Berlin, BRD (Weltexpress). Mit Blick auf ein notwendiges, breites, auch international verflochtenes Bündnis gegen den Faschismus, hat der Professor Luciano Vasapollo, Dekan für Wirtschaftspolitik an der Universität Sapienza in Rom, in einem Interview für die Zeitung „Faro di Roma“ die Lehren Antonio Gramsci analysiert und sie als “hochaktuell” bezeichnet. Dazu führt er die Entwicklung im Süden an, der unmittelbare Bedeutung für ganz Italien habe, und die Widerstandsbewegungen und Bündnisse mit den Bauern gegen den von den herrschenden Klassen dominierten Zerfall Italiens auf der Basis des Faschismus die dazu notwendigen Werkzeuge seien, um ihn zu bekämpfen.
Der als Gramsci-Gelehrter bekannte Professor verweist dazu auf Gramscis Werk über die „Süditalien-Frage“, 1 das in Kombination mit der Rolle des globalen Südens in der aktuellen Dynamik der kapitalistischen Produktionsweise zeige, dass eine Alternative zur Erlösung der Unterdrückten, die Gramsci als „Das Affenvolk “ definierte, möglich ist. Die Südstaatenfrage bleibt das zentrale Problem jeder gegenwärtigen und zukünftigen Revolution in unserem Land. Entweder wird es gelingen, die Bauernmassen als verbündete im Kampf gegen die Unterdrückung zu finden, oder sie werden anderen politischen Führern überlassen. Vasapollo erinnert daran, dass der große italienische Denker das Proletariat als die wahre nationale Klasse definierte. Es sei klar, dass wir die Relevanz dieser Bewegung nicht ignorieren können. Denn bis heute sei vor allem der Süden ständig Opfer von Arbeitslosigkeit, Ausbeutung, Armut, Lohnungleichgewichten und ineffizienten sozialen Ressourcen.
Die Parallele zwischen der damaligen Ära und unserer Gegenwart ist offensichtlich. Gramsci schrieb, dass der Süden auf einen „halbkolonialen Absatzmarkt“ reduziert wurde, auf eine sichere Steuerquelle, reguliert durch rücksichtslose Unterdrückungsmaßnahmen gegen jede Massenbewegung, auf Tötungen und eine für die herrschende Klasse günstige Politik. Auf diese Weise wurde der Wohlfahrtsstaat, der die Menschen im Süden hätte organisieren und verteidigen sollen, stattdessen zu einem Instrument der Politik des Nordens.
Gramscis Schriften sind ein hervorragendes Beispiel für das Erlernen des kritischen Denkens. Seine Fähigkeit, Gesellschaft, Politik und Kultur eingehend zu analysieren, 2 bietet wertvolle Lektionen zum Verständnis und Umgang mit der Dynamik der Macht. Sie lehren uns, wie wichtig es ist, über den Schein hinauszuschauen und die tiefen Wurzeln sozialer Probleme zu verstehen.
Als Bürger müssen wir heute die tiefgreifende Dynamik des Kampfes gegen die dominierende Macht des Staates zugunsten lokaler Autonomien verstehen (was sich auf die von Meloni verfolgte Autonomiereform bezieht). Vasapollo verweist darauf, dass der Widerstand gegen den Faschismus Mussolinis sich durch ein breites Spektrum an Gruppen und politischen Formationen auszeichnete, die durch ein gemeinsames antifaschistisches Anliegen gegen Gewalt und Deportationen in Konzentrationslagern sowie Repressalien gegen die Zivilbevölkerung vereint waren. Heute sei mehr denn je eine solche Alternative erforderlich, die von der Vereinigung mit dem Südens ausgeht. Wichtig sei, die Emanzipationsbewegung auf internationaler Ebene zu beachten, den Widerstand der unterdrückten Menschen auf der Welt, wie bei Martí in Kuba, der ähnlich wie Gramsci, eine tiefe Liebe zu seinem Heimatland, empfand. Martís Erfahrungen seien, obwohl er kein Marxist war, wertvoll für den Kampf der Unterdrückten.
Wir brauchen eine zunehmend pluripolare Welt, die auf Bündnissen zwischen Völkern basiert, die sich gegenseitig lieben müssen und nicht in den Krieg ziehen dürfen. Es handelt sich um den erweiterten Süden, der sich der imperialistischen Wirtschaftspolitik widersetzt und der auch für die Peripherien des Westens wie Portugal, Italien, Griechenland und Spanien als Alternative zur hegemonialen Kette abhängiger Länder wird.
Anmerkungen:
1 Die süditalienische Frage. Beiträge zur Geschichte der Einigung Italiens. Dietz Verlag Berlin/DDR 1955. Darin legte Gramsci dar, dass die bürgerliche Revolution, die in Italien 1870/71 endete, die Agrarfrage, die Beseitigung des feudalen Grundbesitzes im Süden, nicht löste.
2 Zur Politik, Geschichte und Kultur, Leipzig 1980.
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