Dort befindet sich das Büro des stellvertretenden CSU-Vorsitzenden und Bundestagsabgeordneten Dr. Peter Gauweiler. Die Bundeswehr hatte ihn eingeladen, vor den Lehrgangsteilnehmern der Bundeswehr-Universität in Hamburg eine Rede über das Spannungsfeld: Verfassung und Bundeswehr zu halten. Daraus wurde am 4. Juni 2014 eine Rede, die man getrost als eine „große Rede“ deshalb bezeichnen kann, weil der Anwalt aus München und Freund von Franz-Josef Strauss die Wurzeln und die Lebenslinien einer Armee in einem Verfassungsstaat offengelegt hat. Mit dem Beschluß des Deutschen Bundestages vom 29. Januar 2015 auf Antrag der Bundeskanzlerin und ihrer Regierung ein Kontingent in den Irak zu entsenden, ist der letzte Sargnagel in das Verfassungsgerüst für die Bundeswehr geschlagen worden. Der Bundeskanzlerin ist es, auch nach einem bemerkenswerten Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages zur Rechtmäßigkeit dieses Einsatzes gelungen, die Bundeswehr auf das Niveau der Einsatzfähigkeit der Deutschen Wehrmacht zu heben. Nichts ist mehr übrig von der rechtlichen und vor allem völkerrechtlichen Einhegung der Bundeswehr. Mit einer Ausnahme vielleicht: es muß schon im amerikanischen Interesse sein, weltweit eingesetzt werden zu können, ohne Mandat der Vereinten Nationen oder eines gleichwertigen Rechtsrahmens. Ein Blick der Frau Bundeskanzlerin über den Platz in München, hin zur Kanzlei ihres Fraktionskollegen, ist der Blick zurück in der Demontage. In den USA würde man jetzt sagen: mission accomplished.
Nach der Rede des Herrn Bundespräsidenten auf der fraglichen Konferenz des Vorjahres, die von vielen Menschen im Landes als „Panzerrede“ empfunden worden ist, müßte man sich jetzt fragen, ob eine solche Rede, die so völlig am Empfinden des deutschen Volkes zu Frieden und Krieg vorbeiging, überhaupt noch „getoppt“ werden kann? Die Frage kann allerdings wegen des Ablaufes des Jahres nach der damaligen Rede des Herrn Bundespräsidenten bejaht werden. Das letzte Jahr war eine so völlige Abkehr der aktuellen Regierungspolitik von der Friedenspolitik deutscher Bundeskanzler von Konrad Adenauer über Willy Brandt und Helmut Schmidt bis Helmut Kohl, daß eine „Kriegserklärung“ aus dem Munde der Bundeskanzlerin in München die deutsche und internationale Öffentlichkeit nicht mehr ins Erstaunen versetzen würde. Wo ist das je vorgekommen, daß eine legitime Regierung, mit der man noch Tage vorher ins politische Bett kriechen wollte, mit Hilfe der deutschen Bundesregierung aus dem Amt gefegt wurde? Übrigens mit einem Massaker, an dessen Aufklärung man aus wohl gutem Grund kein Interesse zeigte, wie es in Vergleichsfällen stets an der Tagesordnung gewesen ist. Welche deutsche Regierung hätte es je gewagt, faschistische Kräfte in einem anderen Land, die die dortige Regierung und weite Teile des staatlichen Apparates durchsetzt haben, so mit Glace-Handschuhen anzupacken, wie das in der Ukraine toleriert wird? Die nachträglich empörten Reden über die Nazis wirken abgestanden, wenn man die aktuelle Politik der Bundesregierung in diesem Zusammenhang unter die Lupe nimmt. Und was sollen die Russen mit ihren Millionen Kriegstoten denken, wenn sich ihre offenkundigen Feinde wieder dieser Kräfte an ihren Grenzen bedienen?
Wenn die Bundeskanzlerin schon keine Kriegserklärung aussprechen sollte, dann kann sie aber ein Kapitel abschließen. Sie kam in ein Regierungsamt, als wir voller Hoffnung gewesen sind, an „Friedensdividenden“ denken zu können. Die Zeiten sind vorbei und daran haben deutsche Bundeskanzler seit dem Überfall auf die Bundesrepublik Jugoslawien 1999 tatkräftig mitgewirkt. Heute sind wieder „Kriegsgewinnler“ gefragt und das macht deutlich, wie sehr das Erbe der Jahre 1989/1990 verschleudert worden ist.
Die Bundeskanzlerin muß den Herrn Bundespräsidenten mit seiner am deutschen Volk vorbei gehaltenen Rede aus dem Münchener Kaminevent des Vorjahres nicht toppen. Um Himmels Willen: nein! Aber das, was dringend und zwangsläufig ist, wird sie unter den Tisch kehren. Es war nicht nur des Präsidenten „Panzer-Rede“, die das letzte Jahr bestimmt und in gewisser Weise eingeläutet hat. Im Frühjahr 2014 ließ sich, gutgelaunt und salopp, wie ihn die Deutschen mögen, der ehemalige Bundeskanzler Gerhard Schröder zum Jugoslawien-Überfall vernehmen. Sinngemäß wies er darauf hin, daß er mit dem deutschen Angriffsbefehl und den Unterstützungsleistungen für die NATO das Völkerrecht gebrochen habe. Sicher, es war ein ordinärer Angriffskrieg, an dem sich Deutschland beteiligt hatte. Wenn es jemand wagen sollte, einen Blick in das Grundgesetz, die Strafgesetze und das Soldatengesetz zu werfen, wird er oder sie entsetzt zurückprallen. Peter Gauweiler hat am 4. Juni 2014 auf die Begründung hingewiesen, warum dieses staatliche Handeln geächtet und unter Strafe gestellt ist. Vom Kriegsverbrecher-Tribunal in den Haag ist dabei noch nicht einmal die Rede.
Spätestens in dem Augenblick, als ein oberstes deutsches Gericht einem Offizier in Zusammenhang mit der Unterstützung des Irak-Krieges durch eine Bundesregierung das Recht zubilligte, seinen Dienst nicht mehr zu verrichten und das Land und die Regierung dazu schwiegen, hätte man es wissen können. Mit der Anmerkung des ehemaligen Bundeskanzlers zum Jugoslawien-Überfall ist es überdeutlich: wo ist in München das Wort der Bundeskanzlerin, daß die Regierung den Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr garantiert, die Gesetze strikt als Regierung einzuhalten, damit nicht erneut deutsche Soldaten von ihrer Führung im wahrsten Sinne des Wortes mißbraucht werden. Da ist es fast müßig zu fragen, was der Herr Bundespräsident als oberster Hüter der Verfassung zu tun gedenkt, die Verfassung und die Gesetze durch die jeweilige Bundesregierung zum Schutze der abhängig Beschäftigten eingehalten zu sehen?
Auch aus einem anderen Grund ist die jetzige Konferenz im München Ausdruck einer Zeitenwende. Das hat eine Menge zu tun mit der Wahlentscheidung der griechischen Wähler. Der neue Ministerpräsident bringt Pfeffer nach Europa und vielleicht hat er das Zeug, die verhängnisvolle Schieflage des gesamten Westens wieder ins Lot zu bringen? Man wird das sehen. Aber eines ist gewiß. Er kann es mit den Russen und die Russen können es mit ihm. Das europäische und von den USA gesteuerte Elend fing mit dem Überfall auf einen Gründerstaat der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa-das war Jugoslawien nämlich- an. Es war aber auch-und das pfiffen die Spatzen von allen Dächern- ein geopolitisches Ränkespiel zum Nachteil Rußlands. An vielen Ecken in Europa liegt ein Straßburg oder Breslau. Unbeschadet derzeit bestehender staats-und völkerrechtlicher Bestimmungen wirkt die Geschichte nach – in jeder Beziehung. Vor allem, wenn man die eigene Religion und die eigene Sprache im sympathischer Weise mit einem anderen Volk verbindet. Das gilt für die Russen und manch einem auf dem Balkan. Bevor es zum Jugoslawien-Überfall kam, wurde alles unternommen, die Russen von der Adria und der Ägäis hinter den Bug zurückzudrängen. Dafür nahm man sogar quasi-revolutionäre Umstände in Bukarest oder Sofia in Kauf. Geopolitik, wohin man blickte. So ist das jetzt auch und Geschichte bricht sich wieder Bahn. Will man es wieder mit einem Bürgerkrieg stoppen? Noch eine Konferenz in München?