Das Wasser ist nämlich nicht nur warm, sondern etwas Besonderes. Es ist radioaktiv, aber nur leicht, so daß es nicht schädlich ist und anregt und es ist ein spezifisches Brom-Jod-Sole-Gemisch, das von daher sowohl anregende wie auch beruhigende Teile hat. Jeder Mensch bekommt von ihm das, was er braucht. Aber das Wasser ist nur das eine. Die Natur hat die Gegend zudem mit einem Schlamm bedacht, der als „Fango“ dem Heilschlamm in der ganzen Welt seinen Namen gegeben hat, auch wenn er nicht von hier stammt. Dazu und zum Gesundheitsaspekt später mehr.
Wir wollen uns erst einmal um die Vergangenheit kümmern, denn der Name der Gegend hat historische Wurzeln. Es waren die Euganeer, die nachweislich schon Anfang des 1. Jahrtausend vor Chr. in der Gegend rund um das heutige Abano siedelten und im Kampf mit dem ewigen Feind aus dem Osten, den Venetern, die den Druck von der Küste und von Süden her auf diese Gegend richteten, abgedrängt wurden, immer höher in die Hügel hinauf. Schon damals, und das ist nachgewiesen, hat die Bevölkerung das Heilwasser und den Fango genutzt und zu Gesundheitserhaltung angewendet und die Gegend die euganäischen Hügel genannt.
Daß anschließend die Römer, die sich das ganze heute Italien nennende Land untertan gemacht hatten, wie später auch noch ganz Westeuropa, die hiesigen Thermalquellen in ihren Lebensstandard einbauten, versteht sich von selbst. Denn das Baden war den Römern auch dort eine Selbstverständlichkeit, wo ohne Quellen das Wasser durch ein aufwendiges Röhrensystem über Hunderte von Kilometern geleitet werden mußte, um reichlich anzukommen. Die Badekultur der Römer hat wiederum ihren Ursprung in Griechenland, wo nach dem Sporttreiben und anderen gymnastischen Übungen das Reinigen anstand, und sich in den Asklepois-Tempeln die ersten Heilstätten befanden, allerdings haben die Römer aus dieser eher funktionalen Betrachtung ein gesellschaftliches Ereignis gemacht, wo die Thermen sowohl Verhandlungsort für Geschäfte wie auch für Verlustierungen genutzt wurden. Ja, gesäubert wurde sich auch.
Hier in den euganeischen Hügelketten nannten die Römer die Quellen Fons Aponi. Das war dann die Quelle des Gottes Aponus, der im römischen Götterhimmel als der Gott thronte, der den Schmerz wegnimmt, ein sehr angenehmer Gott also. Die Römer bezeichneten das hiesige warme Thermalwasser auch als Aqua Patavinae. Das ging Jahrhunderte gut, bis im Verlauf der europäischen Völkerwanderung die Langobarden in Norditalien einmarschierten und – auch aus Unkenntnis, um was es geht – das ausgebaute römische Thermalsystem mit den angeschlossenen Bädern zerstörten und zwar so gründlich, daß das frühe Mittelalter hindurch, wo die Badekultur noch in hoher Blüte stand, hier tabula rasa herrscht.
Das änderte sich erst im 12. Jahrhundert und als 1405 Venedig, das nicht nur 1204 das christliche Byzanz überfallen und ausgeräubert hatte, sondern auch die terra ferma im Westen nach und nach in Besitz nahm, seine Herrschaft ausübte, stand die Badekultur schon in bescheidener Blüte. Nur wurde gleichzeitig mit der Betonung auf die Kopfkultur der Renaissance das Baden und die körperliche Hygiene als minderwichtig eingeschätzt – trotz Paracelsus, der ausdrücklich die Massage als heilbringend anpries – , was sich jahrhundertelang in Europa fortsetzte und im Barock solche Blüten trieb, daß ein Prunkschloß wie Versailles auf Bäder ganz verzichten konnte und nach Hörensagen wohl ganze zwei Toiletten eingebaut wurden. Für das ganze Schloß wohlgemerkt.
Das nun wiederum änderte das rührige 19. Jahrhundert radikal. 1866 war zudem das Gebiet um Abano zum Königreich Italien gekommen. Ein schwedischer Arzt Pehr Henrik Ling hatte schon fünfzig Jahre zuvor mit der sogenannten schwedischen Massage den Körper wieder zu einem pflegenswerten Gut erklärt und die Methode gleich mitgeliefert. Das warme Wasser und der hiesige Schlamm paßten sehr gut in diese Gesundheitsrichtung, der sich in ganz Europa viele anschlossen, auch Sebastian Kneipp aus Wörishofen, wo im Voralpen- und Alpenland eine Reihe von Heilbädern entstand und Abano heute eine Städtepartnerschaft mit Bad Füssing in Bayern besitzt.
Gleichzeitig hatte die Technisierung auch das gesamte Quellengebiet leichter erreichbar gemacht. 1866 wurde die Bahnlinie Bologna bis Padua eröffnet, was das Reisen erleichterte und es gab in sieben Hotels rund 228 Zimmer. Als dann noch eine Straßenbahnlinie von Padua nach Abano verlegt wurde, die heute leider nicht mehr existiert, wurde der Ort eine Sommerfrische mit Gesundheitsschwerpunkt. Zeit nun endlich zu betonen, daß noch damals der Ort nicht Abano Terme, wie er auf Italienisch geschrieben wird, hieß, sondern schlicht Bagni, also Bäder. Seit 1930 trägt der Ort seinen heutigen Namen und auch die Deutschen ließen es sich hier bei ihrer Besetzung/Kooperation mit dem faschistischen Italien gut sein: Abano wurde zum Lazarett umgebaut.
In der Nachkriegszeit wuchs der Ort erstaunlich an und wurde zum Luxusbad für reiche Europäer. Abano Therme. Das stand noch in unseren Kindertagen für die feine, wohlhabende Welt, in der vor allem die Damen und darunter insbesondere die älter werdenden Damen sich einer Regenerationskur unterzogen, die nichts zu tun hat mit dem – so auch nicht zutreffenden – strengem Kurreglement, sozusagen krankenhausähnlich. Nein, Abano Therme, das stand für Luxus, für körperliches Wohlbefinden, mit Entspannung und Verwöhnen des Körpers, für Seele-baumeln-lassen, mit Badelandschaften, die in die Natur eingelassen, aus der Natur gespeist, mit mildem sanftem warmen Wetter inmitten einer von Kultur getränkten Landschaft, die mit den Namen von Giotto, Donatello, Petrarca, Galileo nur angeritzt ist. Kultur und Natur pur.
Für all das stand Abano Therme. Und die gute Nachricht ist, es stimmt auch heute noch mit einzigen Unterschied: Auch Sie können es sich heutzutage leisten! Das wäre der finanzielle Aspekt, der die Italiener hart ankommt, denn sie mußten tatsächlich im Preisgefüge nach dem Fallen des Eisernen Vorhangs auf die harte Konkurrenz aus dem Osten reagieren: Das südliche Ungarn und Slowenien haben ihre Bäderlandschaften – die Gnade der späten Geburt und einer totalen Renovierung und Neuschöpfung der dortigen Thermenlandschaft nach 1989 – in einer Weise modern ausgebaut und kostengünstig gestaltet, daß die zuvor als einzigartige Thermenlandschaft geltende euganeische Hügellandschaft einfach darauf reagieren mußte und einen kräftigen finanziellen Abschlag zu verkraften hat.
Aber Finanzen sind nicht alles. Im Bereich der Gesundheits- und Wohlfühlindustrie müssen heute auch die neuesten Methoden, die Mittelchen und ernsthaften Therapien angeboten werden, will man als Region im Konkurrenzkampf des weithin Wellness genannten Bereichs bestehen. Das ist Abano Therme gelungen und wenn wir so gezielt von Abano sprechen, dann meinen wir doch insgeheim die euganeischen Hügelketten, wozu neben kleinen Orten das gleichgewichtige Montegrotto gehört. Wieso das Wasser und Fango nun wirklich so etwas Besonderes sind, wollen wir im nächsten Artikel dezidiert ausführen.
Info:
Abgesehen davon, daß es im Euganeischen Hügelgebiet, der heute insgesamt Nationalpark ist, genug zu sehen und in den Kastanien- und Eichenwäldern zu erwandern gibt, sind die Kurorte ideales Ausgangsgebiet für die Schönheiten Venetiens. Padua, Mantua, Vicenza, Verona, Bassano del Grappa, Venedig. Vergessen Sie vor allem Arquí Petrarca nicht, wo der berühmte Dichter lebte und sein Haus und die mittelalterliche Welt noch spürbar sind.
Reiseliteratur:
DuMont Kunstreiseführer "Venetien", Klaus Zimmermanns
Mairdumont: Marco Polo "Venedig", Walter M. Weiss
Marco Polo "Venetien/Friaul", Bettina Dürr
Karl Baedeker Verlag: Baedeker Allianz Reiseführer "Venedig", Anja Schliebitz
DuMont Reiseverlag: DuMont Kunstreiseführer "Venedig", Thorsten Droste
DuMont direkt "Venedig", Christoph Hennig
Falk Verlag: Falk Spirallo Reiseführer "Venedig", Sally Roy
Weitere Literatur:
Johann Wolfgang Goethe, Italienische Reise, hier die Kapitel „Von Verona nach Venedig“ und „Venedig“