Aber der Fußball lebt eben von seiner Unberechenbarkeit. Weder alte Erinnerungen noch vom Computer errechnete Statistiken vermögen es, den Ausgang auf dem Platz vorherzusagen. Gerade diese Unwägbarkeit ist es, die diese Sucht erzeugt, sich jedes Mal erneut unter die brüllende, tobende, lachende oder weinende Masse auf den Rängen zu mischen und die eigenen, zu Fußballgöttern erhobenen Balltreter über das Rasenquadrat zu treiben. Was macht es da, einen halb geleerten Bierbecher mit dem Nacken abzufangen, wenn die eigene Mannschaft das Sieges-Tor einhaut? Und die heisere Stimme nach dem Spiel? Heiser von Anfeuerungsrufen, Schmähungen des Gegners und des Schiris, heiser auch gesungen von Liedern, deren Texte selten von hoher Dichtkunst zeugen – na und? Wer Spiele an der Alten Försterei erlebt, der benötigt keinen Therapeuten, kein Psycho-Sofa. Egal, ob Spiele gewonnen oder verloren werden – Hauptsache es wird gekämpft und zwar eisern.
So wie am vergangenen Sonnabend. Natürlich waren letztlich nur die Gäste so richtig zufrieden mit dem 0:0, dass Aalen sich in bester Catenaccio- Manier und mit einem hohen Maß an Schauspielkunst erstritten hat. Nicht zu vergessen die gastfreundliche Hilfe des Schiedsrichters.
Tobias Christ vom TSV Jahn Zeiskam ist von Beruf Redakteur und beim Südwestdeutschen Fußballverband angestellt. Zuständig für das Schiedsrichterwesen. Vielleicht hat der Mann in den nächsten Tagen, wenn seine Pfeife in der Schublade liegt, etwas Muße, sich einige Szenen des vergangenen Spiels zu Gemüte zu führen. Seiner Weiterbildung als Referee könnte das durchaus dienlich sein.
Klar, die Defizite der Eisernen beim Herausspielen von Torchancen können wir nicht dem Schiri anhängen. Aber wenn es den Mattuschka & Co. in diesem Spiel tatsächlich gelang, gefährlich vor dem Aalener Tor aufzutauchen, dann wurden sie nicht selten ausgesprochen rüde an der Vollendung gehindert.
Bereits in der 24. Minute wurde nach einer Ecke Christian Stuff im Aalener Strafraum von einem Gegner zu Boden gezogen. Die Pfeife von Christ bleibt stumm. In der zweiten Halbzeit – inzwischen rollt eine Union-Angriffswelle nach der anderen auf Aalens Torhüter Jasmin Fejzic zu – gab es mindestens zwei klare Gelegenheiten für den pfälzischen Pfeifenmann, auf den ominösen Punkt zu weisen. In der 53. Minute ließ Daniel Kister Unions Stürmer Simon Terodde mit einem sauberen Hüftcheck an den Grashalmen riechen. 13 Minuten später war Silvio dran. Als er sich im 16-Meter-Raum elegant mit dem Ball um Aalens Innenverteidiger Oliver Barth zu drehen versuchte, setzte der einen fast klassischen doppelten Nelson an und brachte den Brasilianer in die stabile Bauchlage. Auch in dieser Situation wurde wohl Tobias Christ erneut von der Angst des Schiedsrichters vor dem Elfmeter überwältigt. Kein Ton drang aus seiner Pfeife.
Ein Tor für die Eisernen wäre längst verdient. Aber Tor ist letztlich, wenn der Ball im Tor liegt. Heute fehlte den Unionern entweder die letzte Präzision oder der sichere Fejzic im Aalener Tor zeigte sich als Spielverderber. Selbst die Torlatte erwies sich als Hindernis. Markus Karl hatte mit dem Kopf den Ball an deren Unterkannte gesetzt. Und der finale Freistoß von Mattuschka in der 93. Minute brachte ebenfalls nicht den ersehnten Sieg in letzter Sekunde. Danach ertönte mal wieder die Pfeife von Christ. Es war der Abpfiff.
Es schien, mit diesem Pfiff brachte dem Schiedsrichter große Erleichterung. Jegliche Angst entwich wie in einem Stoßgebet. Wer kennt nicht das Gefühl, wenn quälende Blähungen endlich einen Ausweg finden. Wie auch immer.