Erstmals wurde im Jahre 1909 in Berlin ein 6-Tage-Rennen ausgetragen, damals in den Ausstellungshallen am Zoo. Es war das 1. Rennen für 2er-Teams in Europa. Ein Jahr später wurde in Bremen erstmals eine solche Veranstaltung durchgeführt. Nach dem Ende des 1. Weltkrieges bis zur Machtergreifung der Nazis wurde der Bahnradsport und somit „6-Tage-Rennen“ immer populärer. Die Tradition, unterbrochen durch den 2. Weltkrieg, wurde in den 1950er und 60er Jahren wiederbelebt. Nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen europäischen Ländern.
Die Realität der Jahre 2014/15 sieht anders aus. In Deutschland werden nur noch zwei Rennen ausgetragen, in Bremen und Berlin. Europaweit ist die Zahl ebenso rückläufig. Waren 2012 immerhin elf Veranstaltungen, so sind davon nur sieben übrig geblieben. Eine Tradition liegt darnieder.
Für Berlin gilt das mit Einschränkungen. Mit dem Neubau des Velodroms an der Landsberger Allee, vollendet 1997, wurde nach 7jähriger Pause durch den Organisationschef Heinz Seesing die Tradition von 6-Tage-Rennen in Berlin fortgesetzt. Seesing war zuvor in gleicher Funktion in Bremen tätig. Der Gesamt-Etat für die Veranstaltung beträgt etwa 3 Millionen Euro und es ist bisher gelungen, diesen ohne nennenswerte Zuschüsse seitens des Berliner Senates zu stemmen. Daran will auch der neue Veranstalter Reiner Schnorfeil, der 2013 die Funktion von Heinz Seesing übernahm, festhalten.
Neben dem Sport gehört ein Showprogramm dazu. Leider hat die GEMA die Veranstaltung in diesem Jahr als „Showveranstaltung“ eingestuft. Die Musikrechte sollten statt der bisher üblichen 20.000 EUR plötzlich 80.000 EUR kosten. Um diese Kostensteigerung zu umgehen, wird es direkt an der Bahn nur noch Musik aus der Konserve von einem DJ geben. Ganz müssen die Besucher auf die gewohnten Live-Musikeinlagen nicht verzichten, allerdings müssen sie sich dazu in einen anderen Raum begeben.
Im Mittelpunkt soll der Sport stehen. Seit 2007 ist Dieter Stein der sportliche Leiter der 6 Tage von Berlin. Stein ist selbst eine Bahnradsport-Legende und ein Indiz für das Zusammenwachsen von Ost und West. Von 1950 bis 1989 wurde in Ostberlin als Pendant zum West-Berliner 6-Tage-Rennen, eine solche Veranstaltung im Rahmen der Berliner Winterbahn ausgetragen. Eintrittskarten waren, wie so vieles in der DDR, äußerst knapp. 3.500 Plätze gab es in der Werner-Seelenbinder-Halle. Wer Eintrittskarten erwerben wollte, brauchte entweder Beziehungen oder Stehvermögen in einer Wartegemeinschaft. Ungefähr an der Stelle, wo einst die 1993 abgerissene Seelenbinder-Halle stand, wurde das Velodrom errichtet. Es wurde 1997 eingeweiht.
1990 wurde in der Deutschland-Halle letztmals ein 6-Tage-Rennen ausgetragen. Sieben Jahre später ist die Tradition wieder auferstanden. Sieger des ersten 6-Tage-Rennens im wiedervereinigten Berlin, an neuer, alter Austragungsstätte wurde Olaf Ludwig mit seinem dänischen Partner Jens Veggerby. Besser hätte der Sieger zum Neubeginn 1997 nicht passen können. Olaf Ludwig, in der DDR ein gefeierter Star des Radsports (u.a. 1988 Olympia-Sieger im Straßenrennen, 2facher Gesamtsieger der Friedensfahrt) der seine Karriere als Rad-Profi (1990 Gewinner des grünen Trikots bei der Tour de France) fortsetzte.
Nun werden die Gewinner der aktuellen, 104. Auflage des Berliner 6-Tage-Rennens gesucht. Für den sportlichen Leiter ist das Team mit Leif Lampater und Marcel Kalz der klare Favorit. Gefährlich werden könnten die Dänen Alex Rasmussen und Marc Hester sowie Kenny de Ketele aus Belgien, mit seinem neuen Partner David Muntaner. Mit de Ketele startet ein amtierender Weltmeister und der letztjährige Sieger der 6 Tage von Berlin.
Interessant wird es auch zu sehen, wer von den Nachwuchs-Teams nach vorn fahren kann. Hier wird dem Team Jesper Mörkov und Nico Heßlich einiges zugetraut. Nico Heßlich ist übrigens der Sohn von DDR-Bahnradsport Legende Lutz Heßlich (2facher Olympia-Sieger im Bahn-Sprint). Neben den Rennen der Zweier-Teams gibt es wieder Rennen der Frauen, Sprintwettbewerbe und ebenso werden die Steher um Siege kämpfen. Außerdem laufen im Rahmen dieser Veranstaltung die Berlin Six Days U 23, hier kann sich der Bahnradsport-Nachwuchs beweisen.
Die Veranstalter hoffen, dass möglichst viele Besucher kommen. Angestrebt ist eine Gesamtbesucher Anzahl von 75.000, das wären über 12.000 pro Veranstaltung. Das wird nicht so einfach. Vor allem müssen neue Fans im jüngeren Lebensalter gewonnen werden. Es fällt auf, dass die Besucher im Durchschnitt 45 und älter sind. Der Radsport allgemein kämpft nach den Dopingskandalen weiter um seinen Ruf. Auf der Homepage des Veranstalters sind bereits die Veranstaltungen bis 2018 terminiert, solange läuft der Nutzungsvertrag mit dem Betreiber des Velodroms, der Firma Velomax, die zur Unternehmensgruppe Gegenbauer gehört.
Vielleicht ist es ja wirklich das besondere Flair des Velodroms, bedingt durch die eigenwillige Architektur, das diese Veranstaltung so ein Alleinstellungsmerkmal erlangen konnte. Es ist ein Ort geblieben, an dem bis heute Radsportgeschichte geschrieben wird. Trotzdem steht die Aufgabe, jüngere Zuschauer zu gewinnen.