Erst der Handel, dann der Handschlag. Wie überall auf den Märkten des Orients, wo Angebot und Nachfrage nach längerer Verhandlungsprozedur den Preis bestimmen. So auch auf dem Viehmarkt von Nizwa im nördlichen Oman. Hier warten ahnungsvoll dreinblickende Schafe, Ziegen und Zebu-Rinder darauf, dass mit ihrer Hilfe die während der Woche entstandenen Marktlücken in den heimischen Kochtöpfen unbürokratisch geschlossen werden.
Orientalisch lebhaft und theatralisch geht es dabei zu. Wie auf einer großen Bühne, wenn sich schon am frühen Morgen der Vorhang öffnet für ein Stück, das hier bei gewohnter Inszenierung in bewährten Kulissen stets neu und aufregend zur Aufführung gelangt. Es lebt von der Dramatik der Interessensgegensätze, die sich bei kontrovers geführten Dialogen der handelnden Personen zuweilen sogar in einem kräftigen Theaterdonner entladen. Dabei verfügen die illustren Charakterdarsteller über eine bemerkenswerte Bühnenpräsenz. Doch bei aller Emotionalität gilt zu guter Letzt das Ergebnis des gesprochen Wortes. Wenn endlich Ware und Geld ihren Besitzer wechseln und die Kulissen und Ränge sich nach gelungener Aufführung unter den Strahlen der stärker stechenden Mittagssonne umgehend leeren.
Krummdolche und wallende Gewänder
Nicht so der angrenzende Souq. Mit kühlendem Durchzug in seinen langen Gängen bietet er den Händlern im Halbschatten ihrer fensterlosen kleinen Läden auch bei brütender Mittagshitze ausreichend Schutz. Hier gehen Krummdolche in allen Ausführungen über den Ladentisch. Je nach Qualität und Preislage zeigen sie an, welcher sozialen Schicht sich ihr zukünftiger Träger zugehörig fühlt oder zumindest, was er sich in nicht zu verkennender Eitelkeit selber wert ist. Gleich nebenan sind betagte Flinten im Angebot, von denen einige sicherlich schon zur Zeit des Lawrence von Arabien von Kamel- oder Pferderücken aus zum Einsatz kamen.
Gegenüber finden Körbe und Krüge, Weihrauch und Wundermittel ihre Käufer. Nichts aus dem bunten Kosmos orientalischer Souqs, das es hier nicht irgendwo zu entdecken gäbe. Und stets neu begegnen bei der Suche nach exotischen Gegenständen die kunstfertig geschlungenen Turbane und fezartigen Kopfbedeckungen der Kunden. Ihre wallenden weißen Gewänder verbreiten noch ein zusätzliches orientalisches Flair und verleihen dadurch ihren Trägern eine würdige Ausstrahlung, in der sich zugleich eine stilvolle Gelassenheit widerspiegelt.
Schroffe Zweitausender und blühende Rosenfelder
Folgt man einigen der illustren Gestalten auf ihrem Heimweg, so führt die Straße aus der Ebene der Innenstadt schnell hinauf ins Gebirge. Zunächst noch hügelig und überschaubar, doch dann immer schroffer und steiler, bis die Gebirgskette des Jabal Al Akhdar mit ihren stattlichen Zweitausendern alles Andere in den Schatten stellt. Eine abenteuerlich anmutende Landschaft, die mit ihren stabilen Festungen und Rundtürmen erahnen lässt, warum es hier stets ratsam erschien, an seiner eigenen Wehrhaftigkeit keinen Zweifel aufkommen zu lassen.
Doch dann ein jäher landschaftlicher Wechsel, bei dem sich das Felsgebirge unerwartet von seiner romantischen Seite zeigt. Denn plötzlich erstrecken sich über die Hochebenen blühende Rosenfelder, die in ihrer duftenden Fülle unmittelbar von den Sinnen Besitz ergreifen. Besonders in dem kleinen Gebirgsdorf Sayq, wo Rosenbauer Abdullah Saif Al Saqri soeben einen beträchtlichen Teil seiner diesjährigen Frühlingsernte einfährt. Aufgehäuft zu einem dicken Blütenbett bedeckt die rosige Fülle nun den Fußboden seines Wohnhauses.
Um den intensiven Rosenduft nicht unnütz verströmen zu lassen, ist Eile geboten. Denn die Blütenblätter müssen, wie Abdullah sogleich veranschaulicht, zunächst in kleinen Tonschalen aufbereitet und anschließend zu Rosenwasser und Rosenöl destilliert werden. Bei der intensiven Hitzeausstrahlung des Lehmofens sicherlich eine Schweiß treibende Arbeit. Die jedoch wird Liter für Liter belohnt bei einer Jahresernte von achthundert Flaschen, für die die Kunden aus der Umgebung wegen des Wohlgeruchs und der vermuteten heilenden Wirkung schon lange anstehen.
Talsturz ins Bodenlose
Noch ein kurzer Gruß, und weiter geht es hinauf ins Gebirge, das mit dem Jabal Shams, einem stattlichen Dreitausender, seinen krönenden Abschluss findet. Ihm zu Füßen erstreckt sich ein gigantisches Grand Canyon, das aus dieser Höhe ins Bodenlose hinab zu stürzen scheint. Längst ist die untergehende Sonne nicht mehr in der Lage, in diese Tiefen vorzudringen. Bis schließlich die hintereinander gestaffelten Bergzüge sich nach und nach am Horizont im Abenddunst auflösen und den Blick freigeben auf die ungewohnt hell funkelnden Sterne der Milchstraße.
Doch schon am nächsten Morgen weichen die Brauntöne des Hochgebirges dem üppigen Grün der Palmenoase von Wadi Bani Khalid. Hier staut sich die aus einem schmalen Canyon hervor sprudelnde Gebirgsquelle zu einem kleinen See, dessen klares Wasser die Palmenstämme des Tales umspült. Ein Eldorado für jeden, der hier im kühlenden Nass auf äußerst angenehme Weise der Tageshitze entfliehen möchte.
Rasante Fahrt über die Dünengipfel
Denn sogleich geht es vollends hinein in die Wüste, die sich in südlicher Richtung mit sichelartigen Sanddünen und verstreuten Beduinencamps immer deutlicher ankündigt. Bis sich schließlich die Sandmassen mit mehr als einhundert Metern Höhe wie eine unüberwindbare Steilwand neben der Piste auftürmen. Genau der richtige Zeitpunkt für Mustafa, den Fahrer des Geländefahrzeugs, ausgelassen seine Abenteuerlust zu demonstrieren. Vorsichtshalber hat er bereits den Luftdruck auf allen vier Reifen reduziert und erweist sich sogleich als der ungekrönte König des „Dune Bashings“.
Schwungvoll und mit wehender Sandfahne hinter dem Fahrzeug bezwingt er fast spielerisch die steile Sandbarriere. Droben angelangt, setzt er auf dem mit hügeligen Sandwellen verwehten Dünengipfel in einer gewagten Berg- und Talfahrt seine Dünenrallye fort, bis nach Sonnenuntergang das letzte gelbrote Licht von den Dünenkämmen gewichen ist. Zeit, um Quartier zu beziehen in dem noblen „Desert Nights Camp“ am Fuße des Dünenwalles. Ein Ort, an dem bei sichelförmigem Mond in der sternenklaren Nacht sogar die Stille hörbar wird. Und wo zu später Stunde vielleicht sogar die von den Einheimischen gefürchteten Dschinn-Wüstendämonen geheimnisvoll irrlichternd um die verschlossenen Wohnzelte herumgeistern?
Menschenleere breite Sandstrände
Da stellt sich die Vorfreude auf den Indischen Ozean wie von selbst ein, dessen nördlicher Zipfel bis an die Arabische Halbinsel heran reicht. Menschenleere breite Sandstrände weisen den Weg nach Raz Al Jinz, der östlichsten Landspitze des Oman. Und an dieser exponierten Stelle zugleich der häufigsten Anlaufstelle von Meeresschildkröten im gesamten Indischen Ozean .
Alle drei Jahre kommen sie hierher zurück an den Strand, an dem sie einst selbst das Licht der Welt erblickten. Gerade hat im hellen Schein des Mondes eine der grünen Riesen-Meeresschildkröten ihre golfballähnlichen Eier am Fuße einer Sandböschung im warmen Sand abgelegt. Ungefähr eine Stunde braucht sie nun, um mit ihren wie Schaufeln arbeitenden Füßen das von ihr zuvor ausgehobene Sandnest wieder zu schließen.
Wettlauf winziger Riesenschildkröten
Da plötzlich bewegt sich in geringer Entfernung der Boden, und eine nur wenige Zentimeter große Artgenossin steckt neugierig ihr zierliches Köpfchen aus einer kleinen Öffnung. Sofort folgen ihr weitere, bis schließlich der Sandboden in einer engen Schneise von kleinen Schildkröten nur so wimmelt. Sind es siebzig – oder gar achtzig? Zielstrebig beginnen sie ihren Wettlauf hinüber zum Wasser, das hier in sanften Wellen am flachen Strand ausläuft. Schon nach wenigen Minuten ist das aufregende Ereignis vorüber, und als Beweis bleiben nur die winzigen Fußabdrücke im Sand.
In Muscat, der Hauptstadt des Sultanats Oman, schließt sich der Kreis. In einer unerwartet modernen Stadt, die neben fantastisch gelegenen Hotels und Resorts neuerdings sogar mit einem modernen Opernhaus aufwarten kann. Elegant ausgestattet mit den architektonischen Stilmitteln der Regionen des Landes und dazu – kaum zu glauben – mit einer prächtigen Konzertorgel aus dem Rheinland. Eine überaus harmonische Begegnung zwischen Orient und Okzident und damit der gelungene symbolische Abschluss einer bezaubernden Entdeckungsreise in den Oman.
Reiseinformationen „Oman Nord“:
Anreise
Oman Air bietet die einzigen Nonstop-Flugverbindungen ab Deutschland zum Sultanat Oman. Telefon 069-583007910, www.omanair.com, Flugpreis hin und zurück ab Euro 535.
Einreise
mit 6 Monate gültigem Reisepass; ein Visum wird für Euro 10 (bis 10 Tage, Euro 40 bis 30 Tage) am Flughafen Muscat ausgestellt.
Reisezeit
Angenehm von Oktober bis April; im Sommer sehr hohe Temperaturen.
Reiseveranstalter
FTI bietet eine achttägige Rundreise mit deutschsprachiger Reiseleitung und Flug mit Oman Air ab Euro 1659, Tel. 01805-384500, www.FTI.de
Unterkunft
Muscat: Al Falaj Hotel, www.omanhotels.com/alfalaj oder Sifawa Boutique Hotel, www.sifawyhotel.com; Nizwa: Golden Tulip Nizwa, www.goldentulipnizwa.com; Jebel Shams: Jebel Shams Resort, www.jebelshamsresort.com; Wahibe Sands Wüste: Desert Nights Camp, www.1000nightscamp.com; Sur: Sur Plaza Hotel, www.omanhotels.com/surplaza
Auskunft
Sultanate of Oman, Ministry of Tourism, Karl-Marx-Alleee 91a, 10243 Berlin, Tel. 030-42-088012, Fax. -256286, Website: www.oman.travel; Email: info@oman.travel
Reiseliteratur
Peter Franzisky und Kirstin Kabasci, „Oman“, Reise Know-How Verlag, 7. akt. Aufl. 2011, ISBN 978-3-8317-1965-5, Euro 24,90