Am Mittwoch, den 11. März kamen zur Vernissage ihrer Ausstellung neben vielen interessierten Besuchern auch viele Protagonistinnen in die Botschaft der Vereinigten Mexikanischen Staaten, wie das Land offiziell heißt, und wo, wenn nicht in der Botschaft, soll es offiziell zugehen. Wenn da nicht die mexikanische Lebensfreude wäre, die aus der Eröffnung gleich ein Fest machte. Es wurde getanzt, gesungen, deklamiert und die im Botschaftsgebäude ausgestellten Werke begutachtet. Eat, drink and be merry! Das Gesandtschaft ist für Besucher zugänglich und eines der ganz wenigen durch und durch mexikanischen Häuser in der Bundesrepublik Deutschland (die anderen stehen in Niedersachsen), denn auch der Architekt ist Mexikaner. Die Aufnahme zeigt das stolze Gebäude an der Klingelhöferstraße in den mexikanischen Nationalfarben. So einladend hatte man die Fassade eine Woche vorher geschmückt – am ersten Tag der Internationalen Tourismus-Börse ITB. Hier ist eben immer etwas los.
Aus ganz Deutschland waren Künstlerinnen angereist. Ja, es handelte sich ausschließlich um Frauen, so wie auch an der Spitze der Botschaft eine Frau steht. Keinen weiten Anfahrtsweg hatte die Kuratorin und Künstlerin Rosaana Velasco, die in der Hauptstadt wohnt. Sie ist auf dem oberen Bild vor ihrem „Selbstbildnis in Tracht aus Chiapas“ zu sehen und auf dem unteren Bild neben den Skulpturen von Liliana Cobos. Diese Kölnerin, die ab und an auch in Berlin residiert, war an diesem Abend wegen eines Auftrags in der Rheinmetropole nicht zugegen. Wir zeigen Sie deshalb auf einer wenige Tage zuvor angefertigten Aufnahme an der Seite von Frau Velasco. Die beiden stehen dort nicht zufällig nebeneinander: Sie arbeiteten auch schon zusammen, zum Beispiel an einem Objekt, das in einem Kölner Museum steht. Liliana Cobos Pinedas‘ Pappmachéskulpturen heißen „Jacinta Calavera“ und „Catrina con Alcatraces“. Sie stellen den Tod in einer Form dar, die erkennen lässt, dass das Ende des Lebens in Mexiko auch als Freund aufgefasst wird. Nicht nur an dem einen Feiertag im November, dem „dia de muertos“, der festlich und fröhlich auf den Friedhöfen begangen wird. Der Berlinale-Wettbewerbsfilm „Eisenstein in Guanajuato“ – der etwas frei die Geschichte beschreibt, wie der sowjetische Regisseur 1931 in die mittelmexikanische Stadt Guanajuato reist, um seinen Film „Que viva México“ zu drehen – hatte im Februar auch einen Ansatz gezeigt, wie man dieses Thema visualisieren kann. Die Charlottenburgerin Liliana Cobos erfreut übrigens außerdem auch als Weltmusik-Sängerin.
Aus Nordrheinwestfalen zur Ausstellungseröffnung gekommen war die freundliche Leticia Santaoialla, die ihr Bild „Raices y Alas“ zeigt, das gleich links neben Rosaana Velascos Bild hängt. Zu deutsch: „Wurzeln und Flügel“. Auf die Frage, ob ihr Bild der Ausstellung „Alas y Raíces“ den Namen gab, antwortete sie bescheiden: Nein, das sei Zufall. Das Bild sei ja auch schon etwas älter. Immerhin könnte es die Ausstellungsmacher zur Namensgebung inspiriert haben. Wurzel und Flügel sind ein schönes Bild. Die Heimat, in der man verwurzelt sein darf, über die man sich aber auch mal, und sei es nur gedanklich, erheben und emporschwingen kann, um aus der Vogelschau die eigene Herkunft bewundern und schätzen zu können wie auf einem Luftbild oder bei einem Rundflug über dem Geburtsort und der Umgebung. Die Diplompsychologin studierte gleichzeitig Photographie bei Flor Garduno.
Überhaupt nahm es den neutralen Beobachter wunder, wieviel Talent und Bildung an diesem Nicht-Herrenabend versammelt war. Dazu zählte auch Gabriela Pavón Lara, die Übersetzerin, die im Haus der Kultur in Toluca tätig war, der Hauptstadt des zentralmexikanischen Bundesstaates México. Mexiko überrascht eben immer wieder. Es gibt nicht nur Mexiko-Stadt (im Bundesstaat Distrito Federal), das bringen die US-Amerikaner mit Washington ja auch fertig, sondern auch noch einen Bundesstaat gleichen Namens. Was woanders undenkbar wäre – dass es in Kanada einen Bundesstaat „Canada“ geben könnte oder in der BRD ein Bundesland „Deutschland“ – dabei zucken die Mexikaner nicht einmal mit der Wimper. Gabriela Pavón Laras eindrucksvolle großformatige Bilder mit dem Titel „Pasado y Presente I y II“ – „Vergangenheit und Gegenwart I und II“ – sind hoch gehängt. Die Malerin ist Mitglied in der Künstlergemeinschaft „Heidelberger Dreieck“ und hatte einen der längsten Reisewege unter den Anwesenden.
Aus Hessen brachte Sarit Lichtenstein „Liebe (Amor)“, „Hass (Desamor)“ und „México“ mit. „Mexiko“ hängt also in der mexikanischen Botschaft. Sarit Lichtenstein-Alter legte mit den professionellsten Auftritt hin, sie kann Kataloge vorlegen und auf die „Galerie am Park“ in Frankfurt am Main verweisen. Sie studierte Kunst in Mexiko-Stadt, Rom und Jerusalem.
Claudia A. Cruz präsentiert „XXL“-Photographie, die Klarheit atmet, während Ana Lombard in der Südwestecke des Ausstellungsraumes die Schönheit ihres Veracruz zeigt: „Mi Veracruz“. Ihr Wurzelort ist Monterrey, und ihre Schwingen trugen sie schon an die Kunsthochschule im schweizerischen Lausanne.
Estela Uribe verschönerte nicht nur mit ihren rot-grünen Visitenkarten den Raum, Gemma Galo zeigt „La Representatión“. Mit der Malerin Margarita Morales aus Ost-Berlin und ihrer „Fusión“ schließt sich der Kreis der beispielhaften Künstlerinnen.
Phantasievolle Werke von verheißungsvollen Kulturschaffenden wie „Almanaque 2019“ von Adriana Munoz Origel, die gerade in Weimar an ihrer Magisterarbeit schreibt oder „Virtudes“ von Ana Belen Alvarez Ramirez zeigten, wie vielfältig und doch häufig auch originär mexikanisch das Kunstschaffen allein nur des weiblichen Geschlechts ist – und wir dürfen nicht vergessen, dass es sich nur um einen kleinen Teil der Künstlerinnen handelt: die, die in deutschen Landen heimisch sind. In Mexiko leben mehr als 120.000.000 Menschen, die Hälfte von ihnen Frauen ”¦
Zur Abrundung gab es auch eine Vortrag der Poetin Sandra Lilia Rosas Torres und am Ende der Auftaktshow Vorführungen verschiedener Tanzguppen unter der Beteiligung von Kindern und Jugendlichen. Was diese im Laienspiel an Professionalität vermissen ließen, machten Sie durch die Kostüme, ihre Unbeschwertheit und Spaß an der Sache mehr als wieder wett.
Alles in allem ein gelungener Start in die Ausstellung, die bis zum 10. April 2015 in der Klingelhöferstraße 3 im Diplomatenviertel in 10785 Berlin-Tiergarten zu sehen ist.
Vielen Dank für den Bericht. Ich finde ihn sehr gelungen!