Schwarz-weiß, äußerst ruppig geschnitten, mit einem dröhnenden Soundtrack aus bengalischem Hip Hop. Auch Gandu rappt. Obszöne Texte übers Wixen zum Beispiel, eine seine Lieblingsbeschäftigungen. Wenn er nicht Crack mit seinem Freund Riksha raucht oder dem Liebhaber seiner Mutter während des Beischlafs das Geld aus der Brieftasche klaut. Immer nur ein paar Scheine, damit es nicht auffällt. Dazu kommt es natürlich doch.
Bis dahin zieht Gandu ziellos durch Kalkutta, hängt am Ganges ab und malt seine Tags an die Häuserwände. Einer von Millionen, vielleicht Milliarden auf dieser Erde, die keine Chance und keine Zukunft haben. Natürlich verliert er Tag für Tag im Lotto. Natürlich sorgt sich seine Mutter um ihn. Natürlich kann er nur zuschauen, wenn die schöne Frau im Internetcafé mit ihrem Liebhaber flirtet.
Inhaltlich gesehen ist das harter Stoff, der in Indien nicht durch die Zensur kommen wird. Ästhetisch ist der Film ein atemberaubendes „Außer Atem“ im 21. Jahrhundert, absolut sicher und überzeugend in der Wahl seiner wilden Stilmittel.
Hinzu kommt noch etwas, das „Gandu“ weit heraushebt übers rein Provokative und Experimentelle. Es ist die Art und Weise, wie Q seine Geschichte erzählt. Ihr Herz ist die Nacht unter dem riesigen Banyanbaum. Einer von diesen mit den Luftwurzeln, die so schön exotisch aussehen. Riksha hat Gandu angestiftet, Datura zu probieren, die Droge Shivas. Es folgt eine deliröse Nacht, in der die beiden Jungen Kali begegnen, der Schutzgöttin Kalkuttas. Mit furchterregend aufgerissenen Augen starrt sie in die Kamera, die Zunge weit herausgestreckt.
Doch Kali steht nicht für Tod und Zerstörung. Sie ist auch die Göttin des Übergangs und des Kampfes gegen Ungerechtigkeit. Noch völlig verkatert treffen die beiden Jungen am nächsten Morgen einen alten Mann, der ihnen verkündet, dass gleich der Regisseur Q komme, der einen Film über sie machen werde. Verwundert reiben sich Gandu und Zuschauer die Augen. Von nun an wendet sich alles für den Helden. Deutsche Filmemacher hätten ihn womöglich in seinem Elend zu Grunde gehen lassen. Nicht so Q. Gandu hat endlich richtigen Sex und zwar echt guten und rappt das Haus.
Trotz aller Hoffnungslosigkeit seiner Welt geht Gandu also gut mit seinem Helden um. Die New York Times schrieb fast zärtlich: „Dear Q, you have succeeded“. Der Rezensent muss den Film beim South Asian International Festival in New York gesehen haben, wo er den Preis der Jury und den Publikumspreis bekam. Bei der Berlinale gibt es vielleicht den nächsten.
Originaltitel: Gandu
Deutscher Titel: Wichser
Land/Jahr: Indien 2010
Länge: 85 Minuten
Regie: Kaushik Mukherjee
Buch: Kaushik Mukherjee und Surojit Sen
Kamera: Kaushik Mukherjee
Darsteller: Anubrata, Joyraj, Kamalika, Shilajit, Rii, Sarkar Da, Tina, Susmit, Suparna, Liyaqat Ali, Guddubaba, Soumayajit, Tublu, Arka Das, Kaushik Mukherjee, Abhishek
Produktion: Overdose Producktions, Kalkutta