Frauenleiden in Bibberkälte oder Ein Eröffnungsfilm mit zwei Frauen im Eis, Hunden vor Schlitten und Männern mit Geltungssucht – Kritik zum Berlinale-Film Nobody wants the Night

© Berlinale, Leandro Betancor

Der Film erzählte die auf wahren Begebenheiten angelehnte Geschichte der Josephine Peary, der Frau des Polarforschers Robert Peary, welcher 1908 offiziell als erster den Nordpol eroberte. Josephine Peary gespielt von Juliette Binoche folgt Ihrem Mann, zum einen aus Liebe, zum anderen weil auch sie antreibt an dieser historischen ersten Eroberung des Nordpools teilhaben zu wollen. Der Film teilt sich in zwei Erzählstränge und damit zugleich an zwei Protagonisten die den Film maßgeblich mitgestalten. Da ist zuerst  die unter Gefahren und Schwierigkeiten erfolgende Reise zum Basiscamp ihres Mannes. Hier ist es der Forscher Bram (Gabriel Byrne), der der High Society Dame mit den Gefahren und der  Demut der Natur konfrontiert. Doch Josephine Peary, charakterisiert durch ihre Sturheit und dem Gedanken, dass die Natur durch den Menschen bezwingt werden könne,  gelangt an Ihr Ziel; nimmt dafür aber den Tod ihres Gefährten in Kauf. Im zweiten Part ist es die Inuitfrau Allake (Rinko Kikuchi) die den eigentlichen Kern  der Geschichte ausmacht. Und hier ist es die Geschichte  zweier Frauen, die gegensätzlicher nicht sein könnten. Auch Allake konfrontiert sie mit den Anforderungen und der Demut die das Eis an sie stellt. Doch während der Forscher Bram dies auf mahnende und belehrende Weise versucht legt Allaka dabei eine Naivität und Schlichtheit zu Grunde. Hinzu kommt das Allaka die Geliebte Ihres Mannes ist und von ihm ein Kind erwartet. Allein dies bindet die Frauen, gefangen zu zweit in der weite des Nordpools, auf eine dramatische Weise aneinander.  Mit den Gefahren der Natur konfrontiert entwickelt sich zwischen den beiden eine enge Beziehung. Beide sind auf einander angewiesen und als das Leben der einen auf dem Spiel steht, sorgt sich die andere um sie. Und Allaka schafft dabei was dem Forscher Bram nicht gelungen ist. Josephine die Respekt vor der Natur zu lehren.

© Berlinale, Leandro BetancorIsabelle Coixet erzählt hier eine durchaus spannende und bewegende Geschichte. Während der erste Part spannend und auch mit faszinierenden Szenen aufwartet (so die Eingangsszene als Josephine überglücklich ihren ersten Eisbären erlegt), schafft es Coixet nicht dem eigentlichen Kern, die Geschichte der zwei Frauen im Eis richtiges Leben einzuhauchen. Während der Film anfangs mit faszinierenden Bildern der Eislandschaft aufwartet wandelt er sich dann zu einem Kammerspiel. Der Film schreitet voran ohne hier die Beziehung der beiden Frauen interessant zu gestalten. Gerade die Konfrontation dieser beiden unterschiedlichen Frauen, hier die überhebliche upper-class-Frau Josephine, da die einfältige aber doch kluge Inuitfrau Allaka und so auch das aufeinandertreffen zweier Kulturen bietet eigentlich genug Potential, um eine spannende Zweiergeschichte zu erzählen, nutzt die aber nicht. Der Film schleppt sich letztlich von Szenen zu Szene und wartet mit einem nüchternen und eigentlich dramatischen Ende auf, ohne aber auch wirklich etwas daraus zu machen. Lediglich Juliette Binoche und Gabriele Byrne schaffen es dem Film Leben einzuhauchen. Und natürlich die erhabenden Bilder der Eislandschaft.

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Originaltitel: Nadie quiere la noche
Englischer Titel: Nobody wants the night
Land: Spanien, Frankreich, Bulgarien
Jahr: 2014
Regie: Isabelle Coixet
Buch: Miguell Barros
Kamera: Jean Claude Larrieu
Schnitt: Elena Ruiz
Musik: Lucas Vidal
Darsteller: Juliette Binoche (Josephine), Rinko Kikuchi (Allaka), Gabriel Byrne (Bram), Orto Ignatiussen (Ninq), Alberto Jo Lee (Odaq) , Clarence Smith (Henson – Erzähler), Ben Temple (Frand), Matthew Salinger (Spalding), Reed Brody (Lucius), Ciro Miró (Njal)
Dauer: 118 Minuten

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