Jahre Motorsport, davon zehn Jahre auf höchstem Level in der Formel 1, offensichtlich gesundheitlich und erfolgreich überstanden. Er hat eine intakte Familie, inklusive einer kleinen Tochter. Er verfügt über ein Vermögen von etwa 30 Millionen Euro, besitzt Firmen bzw. Firmenanteile – muss sich also keine Sorgen um die Zukunft machen.
Hat zudem mit vielsprachigem Hintergrund und enormen Kenntnissen in der Branche alle Optionen, weitere Lebensabschnitte aussichtsreich anzusteuern. Oder sein tadelloses Standing als Werbe-Ikone zu nutzen.
Noch im Juli hat er bei seinem Rennstall Mercedes über eine dreijährige Vertragsverlängerung verhandelt. Daraus ist dann ein Kontrakt über zwei Jahre mit Einkommenserwartung von ca. 45 Millionen Euro geworden. Das ist nun passe‘.
Rosberg hat sich binnen weniger Tage/Stunden entschieden, aufzuhören nach 206 Rennen und 23 Siegen, als sich sein Kindheits- und Lebenstraum am Sonntag erfüllte. 34 Jahre nach seinem Vater, dem Finnen Keke Rosberg, ist auch er Champion im weltweit bedeutendsten Rennsport-Zirkus geworden: „Ich habe den Berg erklommen… Ich bin an der Spitze angekommen… Es fühlt sich richtig an.“
Wenn er zum dritten Male wieder nur Zweiter hinter dem Stallgefährten Lewis Hamilton aus Großbritannien geworden wäre, so Rosberg, hätte er weiter gemacht.
Doch nun ist er oben und die Zweifel sind weggewischt. Nicht mehr da, die Ängste, den eigenen und fremden Erwartungen nicht gewachsen zu sein oder den Herausforderungen und Kämpfen mit auch gnaden-und kompromisslosen Konkurrenten. Nicht mehr ins Auge sehen muss er den Gefahren, bei Geschwindigkeiten im Risikobereich technischen Pannen oder Manövern eines Rivalen zum Opfer zu fallen.
Vorbei die Zwänge, täglich alles dem ersehnten Ziel unterzuordnen zu müssen. Formel 1 bedeutet Jetset-Dasein, Goldener Käfig und Glamour auf der einen, aber eben auch Hamsterrad und lästige Pflichten auf der anderen Seite.
Das muss er nicht und will er nicht mehr haben!
Die Resonanz auf die spektakuläre Entscheidung deckt das ganze Spektrum von Unverständnis bis Anerkennung ab.
Rennstall-Aufsichtsratschef Niki Lauda räsoniert, dass Rosberg die Mannschaft nicht vorgewarnt hätte und sich nun die Suche nach einem geeigneten Nachfolger schwierig gestalte. Weil mögliche Kandidaten – Max Verstappen etwa oder Daniel Ricciardo – derzeit in gut dotierten Verträgen feststecken.
Motorsport-Altmeister Hans-Joachim Stuck kann die Branchen-Scheuklappen nicht ablegen und wirft Rosberg fehlende Leidenschaft und mangelnden Racingspirit vor. Als Rennfahrer könne er den Rücktritt „nicht nachvollziehen.“
Für Sprint-Triumphator Usain Bolt, Rekordsieger bei Olympia und Weltmeisterschaften, der Wettkampf-, wie Show-Bühne gleichermaßen bedient, ist Rosbergs Schritt unbegreiflich. Doch der Jamaikaner räumt durchaus einen Unterschied zur (lebensunbedrohlichen) Leichtathletik ein.
Die überdeutliche Mehrheit im Formel-1-Lager, in der Öffentlichkeit und in den sozialen Netzwerk indes bestätigt den Gipfelstürmer in seinem Entschluss: Schade – gut gemacht – große Bewunderung – mutig – großer Charakter.
Der frühere Weltmeister, Damon Hill, formuliert seine Meinung britisch unterkühlt, aber prägnant: Zum Leben gehört mehr als nur im Kreis herum zu jagen. Respekt!
Nico Rosberg hat sich entschieden und ist sich zu 100 Prozent sicher, dass er nicht zurückkommen wird. Er entschied sich gegen das Rasen im Kreis und für künftige Beautiful Days!