Nicht so am Montag im erwähnten Heiligtum der Puckprofis in ihrer O 2 World am Ostbahnhof – dahin hatte das Management die Medien zur Vorstellung ihres Neu-Cheftrainers Jeff Tomlinson eingeladen.
Flankiert wurde der 43-jährige Kanadier von Kapitän Andre Rankel, Co-Trainer und Eisbären-Urgestein Hartmut Nickel sowie Peter John Lee, Manager und Macher des Erfolgprodukts EHC Eisbären!
Als die Entscheidung vor drei Wochen verkündet wurde, dass Tomlinson der Nachfolger von Don Jackson werden würde, hielt sich die Überraschung in Grenzen. Denn jener galt schon in der Zeit als denkbarer Headcoach, als er von 2004 bis 2010 als Co-Trainer mit seiner akribischen Arbeit wirkungsvoll zum Aufstieg der Berliner zur nationalen Nummer beisteuerte!
2010 verließ er seine Wohnung in Hohenschönhausen und ging als Cheftrainer nach Düsseldorf. Dort hatte er längst nicht die Möglichkeiten finanzieller und personeller Art wie die Berliner, bewies aber, dass er das Zeug zum Chef hat. Deshalb holten ihn die Nürnberger Tigers, wo er aber im Dezember unter unwürdigen Umständen entlassen wurde.
Seine Rückkehr an die Spree war dennoch bei Eisbären-Chefarchitekt Lee kein Teil eines Master-Plans – er soll Erfahrungen als verantwortlicher Headcoach sammeln und dann holen wird Jeff irgendwann zurück!
„Nein“, sagt Lee, „Du weiß ja nie, was sich unterwegs in diesem Geschäft so tut. Bei uns war es so, dass Don Jackson uns überraschend verlassen hat.“
Nach fünf Meister-Titeln in sechs Jahren, und drei hinntereinander zuletzt, hatte der US-Amerikaner Jackson die Option auf Weiterführung seines Vertrages nicht wahrgenommen. Sondern in Salzburg angeheuert. Vermutlich „mehr Geld und weniger Stress und mehr Respekt“, meinten die Szene-Insider in der deutschen Hauptstadt. Vor allem einige Boulevard-Blätter hatten sich auf den verbal nicht so geschickten „Eishockey-Lehrer“ (so Jacksons Selbstverständnis) kritisch eingeschossen und mehr oder minder dessen Entlassung gefordert.
Weil ein Blatt mit den großen Buchstaben nun schon bei der Verpflichtung des Rückkehrers Tomlinsons Zweifel („Ob das gut geht?“) anmeldete, mahnte Co-Trainer Nickel am Montag an: „Wir sind froh, dass Jeff wieder da ist und erwarten von allen Seiten Respekt miteinander.“
Tomlinson auf die Frage, ob er als ehemaliger Assistent, Berater und Kumpel der Spieler nicht Autoritätsprobleme sehe: „Nein. Das glaube ich nicht. Ich weiß, was ich kann und dass ich es kann. Was die Negativ-Erfahrungen in Düsseldorf und vor allem in Nürnberg angeht – so etwas gehört zum Job des Trainers. Solche Erfahrungen sind hilfreich für die Zukunft.“
Dass er alles bestens hier kennt, die Stadt, den Klub, den Großteil der Spieler, das Spielsystem – „das ist ein unschätzbarer Vorteil. Ich weiß sofort, welchen Knopf ich drücken muss, damit die Spieler noch besser werden.“
Diese Konstellation dürfte auch den Ausschlag gegeben haben, dass Lee lieber auf Kontinuität im besten Sinne als auf mögliche Impulse durch einen neuen Bandenchef gesetzt hat. Es wäre ein unkalkulierbares Risiko mit Anlaufschwierigkeiten geblieben, einen neuen Coach aus Nordamerika zu holen!
Medial hört es sich wenig spektakulär an, wenn Tomlinson verkündet, „wenig ändern“ zu wollen: Arbeit in kleinen Gruppen, die Spezialteams für Unterzahl- und Überzahlsituationen, dass Spieler wie Verteidiger Jens Baxmann („nur 87 Torschüsse in der ganzen Saison“) viel häufiger das Gehäuse des Gegners anvisieren!
Er wolle die Messlatte für die Leistungen höher legen, damit die Ziele „Verteidigung der Meisterschaft und Erfolg bei der Endrunde der Euro-Trophy im Dezember in unserer Arena“ erfolgreich angesteuert werden können.
Co-Trainer und jetzt der Chef – was hat sich da geändert in seinem Verantwortungsbereich?-“Als Assistent war ich vor allem für das Scouting, also die Analyse des jeweiligen Gegners, und das Athletikprogramm der Spieler zuständig. Jetzt habe ich dafür meine Assistenten und muss alles zusammenfügen und verantworten. Vielleicht der größte Unterschied, dass ich nun als erster Ansprechpartner auch Stellung vor den Medien beziehen muss.“
Dass die Eisbären zuvor die Verträge mit 13 Spielern verlängert haben, ist ein weiteres Indiz, dass Kontinuität oberste Prämisse beim Meister ist. Die zwei neuen Verteidiger aus Nordamerika sieht Tomlinson als wichtige Verstärkungen. Zudem hofft er, dass „jüngere Spieler wie Supis, Schlenker, Haase oder Trivellato Druck auf die heutigen Leistungsträger Rankel, Hördler, Busch ausüben, wie diese es einst auf die damaligen Stars Walker, Beaufait, Pederson gemacht haben.“
Start in der Euro Trophy ist am 13. August in Oulu, die ersten Heimspiele dann am 17. und 30. August.