Diese "Verhandlungen" der Aufständischen mit ihren Unterdrückern waren immerhin ein Zusammentreffen vieler politischer Kräfte, längst nicht aller, um Gesprächsbereitschaft zu signalisieren. Immerhin waren fast ein Dutzend Vertreter der revoltierenden Jugend im Saal. Die Nationale Bewegung für Reformen schickte Vertreter, auch die Muslimbruderschaft schickte einen Abgesandten zum Treffen, an dem weitere Persönlichkeiten des gesellschaftlichen Lebens teilnahmen. Doch längst nicht alle! Mitglieder der bisher als Opposition in Ägypten bekannten Parteien Al-Wafd und Al-Ghad waren nicht dabei; auch Mohamed ElBaradei, die auch hierzulande bekannteste internationale politische Persönlichkeit Ägyptens, nicht.
Nach dem Treffen wurde verlautet: Alle Beteiligten einigten sich auf einen Krisenplan, der bis zum Ende der jetzigen Amtszeit von Präsident Mubarak im Herbst gelten soll. Das bedeutet faktisch, dass die Opposition, die zu Gesprächen eingeladen war, ihre Forderung nach einem sofortigen Rücktritt Mubaraks zurücknimmt.
Man einigte sich unter anderem auf eine teilweise Revision des Ergebnisses der Parlamentswahl von 2010 sowie auf die Bildung einer unabhängigen Kommission, welche Änderungen am ägyptischen Wahlrecht ausarbeiten, vor allem die Zahl der Präsidentenamtszeiten begrenzen soll.
Außerdem wurde vereinbart, dass das Notstandsrecht, das seit 30 Jahren in Ägypten gilt, noch vor der nächsten Präsidentenwahl aufgehoben werden soll.
Die Regierung ihrerseits garantierte die Erfüllung der Verpflichtungen, die Präsident Mubarak in seiner TV-Ansprache am 1. Februar auf sich genommen hat. Es handelt sich dabei um das Versprechen, bei der nächsten Präsidentenwahl im September nicht zu kandidieren sowie für eine friedliche Machtübergabe zu sorgen.
Das weder Vater noch Sohn zur Wahl antreten, war vor diesem Treffen bereits angekündigt. Viel wichtiger dürfte sein, daß freie und faire Präsidentschaftswahlen ermöglicht, ob nun einige Monate früher oder späte, darauf kommt es nicht an, sondern darauf, daß für freie Wahlen auch freie Medien wirken. Zudem muß schleunigst ein richtiger Rechtsstaat mit einem Polizeiapparat aufgebaut werden, der sich nicht um den Schutz der Herrschenden, sondern um den Schutz der Bürger kümmern.
Der ehemalige Chef der Atomenergiebehörde ElBaradei, der als Vertreter der liberalen Opposition nach eigenen Angaben nicht zu dem Treffen eingeladen wurde, dringt hingegen darauf, erst in einem Jahr neu wählen zu lassen. Eine einjährige Übergangszeit mit einer "Übergangsregierung der nationalen Einheit" sei nötig, um freie und faire Wahlen zu gewährleisten, sagte er am Sonntag in einem Interview mit CNN. Dem derzeitigen Regime die Aufsicht über Wahlen in den nächsten Monaten zu erlauben, würde zu einer "unechten Demokratie" führen. ElBaradei forderte die Einsetzung eines dreiköpfigen "Präsidialrates", in dem beispielsweise zwei Zivilisten gemeinsam mit Vizepräsident Omar Suleiman Wahlen vorbereiten. Nur ohne die "Instrumente des diktatorischen Regimes" – die gegenwärtige Verfassung und das derzeitige Parlament – sei der Übergang zu einer Demokratie möglich.
Was immer am Ende herauskommt, müßte keine bürgerlich-parlamentarische Demokratie wie wir sie kennen sondern könnte auch Islamisierung sein. Dafür taktierte sich die einerseits verfolgten wie andererseits geduldeten Muslimbrüder an den Verhandlungstisch. Vor Tagen lehnten sich die Vorsprecher weit aus dem Fenster und lehnte sie es ohne Wenn und Aber ab, mit Vize Suleimann zu reden, bevor nicht Mubarak weg vom Fenster sei. Doch allein die säkularen Opposition verhandeln zu lassen, wollten die Religiösen dann offensichtlich auch nicht.
Karim El Gawhari kommentiert dazu in der taz: "Die Muslimbruderschaft hat bereits dadurch gewonnen, dass Omar Suleiman mit ihr spricht. Bisher existierte sie nur als semilegale Organisation, deren Mitglieder nach Belieben des Regimes ins Gefängnis gesteckt wurden oder manchmal auch bei vollkommen manipulierten Wahlen Sitze im Parlament erhielten. Der jetzige Dialog mit dem Vizepräsidenten kommt einer Anerkennung gleich."
Ein erster Schritt. Einen Schritt wollen diese Muslimbrüder jedoch nicht machen. Die Muslimbruderschaft wiederholte ihre Position, wonach sie keinen Kandidaten für die nächsten Präsidentschaftswahlen aufstellen werde.
Mit Material von Al Jazeera, CNN, dpa, junge Welt, RIA Novosti, Spiegel-Online und Twitter.