Direkt neben der Bergstation kippt ein Steilhang abrupt nach unten – eine Herausforderung für sportliche Fahrer, die auf der Weltcup-Piste Gran Risa zurück nach La Villa brettern wollen. Linker Hand schlängelt sich eine Waldabfahrt in Richtung Sorega, den Nachbarberg, über den man zum markanten Laguazoi bis in den Olympiaort Cortina d’Ampezzo gelangt, wo Toni Sailer 1956 mit drei Goldmedaillen ganz Österreich in einen Skitaumel versetzte. Die meisten fahren geradeaus nach Corvara, einem der Einstiegstore in die „Sellaronda“, diese einzigartige Pistenrunde um das 3151 m hohe Sellamassiv, die vor allem wegen des grandiosen Bergpanoramas tägliche viele Touristen anlockt.
In Corvara stellt sich erneut die Frage: In welche Richtung? Mit oder gegen den Uhrzeigersinn? Für den Einheimischen Robert Wieser, der Freunde gern auf der Genusstour um den Sellastock begleitet, ist die Antwort klar: „Nur gegen den Uhrzeigersinn.“ Die Abfahrten seien interessanter. Dazu rechnet der leidenschaftliche Skifahrer die Dantercepies nach Wolkenstein, die lange Piste vom Pordoijoch nach Arabba, die Piz Boé zurück nach Corvara. „Die Sellaronda ist aber auch landschaftlich ein Highlight,“ meint er. „Wartet nur ab, bis wir auf dem Ciampinoi sind.“ Dieser Gipfel im Grödnertal, von dem sich alljährlich die besten Skirennfahrer auf der Saslong, einer der spektakulärsten Weltcup-Abfahrten der Alpen, mit 120 km/h hinunterstürzen nach St. Christina, bietet in der Tat einen prächtigen Rundumblick. Direkt gegenüber zeigt sich der kolossale Langkofel von seiner besten Seite. Eine Steigerung schafft später nur noch die Porta Vescovo oberhalb von Arabba, von der man den besten Blick auf die makellos weiße Nordflanke der Marmolada hat, von der sich die "Bellunese", eine der grandiosesten Skiabfahrten der Alpen, zwölf Kilometer hinunterzieht bis nach Malga Ciapela.
Alles ist in Bewegung. Doch mittags gegen zwölf wird es deutlich leerer im Schnee. Italien speist. Robert Wieser, der in Bozen ein Restaurant betreibt, weiß auch jetzt die Richtung: Die „Ütia Punta Trieste“ auf 2028 Meter mit herrlichem Rundblick auf die Dolomitenwelt. In der behaglichen Stube und auf der großen Terrasse kocht das italienische Leben. In riesigen Pfannen werden leckere Pasta-Gerichte serviert. Besonders beliebt: Pasta alla Puttanesca, Pasta auf Nuttenart, ein Nudelgericht, das auf das letzte Jahrhundert zurückgeht, als Italiens Bordelle noch geschlossene Häuser waren, die die Frauen nur einmal in der Woche zum Einkaufen verlassen durften. So kochten sie vor allem Nudeln, die sie fantasiereich mit Thunfisch, Tomaten, Zwiebeln, Knoblauch, Oliven, Kapern, Sardellen, Pinienkernen und anderen Zutaten mischten. Ein Essen, das heute noch ankommt und in der „Punta Trieste“ gerade mal 7,90 € kostet. Gratis dazu schmettert ein Gitarrenspieler traditionelle Lieder aus seiner ladinischen Heimat. Das alles dauert seine Zeit. Rund zwei Stunden später geht für die meisten die Genusstour auf der Piste weiter.
Sellaronda – was heute jeden Tag zwischen tausend und dreitausend Winterurlauber in vier bis sechs Stunden bequem schaffen, war bis Mitte des vorigen Jahrhunderts, als es noch keine Aufstiegshilfen gab, ein mühsames Unterfangen. Als erster Mensch hat, wie die „Bozener Nachrichten“ schreiben, der Meraner Peter Böttl im Jahr 1912 die Sella-Umrundung, was Sellaronda auf ladinisch bedeutet, mit Skiern geschafft. Nach zwei Tagen sei er heil und unversehrt zurück gekehrt. Er hatte viele Einheimische und Gäste auf den Geschmack gebracht. Doch bis die ersten Lifte kamen, dauerte es noch mehr als 40 Jahre.
Eine Seilbahn aus dem Ersten Weltkrieg, zur Truppenversorgung geplant, machte den Anfang. Mit dem Aufschwung des Tourismus rückten dann in den 60-er Jahren die Baumaschinen an. Immer mehr Lifte gingen in Betrieb. „Heute gibt es keine Lücke mehr,“ freut sich Judith Oberhuber von der Südtirol Tourismusinformation. „Die Sellaronda über die vier Dolomitenpässe Gröden, Sella, Pordoi und Campolongo ist mit rund 450000 Personen pro Saison die gefragteste Skitour im Gebiet von Superski Dolomiti.“ Das Superski-Konsortium wurde 1974 gegründet. Ziel war es schon damals, mit nur einem Skipass alle Lifte benutzen zu können. Heute werden vom Konsortium 129 eigenständige Bergbahngesellschaften in zwölf Skiregionen – vom Eisacktal im Norden zur Civetta im Südenn, vom Val die Fiemme im Westen zum Hochpustertal im Osten – gemanagt. „Das ist einmalig,“ meint Judith Oberhuber. „Wer den Dolomiti Superskipass in der Tasche hat, kann ein Pistennetz von 1200 km befahren. Dolomiti Superski ist das größte zusammenhängende Skigebiet der Welt.“
Die Sellaronda ist zwar die bekannteste, aber nicht die einzige gefragte Skitour. Den Rang abzulaufen droht ihr die Gebirgsjägerrunde (Giro della Grande Guerra). „Die Tour um den Col di Lana, der im Ersten Weltkrieg direkt an der Front lag und sowohl von den K+K-Truppen, als auch von den Italienern hart umkämpft war, hat viel Geschichtliches zu bieten,“ weiß Judith Oberhuber. „Aber auch die landschaftliche Vielfalt lässt einen staunen.“ Immer populärer werden auch bei den Italienern Variantenfahrten abseits gepflegter Pisten. Die klassische Variante nennt Stefan Paungger, Leiter der Alpinschule DMH, die Fahrt vom Sellastock durch das Val Mezdi, das Mittagstal. Ein wahres Freeride-Eldorado sei das Gelände auf der Marmolada. Zu einem Geheimtipp habe sich auch die Dolomiten-Skisafari von Skihütte zu Skihütte entwickelt.
Bei so vielen Möglichkeiten sollte man jeden Skitag rechtzeitig planen. Deshalb sind geländekundige Begleiter wie Robert Wieser Gold wert. Oder man mischt sich unter die wettergegärbten älteren Herrschaften, die nachmittags in La Villa im kleinen Café Pizzinini zusammensitzen, um bei Espresso und köstlichem Kuchen, einem Glas Rotwein oder vielleicht auch einem Spritz die Erlebnisse des vergangenen Skitags auszutauschen.
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Information:
Allgemeine Auskünfte: Dolomiti Superski, Str. Cir 8, I-39048 Wolkenstein, Tel: +39 0471 795 397,
Fax: +39 0471 794 282, E-Mail: info@dolomitisuperski.com, www.dolomitisuperski.com
Südtirol Marketing Gesellschaft, Pfarrplatz 11, I-39100 Bozen,
Tel. +39 0471 999 999, Fax +39 0471 999 800, Email: info@suedtirol.inf, www.suedtirol.info
Anreise mit dem Auto (ab München): Auf dem Autobahnring Ost (A 99) beim AB-Kreuz München Süd auf die A 8 bis zum Inntaldreick, dann weiter auf der A 93, der Inntal-Autobahn, an Kufstein und Innsbruck vorbei auf die Brenner-Autobahn bis zur Ausfahrt Brixen. Weiter auf der Nationalstraße E 66 in Richtung Bruneck. Bei Chienes links abbiegen nach Mantana. Dort rechts auf die Strada Stratale Via Badia direkt nach La Villa und weiter nach Corvara
Skipass: Dolomiti Superski: Hochsaison (24.12.2010 bis 08.01.2011, 06.02.2011 bis 19.03.2011) sechs Tage Erwachsene 233 €, Junior 163 €, Senioren 210; nur Alta Badia sechs Tage Erwachsene 214 €
Übernachtung: Hotel Ciasa Lara (vier Sterne), eine Woche im Doppelzimmer inkl. HP ab 735 € pro Person, ”¨Strasse Altin, 9, I-39030 La Villa/Alta Badia, ”¨Tel. +39 0471 84 72 57, Fax +39 0471 84 75 05,”¨info@ciasalara.it, www.ciasalara.it,
Hotel Dolasilla (drei Sterne), eine Woche im Doppelzimmer inkl. HP ab 630 Euro pro Person, Str. Rottonara 30, I-39939 La Villa/Alta Badia, Tel. +39 0471 847006, Fax +39 0471 847349, info@dolasilla.it, www.dolasilla.it/de,
Essen und Trinken: La Stüa de Michil (im Hotel La Perla), edles Gourmet-Restaurant (ein Michelin-Stern), geöffnet von 19 bis 21.30 Uhr, Sonntag geschlossen, Str. Col Alt 105, I-39033 Corvara/Alta Badia,Tel: +39 0471 83 10 00, Fax +39 0471 83 65 68 info@hotel-laperla.it,
Runch-Hof, ”¨39036 Pedratsches,”¨Tel. +39 0471 839 796, preiswertes Lokal, in dem die typische ladinische Küche direkt am Bauernhof in den alten traditionellen Stuben angeboten wird, Menu: 26,00 € pro Person, ganzjährig geöffnet, Sonntag Ruhetag
Pauschalangebot: sieben Übernachtungen im Doppelzimmer im Hotel Grifone (4 Sterne), Hallenbad, Sauna, ruhige Lage auf dem Pass Campolongo, 600 m bis zum nächsten Skilift nach Corvara oder Arabba, beste Ausgangsposition für die Sellaronda; Preis pro Person inklusive Halbpension ab € 616 € (bei Dertour)
Sehenswürdigkeiten: 15 Kilometer entfernt von Corvara liegt in St. Martin in Thurn das Ladinische Landesmuseum "Ciastel de Tor". Das im Jahre 2001 eröffnete Museum informiert unterhaltsam über Geschichte, Sprache, Kultur, Sagenwelt, Archäologie, Geologie, Tourismus und Handwerk Ladiniens
Lektüre: Empfehlenswert ist das „Enrosadira Magazin“; es wird vom Verlag „Antonio Signorini“ herausgegeben, erscheint zwei Mal im Jahr und ist in den Hotels, Informationsbüros und Geschäften gratis zu bekommen