Fjordlandschaft und Gefahr auf Tatzen – Kanadas wilde Westküste

Nach einer Dreiviertelstunde übernimmt ein ausrangierter Schulbus die Weiterfahrt. Der Guide ist Mitglied des auf der Insel beheimateten Indianerstammes und erzählt stolz von seiner Ausbildung zum Fremdenführer. Das Gelände gleicht einem Urwald, mittendurch ein ungeteerter Pfad. Auf dem Weg zur Aussichtsplattform muss man in einer geschlossenen Gruppe verbleiben. Schließlich könnte ein Grizzly plötzlich neben dem Weg auftauchen.

Der Fluss ist voller Fische. Viele davon tot oder sterbend. Am Ufer stapeln sich übrig gelassene Fleischstücke um die sich Möwen streiten. Plötzlich wagt sich ein Weißwedelhirsch aus dem Dickicht. Gelassen trinkt er das wohl kaum noch wohl schmeckende Wasser. Dann schnellen die Lauscher nach oben. Das Tier wird unruhig und flüchtet mit hoch erhobenem Schwanz, dessen Unterseite weiß leuchtet ins schützende Gebüsch. Gespannte Ruhe in der Gruppe.

Dann der verhaltene Ruf im Flüsterton: „Da kommt einer!“ Zuerst bewegen sich nur die Zweige. Vorsichtig nach allen Seiten witternd betritt ein stattlicher Grizzly die Szene. Er scheint die Gäste zu dulden. Das Maul sinkt ins Wasser um kurz danach mit einem heftig zappelnden Lachs aufzutauchen. Ein, zwei Prankenschläge bereiten dem Zappeln ein Ende. Genüsslich reißt der Bär Stücke aus der Beute. Beinahe unbemerkt hat sich ein zweites Exemplar an die Futterquelle geschlichen. Er stürzt sich mit jugendlicher Verspieltheit ins kühle Nass. Noch etwas ungeübt benötigt er mehrere Versuche bis er Erfolg hat. Gerne würde man länger verweilen, um dieses Schauspiel noch eine Zeitlang zu verfolgen. Doch die nächste Gruppe wartet. Auf der Rückfahrt hält das Schiff in einer Bucht, wo ein großer, gut genährter Schwarzbär Muscheln am Felsufer sucht.

Nur eine Tagesfahrt nördlich der Metropole Vancouver verliert sich die wilde Küstenlandschaft zwischen fast 200 Kilometer langen Fjorden, bis zu 4000 Meter hohen Gipfeln und undurchdringlichen Wäldern – die Küste trägt den überraschenden Namen: Sunshine Coast nicht zu Unrecht, denn das vorgelagerte Vancouver Island fängt viel Feuchtigkeit ab. Wenige, meist originelle Fischerorte finden sich entlang der Felsküste.

Die dünne Besiedelung Kanadas ermöglicht vielerorts auf meist ungefährliche Art eine einzigartige Tierbeobachtung. Aus dem überbevölkerten Deutschland kommend wissen die Besucher dies zu schätzen. Für Kanadier hingegen werden diese Entfernungen oftmals zum Problem. Bereits dann, wenn es um die tägliche Versorgung mit frischen Lebensmitteln geht. Vorgelagerte Inseln werden von Campbell River auf Vancouver Island aus per Wasserflugzeug an die Zivilisation angebunden.

Im fliegenden Lastesel

Unten am Dock wartet die Beaver im Wasser. Schachteln mit Milch, Toilettenpapier, ein Sack voller Briefe und die Bücher fürs kommende Schuljahr sind schon eingeladen. Der Pilot wirft nochmals einen Blick auf die Wetterkarte. Drei Gäste sind heute dabei wenn Mike von der Corilair seinen Postal Run fliegt.  Er versorgt die auf abseits liegenden Inseln lebenden Bewohner mit dem Notwendigsten. Einige haben diese Isolation selbst gewählt, andere verharren aus beruflichen Gründen auf solch einem „Outpost“.

Schon nach kurzem Anlauf hebt die Beaver ab. In weitem Bogen schraubt sie sich gen Himmel. Zehn Minuten später ist das erste Ziel in Sicht. Eine Ehrenrunde über dem Eiland kündigt das Kommen an. Am Bootssteg wartet schon Hilfe beim Festbinden. Hier freut man sich noch über jede Abwechslung, oder über das längst erwartete Bier, das mitgeliefert wird. Die Verweildauer ist kurz, schließlich warten noch mehr auf die Verbindung zur Außenwelt. Eine traumhaft schöne Aussicht bietet sich durchs kleine Fenster. Das Wasser tief unten leuchtet blau und ist glasklar. Man entdeckt mit Seeanemonen bedeckte Felsen, von der Sonne sichtbar gemacht. Nach drei Stunden geht es zurück: Mission erfüllt. Mit vielen neuen Eindrücken steigt man aus.

Donnern im Zauberwald

Etwas ungläubig mustert man die dicken Ganzkörper-Schwimmanzüge. Es ist angenehm warm, die Sonne scheint. „Alles an Bord“, versichert sich Paul, das Zodiak-Boot legt ab. Spätestens jetzt ist man froh über die Verpackung bei dem kalten Fahrtwind. Startpunkt ist die West Coast Wilderness Lodge am Jervis Inlet mit Ziel Princess Louisa Inlet. Genannt nach der vierten Tochter Königin Victorias gehört diese fjordartige Verengung sicher zu den sehenswertesten Teilen der Sunshine Coast. Steile Granitklippen ragen gen Himmel. „Seht, dort sind alte Indianerzeichnungen im Felsen“. Ohne Pauls Hinweis hätte man sie niemals entdeckt. Gut getarnt dienten sie wohl nur Eingeweihten als Hinweis. Während das Boot langsam an der Steilküste entlang gleitet, tauchen in der Nähe Otter auf. Lässig auf dem Rücken schwimmend, die Flossen wie zum Gebet gefaltet, scheinen sie keine Angst vor menschlichen Begegnungen zu haben. Die Zeit drängt, die Wegstrecke beträgt ca.100 Kilometer zurück zur Lodge. Geduckt sitzt man im Windschatten des Führerhauses und genießt die einsame Fjordlandschaft. Noch ist es zu umständlich für Investoren, diese wunderbare Natur mit einem Ferienzentrum zu zerstören. Am Bootssteg ankern nur ein Segelboot und zwei drei Motorboote. Kajaks liegen auf Sandbänken. Ein kurzer Weg über Zedernbretter führt durch Regenwaldvegetation zu den Chatterbox Falls, die von geschmolzenem Gletscherwasser gespeist werden. Während mitgebrachter Kaffee und Kuchen auf dem Bootssteg serviert wird, zieht ein Weißkopfadler am Himmel seine Kreise. Plötzlich sticht er ins Wasser. Nein, dieses Mal war sein Sturz nicht von Erfolg gekrönt. Welch mühsame Art seine Brut aufzuziehen. Aus jeder Astgabel wachsen Farne. Dicke Moospolster überziehen vermodernde Baumstümpfe. Lange Flechten baumeln wie Bärte von den Ästen. Ein Zauberwald indem nur das Donnern des in die Tiefe stürzenden Wassers zu hören ist.

Nicht nur Wasserfälle, sondern unerwartete Strömungen fordern heraus. „Do musst kräftig neilange“. Man glaubt nicht richtig zu hören. In den aufschäumenden Stromschnellen kämpfen Kajakfahrer gegen die Strömung. Ihre „Boote“ ähneln einer Mischung aus Surfbrett und Kajak und sind kurz und wendig. „Er hots gschafft.“ Gerade noch erkennt man, wie jemand nach einer Eskimorolle wieder auftaucht. Die Skookumchuck Narrows sind die zweitgrößten Salzwasser-Stromschnellen der Welt. Sie entstehen durch den starken Gezeitenstrom, der zwischen engen Klippen seinen Weg sucht. Ebbe zieht Wasser ab, bei Flut strömt es zurück. Eine Gruppe bayrischer Kanuten aus Lindau sucht hier ihre Herausforderung im Wildwasser.

Informationen:

Anreise: die Deutsche Lufthansa fliegt täglich ab Frankfurt nonstopp nach Vancouver, Website: www.dlh.de
Reisezeit: Zwischen Ende Mai und Ende September für diese Region; empfehlenswert sind insbesondere die Vor- und die Nachsaison.
Angebote: für Flüge und Mietwagen sowie Unterkünfte z.B. beim Spezialisten CRD International, Website: www.crd.de
Wissenswertes zur Region unter der Internetseite: www.hellobc.com (auf deutsch)
Für den Abschlusstag vor der Rückreise aus Vancouver eignet sich z. B. Granville Island in Vancouver mit viel Lokalkolorit, Website: www.granvilleislandhotel.com

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