Dieser Text zeugt von Wahn, von der Courage eines sehr jungen Menschen, der (noch) nichts zu verlieren hat. Und doch alles verlor. Wie seine Hauptfigur Bernardo scheint der 1976 unter ungeklärten Umständen umgekommene, noch nicht einmal zwanzigjährige Felix Francisco Casanova am Leben gelitten zu haben, seiner überdrüssig geworden zu sein. Schon Novalis wusste, dass besonders die ganz Jungen sich zurück nach dem Tode sehen, weil er ihnen so vertraut ist. Dieser schmale Grat schreit aus jeder Zeile des delirierten Tagebuches Casanovas.
Bernardo schlingert auf 150 Seiten von einer Katastrophe in die nächste, seine Selbstmordversuche scheitern, seine Freundin wendet sich ab, seine Träume geraten extremer, Gewalt verherrlichender – und realer. Von seinem Schöpfer der Legende nach in nur vierundvierzig Tagen geschrieben, mutet der Text wie ein uneingelöstes Versprechen an, spielt mit literarischen Verweisen wie eigenen Gedichten, schlurft vom Expressionismus in postmoderne Höhen, die manch andere nie erreichen wird. Ein hätte und ein schade, seufzt der Leser mehrfach und wendet sich wieder der Schönheit dieser Entdeckung zu.
Dem Verlag sei für die deutschsprachige Veröffentlichung dieses ewig jungen Wilden gedankt, der Übersetzerin Petra Polak für die offensichtlich sehr sorgfältige und aufwendige Arbeit am Text, der somit eine eigene Poesie atmen darf.
Lassen wir dem Zauberer das letzte Wort: „Ich bewege mich agil wie ein wildes Fohlen mit regendurchnässter Mähne und mache mich zum großen Fluss auf. Die Kälte dringt in meine Knochen, die wie Kerzen sind. Ich trinke Wasser und in Wasser verwandle ich mich!
* * *
Felix Francisco Casanova, Heute ist mein letzter Tag lebendig (hoffentlich), Aus dem Spanischen von Petra Polak, 104 Seiten, Luftschacht, 2014, ISBN: 978-3-902844-37-8, Preise: 17,40 EUR (D), 17,90 EUR (A) und 23,90 CFR
