Italienischer Kommunist, Internationalist und revolutionärer Militär – Luigi Longo zum 45. Todestag

Luigi Longo Foto: dati.camera.it, CC BY-SA 4.0

Berlin, BRD (Weltexpress). Am 16. Oktober 2025 jährt sich der 45. Todestag des italienischen Kommunisten Luigi Longo.

Ich hatte das große Glück, ihm während meiner Arbeit als Auslandskorrspondent der Nachrichtenagentur ADN der DDR von 1973 bis 79 in Rom mehrmals persönlich zu begegnen. Wenn man mit ihm zusammentraf, konnte man sich ihn kaum als den kaltblütigen Militär, der im Bürgerkrieg in Spanien im Feuerhagel ruhigen Blutes seine Entscheidungen getroffen hatte, vorstellen. Er war ein warmherziger und geradliniger Mensch, den Problemen der Zeit aufgeschlossen und mit Verständnis für das, was seine Genossen bewegte. Er verfolgte die Entwicklung in seiner Partei in der Zeit des „historischen Kompromisses“, der Regierungszusammenarbeit mit den Christdemokraten (der DC) in den 1970er Jahren unter Enrico Berlinguer, mit großer Sorge. Aber bei ihm wie bei anderen, dieser Entwicklung kritisch gegenüber Stehenden wurde auch deutlich, dass es für sie wesentlich war, die Einheit ihrer Partei zu wahren, gestützt auf die Hoffnung, die Basis werde die opportunistischen Abweichungen nicht ewig so mitmachen.

Großen Anteil hatte Longo an der Umsetzung der von Togliatti konzipierten „Wende von Salerno“, der Schaffung der nationalen Einheitsregierung im April 1944. Als einer der beiden Befehlshaber der Partisanenarmee – der andere war der Sozialistenführer Sandro Pertini – gewann er die Partisanenkommandeure, von den Kommunisten und Sozialisten über die Christdemokraten bis zu den Monarchisten für das antifaschistische Bündnis gegen Hitlerdeutschland und gewährleistete damit dessen Zustandekommen.

Am 15. März 1900 als Sohn eines kleinen Weinbauern im Randgebiet der FIAT-Metropole Turin geboren,  erlebte Luigi Longo 1917 den Antikriegsaufstand, trat als Student des Politechnikums der Sozialistischen Partei bei. 1920 nahm er an den Fabrikbesetzungen und der Aufstellung Roter Garden teil. Im Januar 1921 gehörte er in Livorno an der Seite von Antonio Gramscis zu den Mitbegründern der PCI. Auf dem IV. Kongress der Kommunistischen Internationale (KI) 1922 war er Mitglied der italienischen Delegation. 1927 wurde er ins Politbüro und in das Sekretariat des Zentralkomitees der seit 1926 verbotenen PCI aufgenommen, 1933 ins Exekutivkomitee der Komintern.

In der Partei für die von Gramsci ausgearbeitete Bündnispolitik und die Herstellung einer breiten antifaschistischen Einheitsfront zuständig, wendete Longo sich gegen die schädliche Sozialfaschismusthese und brachte das Aktionseinheitsabkommens mit der ISP zustande, das er 1934 mit Pietro Nenni unterzeichnete. Das 1937 auf  marxistischen Grundlagen erneuerte Bündnis strahlte  auf bürgerliche antifaschistische Schichten aus, beeinflusste führende  Kreise der Großbourgeoisie im Juli 1943 Mussolini zu stürzen, sich dem von den Kommunisten  initiierten nationalen Befreiungskomitee (CLN) anzuschließen und im April 1944 in die nationale Einheitsregierung einzutreten.

Generalinspekteur der Internationalen Brigaden

In die Führung der Partisanenarmee, die nach der Okkupation Nord- und Mittelitaliens durch die Hitlerwehrmacht  am 9. September 1943 formiert wurde, brachte Longo seine reichen militärischen Erfahrungen aus dem spanischen Bürgerkrieg ein. Zunächst Politkommissar der Garibaldi-Brigade, wurde er schon kurze Zeit später Generalinspekteur der zirka 50.000 aus 54 Ländern der Spanischen Republik zu Hilfe kommenden Antifaschisten aller Internationalen Brigaden. Nach einer schweren Verwundung brachte man ihn 1939 nach Frankreich, wo er in Paris verhaftet wurde, später  ins Konzentrationslager Vernet kam, 1941 nach Italien ausgeliefert und dort eingekerkert wurde. Nach dem Sturz Mussolinis im Juli 1943 schlug für ihn die Stunde der Befreiung.

Bereits am 8. September 1943 koordinierte Longo mit General Raffaele Cardona, einem der Militärs, die der Okkupation durch die Hitlerwehrmacht Widerstand leisten, das Zusammenwirken mit bewaffneten Kommunisten. Zusammen mit der Division Granatieri zogen sie noch am selben Tag an der Porta San Paolo in Rom ins Gefecht. Longo hatte großen Anteil an der Aufstellung der Partisanenarmee, die am Ende des Befreiungskrieges 256.000 reguläre Kämpfer zählte Die PCI stellte mit ihren Garibaldi-Brigaden 155.000  Mann. Weitere 206.000 Partisanen waren   in den örtlichen Partisaneneinheiten Gruppi di Azione Patriottica organisiert.

Militärischer Chefplaner

Als militärischer Chefplaner  konzipierte Longo zahlreiche Operationen der Partisanen, gegen welche die Wehrmacht bereits Anfang 1944 fünfzehn Divisionen einsetzen musste. Die vom CLN am 10. April 1945 erlassene Direktive für den bewaffneten Aufstand war unter seiner Leitung ausgearbeitet worden. Ebenso der Plan der letzten Offensive der  Partisanenarmee, die Ende April weit vor den angloamerikanischen Truppen zwischen Piemont und Venetien auf einer Breite von über 400 Kilometern vorstieß.

1946 wurde Longo stellvertretender Generalsekretär der auf über zwei Millionen Mitglieder angewachsenen Partei. Die rechten Kreise der Democrazia Cristiana, nunmehr führende Partei des Großkapitals, beugten sich dem Druck der USA und stürzten 1947 die antifaschistische Einheitsregierung. Im Juli 1948 wollte die von der CIA gesteuerte Reaktion mit einem faschistischen Mordanschlag auf Togliatti, bei dem dieser lebensgefährlich verletzt wurde, die PCI zum bewaffneten Aufstand provozieren, um mit ihr in einem Bürgerkrieg per Blutbad abrechnen zu können. In dieser Situation war es vor allem Longo, der mit seinem Einfluss unter den ehemaligen Partisanen die Aufständischen von diesem Weg abhielt.

Gegen die Aufgabe von Klassenpositionen

Nach Togliattis Tod wurde Longo 1964 sein Nachfolger und hatte das Amt bis zur Wahl Enrico Berlinguers 1972 inne. Er selbst wurde danach Vorsitzender. 1968 erlitt er einen Schlaganfall, der ihm linksseitig Hand und Bein lähmte, was seine Aktivitäten beeinträchtigte Longo befürwortete den Kampf um eine demokratische Wende und die Zusammenarbeit mit der DC bei der Zurückdrängung der faschistischen Gefahr, hielt jedoch den „Historischen Kompromiss“ Berlinguers, der Beteiligung an einer bürgerlichen Regierung für „undurchführbar“ und warnte, er werden die Partei „in die Passivität führen“. Entschieden wandte er sich gegen die Aufgabe von  Klassenpositionen, die in der  Lossagung vom Leninismus, der Anerkennung der kapitalistischen Marktwirtschaft und der absurden  Bewertung der NATO als unter bestimmten Bedingungen „Schutzschild“ eines italienischen Weges zum Sozialismus, gipfelten.

Über den kritischen Aspekten seiner Haltung zur KPdSU stand bei Longo stets sein unverändert konsequenter proletarischer Internationalismus und sein Bekenntnis zu dem in der Oktoberrevolution geschaffenen sozialistischen Staat. Er blieb bis zu seinem Tod am 16. Oktober 1980 ein überzeugter Marxist-Leninist.

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1 Kommentar

  1. Mein Dank an Gerhard Feldbauer für diesen historischen mit Grandiosität beinhalteten Einblick! Was mich dabei bewegt, ist der Widerspruch zu heute, daß der, sicher nicht unbedeutend im Zusammenhang mit dem Antistalinismus – m.E. von Chrustschow ausgehend – gegen den Thorez, Duclos und Longo, wie auch Ulbricht Widerstand leisteten, in verschiedenen Verkleidungsbegriffen entstandene Sozialdemokratieopportunismus – später als Eurokommunismus bekannt – aus dieser breiten antifaschistischen Tradition, verblendend umschlagen konnte in den (pro)faschistischen Massenmißbrauch, besonders in Italien, aber auch in Frankreich bis ebenfalls auf einstiges DDR-Gebiet, bleibt mir ein historisches Phänomen des Demagogieerfolgs hinsichtlich sozialen Notstandes. Der medial-technische Fortschritt als Denk- und Gedächtnisrückschritt wirkt dabei sicher als eine bislang zu gering wahrgenommen auch kulturell romantisierend imperialistische Täuschungswalze zum tatsächlichen Plattmachen von Logik für Wahnunvernunft.