Ankara, Türkei; Berlin, Deutschland (Weltexpress). Dass Gülen und Erdogan einst Weggefährten waren, ähnlich wie Röhm und Hitler, das ist kein Gemheimnis. Die Attatürk-Türkei, die Türkei der Generäle, das, was wir laizistische Türkei nennen, war ihr gemeinsamer Gegner.
Beide stärkten im Kampf gegen die kemalistische Türkei ihre Macht und Herrschaft in der kleinasiatischen Gesellschaft und im Staat, beide gründete die heutige Regierungspartei AKP an entscheidender Stelle mit. Auf ihrem weitere Weg der Islamisierung der Türkei und anderer Staaten zerstritten sie sich. Spätestens 2010 wurde die Entfremdung sichtbar. 2012 griff Erdogan erstmals mit den Möglichkeiten seiner Herrschaft durch und feuerte Gülenisten aus Spitzenfunktionen, wie boris Kálnoky in der „Welt“ (19.7.2016) schreibt: „Der große Bruch kam Anfang 2013, als Erdogan versuchte, eine Haupteinnahmequelle der Gülenisten abzuwürgen: Die von der Gülen-Bewegung betriebenen Nachhilfeschulen sollten geschlossen werden.“ Anschließend musste Gülen fliehen. Bis heute lebt er in den Vereinigten Staaten von Amerika.
Als 2013 „Staatsanwälte … gegen Erdogan-Verbündete und seine Söhne wegen Korruption“ ermittelte, so Kálnoky. Er informiert darüber, dass „Experten … überwiegend der Meinung“ seien, „dass dies tatsächlich, wie Erdogan behauptete, ein Versuch der Gülenisten war, ihn zu stürzen. Unabhängig davon schienen die Vorwürfe gegen die Erdogan-Clique recht glaubwürdig.
Seither tobt ein regelrechter Krieg, Erdogan hat geschworen, die Gülenisten zu „zerbrechen”. Ob sie auch, wie er behauptet, den jetzigen Putschversuch organisierten, ist zu bezweifeln: Ihr Einfluss innerhalb des Militärs war nie so stark wie innerhalb der Polizei, und angesichts der Repression gegen Gülenisten seit 2014 dürfte er noch gesunken sein.“
Ob das, was Mitte Juli 2016 in Ankara und Istanbul stattfand ein Putsch war, oder eine peinliche Inszenierung, darüber sollen diejenigen streiten, die es nicht besser wissen wollen, doch darüber, dass es anschließend der Gülen-Bewegung an den Kragen ging, daran darf noch nicht einmal bei den Doofen Zweifel bestehen.
Stolz verkündeten die Führer türkische Behörden, dass sie „im vergangenen Jahr etwa 75.200 Menschen wegen angeblicher Terrorverbindungen festgenommen“ hätten. In „Zeit Online“ (1.1.2019) wird darauf hingewiesen, dass das „aus einem vom Innenministerium veröffentlichten Bericht“ hervorgehen. „Rund 52.000 seien wegen Kontakten zu der Bewegung des islamischen Predigers Fethullah Gülen inhaftiert worden. Die türkische Regierung macht Gülen für den Putschversuch von 2016 verantwortlich.“
Der Gefreite aus Braunau am Inn, der den Offizier und Politiker Röhm in sein Kabinett als Minister holte, nachdem er selbst Reichskanzler wurde, ließ seinen einstigen Weggefährten ermorden. Längst waren sie spinnefeind. Mit der Nacht der langen Messer lässt sich Erdogan, der aus der Milli-Görus-Bewegung kam, allerdings Zeit und zieht seine Säuberungen über Wochen, Monate und Jahre. Zwar folgten umgehend Verhaftungen und Entlassungen in Justiz, Militär, Verwaltung und anderen Institutionen und Organisationen in der Türkei, doch halten diese bis heute an. Bis heute wurden über 600 000 Angehörige der Armee unehrenhaft entlassen.
Vielleicht wird noch einer aus entlassen und zwar Gülen aus seinem Exil. Erdogan erwartet von Präsident Donald Trump, dass er sich für die Freilassung des Pastors Andrew Brunson revanchiert und den mittlerweile 77-jähigen Gülen an die Erdogan-Türkei ausliefert. In türkischen Medien würde der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu dahingehend zitiert, dass Trump dies Erdogan versprochen habe, wie Danie Friedrich Sturm in „Welt“ (16.12.2018) schreibt. Trump habe dies Erdogan „während des G-20-Gipfels in Argentinien“ versprochen.
Während Erdogan auf Gülen wartet, bleiben seine Beamten nicht untätig. Der „ORF“ (31.12.2018) teilt mit: „Erst heute Früh hatte die Staatsanwaltschaft Ankara wieder insgesamt 60 Menschen zur Fahndung ausgeschrieben. Der staatlichen Agentur Anadolu zufolge waren bis zum Mittag (Ortszeit) 31 der Gesuchten in Haft. Es handele sich ausnahmslos um aktive Mitglieder der Luftwaffe, darunter mindestens sechs höherrangige Offiziere, heißt es in einem Bericht der Nachrichtenagentur DHA.“