Nach zuletzt vier Niederlagen nacheinander. Als Tabellenneunter mit vor der Partie 15 Punkten Rückstand und einem Match weniger als der Sechste Mannheim! Zudem in einer Formation, in der noch immer sechs Stammkräfte wegen Verletzung oder Krankheit fehlten!
„Safety first“ war das Motto des Abends. Geschuldet der aktuellen Situation. Denn beide – vor der Saison neben Köln als erste Titelanwärter gehandelt – rangieren derzeit deutlich hinter eigenen Zielstellungen und allgemeinen Erwartungen.
Beim fünfmaligen DEL-Champion Mannheim kam hinzu, dass man vor Jahresende wegen einer Niederlagenserie die Nerven verlor. Und für Trainer Harold Kreis den 64-jährigen „Alpenvulkan“ Hans Zach an die Bande holte. Seit Jahren auf deutschem Eis die spektakulärste Umbesetzung.Vier Jahre war der Tölzer nach einer beispiellosen Vita im Ruhestand: Meister als Spieler, Meister mit zwei verschiedenen Vereinen (Düsseldorf/Hannover) sowie erfolgreicher Bundestrainer der DEB-Auswahl. Bevorzugt klare Regeln und klare Ansagen. Als Adler-Topscorer des Vorjahres, Yannick Lehoux, sich damit nicht anfreunden mochte, wurde er kurzerhand bis Saisonende suspendiert.
Taktisch ist der Altmeister seit je her ein Verfechter der Defensiv-Strategie – also safety first. Das äußerte sich gegen die bekanntermaßen konteranfälligen Eisbären mit einem massiven Verdichten der Abwehr in der neutralen Mittelzone. Sowie auf ein reduziertes Forechecking, d.h. das Stören und Attackieren des Gegners schon in dessen Zone.
Als so nach einem Fehler der Hausherren im ersten Abschnitt durch NHL-Ex-Profi Jochen Hecht das 1:0 gelang, stellten die Eisbären danach ihre Spielweise um. Nicht versuchen, mit dem Puck am Schläger den Doppelriegel der Adler an deren blauen Linie zu durchbrechen, sondern die Scheibe in Richtung gegnerische Zone befördern und dann hinterher jagen, hieß die Eisbären-Marschrichtung.
Was zum 1:1-Ausgleich durch Daniel Weiß und zu Beginn der dritten Spielperiode sogar zur 2:1-Führung durch den Dänen Mads Christensen führte. Doch nur 24 Sekunden später kam die Antwort der Gäste zum 2:2 durch Mannheims Marc El-Sayed.
Im letzten Drittel wieder einen Vorsprung unaufmerksam vergeigt – sollte das erneut mit einer Pleite enden?- Nein, sagten sich Junior Jonas Schlenker und Verteidiger Frank Hördler und so zappelte das kleine schwarze Etwas rund neun Minuten vor dem Ende im Heiligtum von Gäste-Goalie Dennis Endras. Nun forderte Zach seine Adler zum letzten Sturmflug auf den Eisbären-Kasten. Aber anders als zuvor so häufig erlebt, gingen den Eisbären nicht Ordnung und Kräfte aus.
„Wir hatten da genug Power, weil wir mit vier Sturmreihen auf dem Eis geblieben sind“, bestätigte Daniel Weiß den taktischen Schachzug von Cheftrainer Jeff Tomlinson. Jener hatte das junge Sturmtrio Sven Ziegler, Jonas und Vincent Schlenker jeweils zwei routinierten Stammkräften zugeordnet und so eine Belastung auf mehr Schultern verteilt.
Eine mit Geschäftsführer/Manager Peter John Lee abgstimmte Maßnahme. Jener hatte im Tages-Programmheft Klartext gesprochen. Dass man in der schwersten Phase seit 2007 angekommen sei. Als man nach den ersten beiden Meisterschafts-Erfolgen schwächelte und nach Platz neun der Hauptrunde im ersten Play-off-Duell scheiterte.
Danach jedoch auf den Erfolgsweg zurückkehrte und in sechs Jahren fünf Titel erkämpfte. Es gäbe – so Lee – etliche Gründe, weshalb es aktuell nicht so positiv gelaufen sei. Aber man wolle Ruhe bewahren. Mit den Spielern auf die Siegerstraße zurückkehren. Kranke und Verletzte wieder fit machen und den jungen Spielern behilflich sein, sich auf DEL-Niveau einzupegeln. Acht Akteure, die nach 1990 geboren wurden, boten diesmal Eisbären auf. Denen Kritiker vorwerfen, in den Erfolgsjahren die Weiterführung des Nachwuchses etwas vernachlässigt zu haben. Vielleicht meinte Zach dies indirekt, als er unvermittelt hervorhob, heute mit immerhin 15 deutschen Spielern angetreten zu sein.
Dennoch haben die Eisbären im Gegensatz zum Geschehen beim Erzrivalen Mannheim auf die momentan unbefriedigende Lage nicht mit Trainer-Entlassung oder Spieler-Rausschmissen reagiert. Machte auch wenig Sinn, weil ein adäquater Bankchef nicht auf dem Markt zu erkennen ist und alle Ausländer-Lizenzen vergeben sind. Und neues Personal auf jeden Fall Löcher in die Finanzen reißen würde…
Zudem dürfte Lee nicht übersehen haben, dass die Einstellung der Mannschaft stimmt. Auch, wenn die Leistungen sehr wechselhaft waren. Dass Ersatz-Kapitän Barry Tallackson, anstelle des noch immer nicht einsatzfähigen Andre Rankel, im zweiten Drittel wieder der Mannschaft half, nachdem er zuvor den Puck nach einem hohen Pass auf die Wange bekommen hatte, beweist vorbildliche Einsatzbereitschaft. „Zum Glück war nichts gebrochen, aber das Gesicht ist dick geschwollen“, sagte Tomlinson.
Ob er mehr mit den drei Punkten oder der Spielweise der umformierten Reihen zufrieden sei?- „Mit Beidem“, erklärte der Neu-Cheftrainer, der seinen früheren Headchoach Don Jackson nach Zwischenstationen in Düsseldorf und Nürnberg nun abgelöst hatte. „Die drei Punkte waren sehr, sehr wichtig in der aktuellen Situation um die Teilnahme an den Pre-Play-offs. Und sie haben die Moral und das Selbstvertrauen der Mannschaft nach etlichen Rückschlägen wieder gestärkt.“