Den Haag, Niederlande (Weltexpress). Im niederländischen Den Haag wird an diesem Woche ein Prozess geführt. Die Monsanto-Tribunal genannte Veranstaltung ist ein Scheinprozess. Mehr war bisher für Umweltaktivisten nicht möglich. Immerhin haben die Aktivisten Juristen gefunden, die gegen Monsanto Anklage erheben, die in dem öffentlichen Forum in Den Haag über Recht und Unrecht entscheiden. Auf dem Monsanto-Tribunal wird wie bei einem ordentlichen Gericht geurteilt. Und das ist gut so.
Zwar sind „nach den Leitprinzipien der Vereinten Nationen für Wirtschaft und Menschenrechte … Unternehmen“ wie Monsanto „zur Einhaltung der Menschenrechte verpflichtet“, schreibt Regina Schwarz in der Tageszeitung „Junge Welt“ (www.jungewelt.de, 15.10.2016), wozu „auch das Recht auf Leben, auf Gesundheit und auf eine gesunde Umwelt“ gehöre, dennoch gebe es „bis heute kein offizielles Rechtsinstrument, das die strafrechtliche Verfolgung von Konzernen wegen Verbrechen gegen die menschliche Gesundheit und die Umwelt“ ermögliche.
Deswegen sind Volkstribunale wie gegen den Chemiegiganten Monsanto wichtig und richtig. Der Ort ist zudem klug gewählt. Den Haag ist nicht nur Parlaments- und Regierungssitz des Königreichs der Niederlande, sondern Sitz des Internationalen Gerichtshofs und des Internationalen Strafgerichtshofs. Wo sind Kriegsverbrecher verantworten müssen, wird Monsanto wegen „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ und wegen „Ökozids“ angeklagt. Einer der Ankläger ist Dr. Jackson Nyamuya Maogoto. Er ist Dozent für Internationales Recht an der Universität Manchester.
Der laut Wikipedia „1901 gegründeter und seit 1927 börsennotierter Konzern mit Sitz in St. Louis im US-Bundesstaat Missouri, der Niederlassungen in 61 Ländern hat“, lehnte die Einladung zur Verteidigung auf diesem Volkstribunal ab. Sogar die Annahme der Einladung soll, darauf wurde auf der gestrigen Pressekonferenz in Den Haag hingewiesen, verweigert worden sein. Trotzdem erklärte Monsanto in einem offenen Brief, dass das Tribunal ein „Scheinprozess“ sei, „bei dem Kritiker, die gegen landwirtschaftlichen Fortschritt und gegen Monsanto sind, die Organisatoren, den Richter und die Jury spielen, und bei dem das Ergebnis von vornherein feststeht.“
Das wundert wenig, wenn man sich die Zeugen der Anklage anschaut: Michael Heussen, WDR Köln, tut das, ist in Den Haag vor Ort, und berichtet in der Tagesschau (www.tagesschau.de, 15.10.2016) wie folgt: „Bauern, Imker und Gesundheitsexperten aus Nord- und Südamerika, Asien und Afrika berichten über die gesundheitlichen und wirtschaftlichen Schäden, die durch das Unternehmen Monsanto, seine Produkte und seine Geschäftspraktiken entstanden sein sollen. Die indische Umweltaktivistin Vandana Shiva etwa spricht von 300.000 indischen Bauern, die sich wegen Monsanto das Leben genommen haben. Das von Monsanto hergestellte Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat wird angeprangert, weil es krebserregend sein soll.“
Monsanto vor Gericht und fünf Richter aus Argentinien, Mexiko, Kanada, Senegal und Belgien werden urteilen. Eine der Richter ist die Ex-Vizepräsidentin des Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg, Françoise Tulkens. Das Tribunal steht also unter einem guten Stern und unter der Schirmherrschaft der französischen Filmemacherin Marie-Monique Robin. Zur Organisation werden weitere Intellektuelle wie Dr. Vandana Shiva aus Indien gezählt.
Ihnen allen soll es gelingen, wie Schwarz schreibt, „ein internationalen Standards entsprechendes Rechtsgutachten zu erstellen, um künftig das Verbrechen ‚Ökozid‘ in das internationale Strafrecht einbinden zu können“.
Zu den fünf Richtern des Tribunals gehört die ehemalige Vizepräsidentin des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, Françoise Tulkens. Einer der Ankläger, . Er zieht einen historischen Vergleich: »Als in den Nürnberger Prozessen deutsche Industrielle für die Unterstützung der deutschen Kriegsanstrengungen zur Verantwortung gezogen worden sind, wurde zugleich rechtskräftig anerkannt, dass das Verhalten privater Industrieller für das internationale Strafrecht relevant ist. (…) Die Entscheidungsträger von Unternehmen können für ihre Verbrechen nach internationalem Recht belangt werden.«
Heute und morgen wird laut Schwarz „verhandelt, ob das Unternehmen das Recht auf Nahrung gemäß Artikel 11 des Internationalen Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte verletzt hat, ob es die in Artikel 15 Absatz 3 garantierte Forschungsfreiheit verletzt hat, ob es sich gemäß Artikel 8 Absatz 2 des Statuts des Internationalen Strafgerichtshof zum Komplizen von Kriegsverbrechen gemacht hat und ob die Tätigkeit von Monsanto den Tatbestand des Ökozids erfüllt“.
Mit der Verkündung des Urteils wird noch diesen Dezember gerechnet, doch das bliebe rechtlich nicht bindend, weder für Monsanto noch für Bayer.
Die Aktivisten und Campaigner beweisen beim Monsanto-Tribunal in Den Haag das, was Noam Chomsky 1970 für sie definierte: „Die Rolle der Intellektuellen und radikalen Aktivisten besteht im Beurteilen und Bewerten, im Überzeugen und Organisieren, und nicht in der Machtergreifung und Herrschaft.“ Schon jetzt ist in diesem Sinne das Monsanto-Tribunal ein voller Erfolg.