Winterolympiade in Pyeongchang: Schade, die olympische Legende Ole Einar Bjoerndalen verpasst siebte Teilnahme

Der Bokwang-Snow-Park in Südkorea.
Der Bokwang-Snow-Park in Südkorea. © PyeongChang2018

Berlin, Deutschland; Pyeongchang, Südkorea (Weltexpress). Zwei noch aktive olympische Legenden sind bei den Olympischen Winterspielen in Pyeongchang (Südkorea) vom 9. bis 25. Februar 2018 am Start. Doch die dritte fehlt, weil sich der Norweger Ole Einar Bjoerndalen nicht für das Biathlon-Team seines Landes qualifizieren konnte. Und so wird er die siebte Olympiateilnahme in Folge seit den Wettbewerben 1994 in Lillehammer verpassen.

Ihren siebten Start bei Olympia darf dagegen die Berliner Eisschnellläuferin Claudia Pechstein feiern. Am 22. Februar wird sie 46 Jahre alt und darf auch wegen ihrer sportlichen Bilanz als olympische Legende gelten. Denn mit neun Medaillen (davon 5 x Gold) seit 1992 ist sie nicht nur die erfolgreichste deutsche Winterolympionikin, sondern auch die erfolgreichste Sportlerin überhaupt bei olympischen Eisschnellauf-Wettbewerben. Die Teilnahme an den Spielen 2010 in Vancouver wurde ihr vom Internationalen Eislauf-Verband ISU fälschlicherweise wegen einer Dopingsperre verwehrt. Unabhängige Gutachter bestätigten eine vererbte Blutanomalie – entsprechende Schadenersatzforderungen sind juristisch noch offen.

Japans scheinbar ewig junger Skispringer Noriaki Kasai kann olympisch nicht mit dem Glanz an Medaillen der beiden genannten Legenden mithalten. Da blieb es für ihn bei je einmal Silber und Bronze mit der Mannschaft. Und 2014 in Sotschi mit 41 Jahren – olympischer Rekord für einen Skispringer – nochmals Silber im Einzelspringen. Nun, mit 45, visiert seinen achten Auftritt bei Olympia an und kokettiert scherzhaft mit dem Weitermachen bis 2026, wenn Japan zum dritten Mal Winterspiele ausrichten dürfte…

Einmal im Weltcup unter den besten Sechs oder zwei Mal unter den Top Zwölf war die Qualifikationsvorgabe für die norwegischen Biathleten. Für die beiden Boe-Brüder Johannes und Tarje sowie Emil Hegle Svendsen, allesamt bereits Weltmeister oder Olympiasieger, keine Hürde. Auch nicht für drei andere der starken Norge-Equipe.

Doch Bjoerndalen konnte nach mehr als 20 Jahren in der Weltspitze nun als 43-Jähriger nicht mehr mithalten. Zwei 18. Ränge zu Beginn in Östersund war die besten Platzierungen. So rangierten die Jüngeren auch in der Weltcup-Gesamtwertung (42. Bjoerndalen) vor ihm.

Einmalige Zahlen und Erfolge

In seinen besten Tagen konnte er mit seinem bestechend leichtfüßigen Laufstil in der Loipe sogar mit den Langlauf-Spezialisten konkurrieren. Wenn er nun zwischen den Schießständen körperlich an die Grenze ging, dann musste er regelmäßig bitteren Tribut in Form von Zeiteinbußen oder Strafrunden entrichten.

„König Ole“ blieb ohne Legenden-Bonus. Und als er Mitte Januar in Ruhpolding die letzte Möglichkeit zur internen Qualifikation verpasste, verkündeten Medien reißerisch das „Aus für den Kannibalen“!

„Kannibale“ hatten ihn Boulevard-Gazzetten nach dem Beispiel des scheinbar unersättlich nach Siegen strebenden Radprofis Eddy Merckx in ihren Schlagzeilen bezeichnet.

94 x (1x im Skilanglauf) stand im Biathlon-Weltcup ganz oben auf dem Treppchen. Eine einmalige Quote. Martin Fourcade, der Dominator des aktuellen Jahrzehnts aus Frankreich (u.a. 6x Weltcup-Gesamtsieger, 11x Weltmeister), wird bald 30 und kam bisher auf insgesamt 66 Weltcup-Einzelsiege.

Einmalig sind Bjoerndalens Statistiken bei Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen mit 20 WM-Titeln und 13 (8/4/1) olympischen Plaketten. Damit rangiert er als erfolgreichster Biathlet bei WM-Ereignissen und ist auch die unangefochtene Nr. 1 als erfolgreichster Winter-Olympionike aller Zeiten. Das sind Zahlen und Fakten, die wahrlich kannibalisch anmuten.

In seinem Verhalten ist allerdings überhaupt nichts Kannibalisches zu entdecken. Da ist der Skijäger mit dem Superstar-Status so normal wie die meisten seiner sportlichen Rivalen. Er respektiert die Leistungen der Kontrahenten, steht den Medien auch bei Niederlagen Rede und Antwort und erfüllt Wünsche der Fans nach Autogrammen sowie neuerdings nach Selfies geduldig.

Bjoerndalen der eigenwillige Perfektionist und Tüftler

Zu seinem Privatleben hat er sich nie gern geäußert. Allerdings ist er in Norwegen einfach zu erfolgreich und prominent, um weitgehend unbehelligt vor allem von den Skandalblättchen zu bleiben. Dennoch waren Heirat und Scheidung mit der Südtiroler Biathletin Natalie Santer nur Kurzzeit-Themen. Und die Liason mit der dreifachen Biathlon-Olympiasiegerin 2014 Darja Domratschewa aus Weißrussland kam erst mit deren Eheschließung 2016 größer in die Schlagzeilen. Beide haben eine kleine Tochter Xenia.

Sportlich ist Bjoerndalen schon länger eigene Wege gegangen. Hat nach eigenen Vorstellungen trainiert, sich dann und wann Rat von Schießexperten geholt und des Öfteren auf gemeinsame Trainingslager mit der norwegischen Nationalmannschaft verzichtet. So haftet ihm der Ruf des eigenwilligen Tüftlers und Perfektionisten an.

Seine totale Fokussierung auf maximale Leistung und größten Erfolg wird auch beim Entscheid für den Bau des Eigenheims für sich und damals Natalie Santer deutlich. Bjoerndalen wählte Obertilliach im österreichischen Zipfel von Südtirol. Da hatte er in der Höhenlage optimale Trainingsvoraussetzungen winters wie sommers. Einen Rückzugsort aus dem Blickfeld der norwegischen Gazzetten und zugleich steuerlich günstigere Bedingungen als in Oslo.
Für die Weltcups in Europa schaffte er sich ein luxuriöses Wohnmobil an, um nicht dem ständigen Wechsel in Hotels und Unterkünften ausgesetzt zu sein.

Als er dann in Ruhpolding seine offiziell letzte Qualifikationschance mit einem Rang jenseits der Top 40 verfehlte, verbarg er seine Enttäuschung so, wie es in Norwegen gut ankommt – sachlich und gefasst: „Ich glaube, ich hätte in Form kommen können bis Olympia“, sagte er. „Es ist blöd, dass ich nicht dabei sein kann.“ Zugleich räumte er ein: „Der Tag musste kommen, und jetzt ist er hier.“ Und klar: Norwegen schicke eine sehr starke Mannschaft nach Südkorea.

Tore Övrebö, Sportchef des Nationalen Olympischen Komitees in Norwegen, begründete die Nichtnominierung der nationalen Sport-Ikone kurz und knapp: „Die Ergebnisse, die Ole Einar Björndalen während der laufenden Weltcup-Saison erzielt hat, sind nicht gut genug. Er hat leider nicht die Kriterien der Auswahl erfüllt.“

Statt Weltcup in Antholz die EM in Ridnaun

Dass sein vergeblicher Anlauf zum 7. Olympischen Auftritt Bjoerndalen doch stärker getroffen hat, beweist sein Fernbleiben bei der aktuellen olympischen Generalprobe quasi vor seiner Haustür in Antholz. Stattdessen möchte er in der kommenden Woche bei den Europameisterschaften im nahen Ridnaun (Südtirol) seine Aufwartung machen. Da ist die Gegnerschaft ein bis zwei Klassen schwächer als beim Weltcup und die Medien dürften nur ganz minimal mit Fragen zu seiner sportlichen Zukunft nerven.

Derweil wurden in den Medien Forderungen publiziert, es müsse doch für einen solchen Hero eine Sonder-Starterlaubnis geben. Beispielsweise in der Art, dass Bjoerndalen statt des an sechster Stelle qualifizierten Reserveathleten Lars Helge Birkeland nach Südkorea fahren sollte. Das wäre ein Verfahren, das wohl im Lande kaum akzeptiert würde. Norwegen steht in einem Antikorruptions-Ranking ganz weit vorn. Fair play steht hoch im Kurs und Einheimische bezeichnen sich selbstironisch auch schon mal als die Preußen-Deutschen Skandinaviens wegen ihrer Beachtung von Regeln und Normen.

Wenn nicht die Internationale Biathlon-Union IBU oder das Internationale Olympische Komitee IOC als oberster Organisator eine Sonder-Starterlaubnis in Form etwa einer Wild Card (siehe Tennis oder Leichtathletik) aus dem Ärmel ziehen, das norwegische NOK wird es nicht tun.
So dürften letztlich viele Fans wie der dreifache Biathlon-Olympiasieger von Turin 2006, Michael Greis aus Bayern, empfinden: „Schade. Ich hätte Ole Einar gern bei den Wettbewerben in Pyeongchang noch einmal gesehen.“

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