Berlin, Deutschland (Weltexpress). Das ist jetzt also der große Skandal, dass CDU, FDP und AfD für einen Antrag gestimmt haben. Und alle sollen das jetzt entweder als Durchbruch oder als Tabubruch sehen und sich am besten die Wochen bis zur Wahl daran abarbeiten. Aber wehe, man sieht genauer hin.

Was für ein Spektakel: Die CDU bringt einen Antrag ein, erhält mit FDP und AfD eine Mehrheit, und schon geht ein großes Spektakel los, von wegen „Brandmauer“ und so – bis hin zu Morddrohungen und einer Räumung der CDU-Zentrale. Die halbe Republik steht mit Schaum vor dem Mund, und die Kommentare in der Presse quellen über mit Warnungen, wie bedroht nun die Demokratie sei, weil die CDU zugelassen habe, dass ihrem Antrag zugestimmt wird.

Und die ganze Nummer ist so verlogen, wie es nur irgend möglich ist. Das fängt damit an, dass am Mittwoch gar nichts beschlossen wurde. Oder vielmehr, das, was da beschlossen wurde, ist politisch so wirkungsvoll wie eine Aufforderung an den Bundespräsidenten, jeden Donnerstag um elf Uhr in der Nase zu bohren. Das ist nämlich nur eine Aufforderung, was die Bundesregierung tun möge. Bindungswirkung null.

Die CDU legt also ein großes Schaulaufen hin, um damit Wählerstimmen zu sammeln, und kann das Ganze am Tag nach der Wahl getrost wieder vergessen. Schließlich ist da ja das EU-Recht, dem sich Friedrich Merz dann mit schmerzverzerrtem Blick beugen kann. Und außerdem ist der Übervater des Vereins, nach dem auch die Parteizentrale benannt ist, Konrad Adenauer, unter anderem für den Satz bekannt: „Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern.“

Ja, genau der Adenauer, der als Bundeskanzler mit dem Grundgesetzartikel 131 dafür sorgte, dass all die alten Nazis wieder in Amt und Würden kamen. Was in der heutigen SPD wohl nicht mehr bekannt wird, da doch tatsächlich SPD-Generalsekretär Matthias Miersch erklärte: „Sie nehmen da in Kauf, mit den Stimmen der AfD, nach 1949 das erste Mal, dass Konservative mit Rechtsextremen paktieren.“

Sehr witzig. Hat die SPD übrigens auch, in der Großen Koalition, die dann die Notstandsgesetze verabschiedete. Eine längere Namensliste werde ich an dieser Stelle nicht einfügen, die ist einfach zu lang.

Allerdings, die Brandmauer-Nummer ist noch hohler. Schließlich gab es da die Abstimmung über die Antisemitismus-Resolution des Bundestags am 7. November letzten Jahres. Da hat auch die AfD zugestimmt, und niemand, rein gar niemand redete da von „Brandmauer“ und „Einheit der Demokraten“. Dabei enthält dieses Ding nicht nur eine Definition von Antisemitismus, die jede Kritik an Israel verbietet, es hat auch echte praktische Auswirkungen, unter anderem auf die Vergabe staatlicher Fördermittel. Universitäten wurden beispielsweise aufgefordert, gegen Proteste mit allen Mitteln vorzugehen. Ein wirklich unangenehmes Stück, und nur die Linke und das BSW lehnten es ab.

Dabei verlautete jetzt aus den Reihen von SPD und Grünen, einen Antrag, dem die AfD womöglich zustimmen könne, dürfe man gar nicht erst stellen, so als anständiger Demokrat. Der 7. November scheint längst aus dem kollektiven Gedächtnis gelöscht.

Dem Publikum im Land jedoch wird eingeredet, mit der Aufforderung vom Mittwoch sei wirklich etwas passiert; schließlich nützt das der CDU, um der AfD ein paar Gutgläubige abzunehmen, und SPD und Grünen, um das eigene Wählerpotenzial zu mobilisieren, das jetzt meint, die Demokratie gegen Nazis verteidigen zu müssen.

Und da sind wir an dem Punkt, an dem kenntlich wird, wer hier wirklich die Demokratie verachtet: all jene, die ein solches Schmierentheater abziehen. Denen es nicht peinlich ist, kurz vor den vorgezogenen Neuwahlen Aktivität zu simulieren, in die eine wie in die andere Richtung, mit der unverkennbaren Absicht, nach den Wahlen alle wirklichen Probleme wieder dort zu lagern, wo sie immer liegen – in der untersten Schublade.

Denn die eine, zentrale Erwartung, die jeder an Politiker haben sollte, und die jeder Politiker erfüllen sollte, Probleme wahrzunehmen und nach Lösungen zu suchen, die wird nicht erfüllt, sondern wieder einmal durch eine Inszenierung ersetzt. Es sind nicht die Sprüche, die der Demokratie schaden, und auch nicht „Hass und Hetze“, wie so gern betont wird, um wieder mal Rentner wegen Facebook-Bildchen zu jagen. Es ist die gelebte Missachtung der Bürger und ihrer Sorgen, die der Demokratie schadet.

Der Ort in Deutschland, an dem die Demokratie am wenigsten respektiert wird, ist: der Bundestag.

Anmerkung:

Vorstehender Beitrag von Dagmar Henn wurde unter dem Titel „Wer hat hier keinen Respekt vor der Demokratie?“ am 30.1.2025 in „RT DE“ erstveröffentlicht. Die Seiten von „RT“ sind über den Tor-Browser zu empfangen.

Siehe auch die Beiträge

im WELTEXPRESS.

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