Die Stützung der Banken war richtig, meint Wolfgang Schäuble, denn, wenn eine Bank zusammenbricht, kann das eine Kettenreaktion auslösen, weil eine von der anderen Geld geliehen hat und es ganz schlimm ist, wenn das Vertrauen der Banken untereinander verlorengeht.
Nun ja, sie wurden und werden gerettet mit Milliarden über Milliarden, in Irland mit 70 Milliarden Euro, in Spanien mit 60 Milliarden (die nicht reichen) und in Griechenland mit 50 Milliarden. Der Presse zufolge haben »wir« das »den Griechen«, »den Iren« und so weiter gegeben. Aber wer bekommt es in Wahrheit, wer sind die Gläubiger, die ausgezahlt werden müssen?
Schumann fragt Politiker in Brüssel, Dublin, London, Madrid und Berlin. Er hört Ausreden, Floskeln, Halbwahrheiten und Lügen, aber keiner nennt die Gläubiger. Deren Namen werden gehütet wie ein Staatsgeheimnis. Natürlich werden Schumann inoffiziell Dokumente zugespielt, in denen zum Beispiel die Deutsche Bank mit 28 Milliarden als Gläubigerin der irischen Banken steht (vor ihrer »Rettung«). Woraus der einfache Schluß folgt, dass mit der »Rettung« Irlands am nachhaltigsten die Deutsche Bank gerettet wurde, denn sie hätte am meisten verloren, wären die irischen Großbanken pleite gegangen.
Die Delikatesse der Interviews soll hier nicht vorweggenommen werden. Es wird geleugnet, getrickst, gemauert und gelogen. Schumann bekommt keinen einzigen Banker zu Gesicht oder ans Telefon. Die einzigen Politiker, die offen reden, sind der irische Staatssekretär Brian Hayes und der unabhängige irische Abgeordnete Stephen Donnely.
Hayes sagt klar, die Entscheidung der Europäischen Union zur Rettung der irischen Banken wurde dem irischen Volk aufgezwungen. Irlands Souveränität wurde verletzt. Das Geld floß durch Irland hindurch an die Gläubiger.
Donnely: Das war Kanonenbootpolitik. Wir wurden quasi mit vorgehaltener Pistole gezwungen, 70 Milliarden neue Schulden zu machen. Die »Pistole« war die Europäische Zentralbank. Schumann hat eine Liste: von 80 Gläubigern waren 50 deutsche Banken und Versicherungen.
Seit 2006 ist der Lebensstandard in Irland um 25 Prozent gesunken. Jeder Ire muss im Wege des Sozialabbaus monatlich 300 Euro Schulden zurückzahlen. Der Film zeigt eine kleine Initiative aus einem irischen Dorf, die wöchentlich protestiert und mit ihrem Protest bis nach Brüssel zog. Doch Schäuble sagt, »die Iren« seien selbst schuld. Sie haben das Geld mit niedrigen Steuern angelockt. Auch »die Spanier« wären nicht mit Waffengewalt (Wortwahl!) gezwungen worden, deutsche Kredite zu nehmen.
Eine Episode offenbart, wie im Kapitalismus Arbeit vernichtet wird. In Ciudad Real besichtigt Schumann halbfertige Eigenheime für 1300 Bewohner. Die werden nie fertiggestellt werden. Hunderttausende Spanier sind durch »wohlfeile« Wohnungskäufe verschuldet und werden nach und nach gepfändet und exmittiert.
Aufschlußreiche Auskünfte gab in der Pressekonferenz der Abgeordnete Stephen Donnely. Gefragt, ob nach seinem Empfinden die britische Kolonialmacht durch die deutsche abgelöst worden sei, sagt er unumwunden ja. »Im irischen Parlament reden wir darüber, was zu allem, was wir beschließen, Frau Merkel sagen wird. <Wird das Frau Merkel dulden?<« Donnely berichtet von irischen Börsenhändlern. Die können es gar nicht fassen, dass die Bondholder alles angelegte Geld zurückbekommen plus Zinsen. Die kannten das Risiko und waren auf Verluste gefasst.
Fazit. Durch den Bankenrettungsschirm wurden die privaten Risiken auf die Staaten übertragen. Die werden es auf die Steuerzahler abwälzen, auch auf die deutschen. Schumann hält eine Schuldenstreichung früher oder später für unausweichlich.
Der Film führt vor, wo Pressefreiheit und Demokratie enden, wenn die Profiteure der Eurokrise öffentlich bekannt werden könnten. Die Filmemacher nennen es ein Staatsgeheimnis. Verstehe: Der Staat – das sind die Banken und ihre Aktionäre. Ein empfehlenswerter Film, der aufklärt auch in dem, was man dem Rechercheur nicht sagen will. Der Film gehört nicht nur in jedes Wohnzimmer, sondern auch in die Klassenzimmer.
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Staatsgeheimnis Bankenrettung, Dokumentation von Harald Schumann und írpád Bondy, Deutschland 2013, Produktion ARTE/rbb, 52 Minuten, Erstausstrahlung auf ARTE, 26.2.2013, 21.45 Uhr