Nah an der Kitschschwelle – Polarkreis 18 „Frei“

Soweit so gut…Respekt.

Nun also das neue, just erschienene, dritte Album, namens „Frei". Und was meine Damen und Herren passiert, wenn sich eine junge, bereits erfolgreiche Nachwuchsband bei ihrem neuen, heiß-erwarteten Album, dem Erwartungsdruck der Fans, Medien, Plattenfirma gerecht werdend, sich ganz nah an die Kitschschwelle heranwagt und lediglich durch ihre fraglos eingängigen Melodien nebst falsettartigem Gesang ihres Sängers auf der guten Seite gehalten wird? Sie driftet ab. Der kitschige Mainstream, dieses unersättliche Monster, wartet mit weit aufgerissenem Schlund auf solch leichte Opfer.

Schon der titelgebende Opener prostituiert sich der leichten Charts-Muse, rutscht aber übel auf verschmiertem Gleitgel aus. Frei / there’s no need to cry / i will find the key to free my mind / for freedom inside / o-hoho ich bin frei". Sänger Felix Räuber stolpert knapp dreieinhalb Minuten durch nahezu sinnfreies Denglish. Verglichen damit geht die dann folgende, aktuelle Single, "Unendliche Symphonie", eine nahezu 1:1 Fortsetzung des Nummer 1 Hits "Allein allein", noch als zwar etwas nervender aber trotzdem melodischer Ohrwurm durch.

Spätestens aber bei "Deine Liebe" kracht der Kitschkübel wieder gnadenlos mit voller Wucht über den strapazierten Hörer. Die Band behauptet, von Franz Schuberts "Winterreise" inspiriert zu sein, tatsächlich erinnern sie hier kolossal an auf Rauschgoldengel getrimmte Modern Talking Crescendos. Und überhaupt, der komplette erste Teil des Albums ist äußerst gewöhnungsbedürftiger Mist, der einem jede Zuneigung mit übertriebenem Streicherbombast ordentlich austreibt und vermutlich nicht mal für den kitschigsten Weihnachtsmarkt reicht.

Im zweiten Teil des Albums besinnt sich die Band dann Gottseidank wieder auf ihre Wurzeln, orchestraler Pop mit eingängigen Synthie-Harmonien. Letting Go" überrascht am Ende mit einem unerwarteten Gitarrenausbruch. Und auch mit „Sleep Rocket" und "Dark And Grey" finden sich zumindest einige Songs, die sich qualitativ mit den ersten beiden Alben von Polarkreis 18 vergleichen lassen. Die Ballade „Elegie" überzeugt durch vornehme Zurückhaltung und begründet auch endlich mal die stets von der Band zitierten Einflüsse von Radiohead.

Fazit: Die typische Platte nach der Hit-Platte: Sie macht es sich nicht leicht. Beziehungsstatus: es ist kompliziert – aber zumindest im zweiten Teil letztlich respektabel gelöst.

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Info:

Polarkreis 18, Frei, Universal

Zum reinhören:

Polarkreis 18 stellen am 17.12.2010 in ihrer Heimatstadt Dresden ihr Album Live vor. Das Konzert läuft unter dem Credo "Frei Zuhause" und wird im Staatsschauspiel Dresden stattfinden. Die eigentliche Live-Tour zum Album beginnt dann aber erst am 26. März.

http://www.polarkreis18.de/p18.php#s1

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