Wer liebt sie nicht, die üppigen Blumensträuße des 17. Jahrhunderts, die Blicke auf überbordende Tische mit Obst, Gemüse und/oder toten Tieren, seien es Fische, Hasen oder Geflügel, selbst wenn sich die niedlichen Tierchen bei genauem Hinsehen mehrheitlich als Singvögel erweisen, deren Jagd wir ja heute so verabscheuen. Und natürlich erkennen wir als aufgeklärte und informierte Besucher den behutsam eingearbeiteten mahnenden Hinweis auf die Vergänglichkeit – nicht nur des Dargestellten, sondern auch des Betrachters. Hier die bald verblühenden Blumen, die Tierkadaver, die Totenköpfe, dort die versteckten Details: die kleine tote Fliege oder die neben dem Totenkopf glimmende Lunte nebst Uhr.
So haben die Maler in das scheinbar stillgestellte Leben immer eine Zeitkomponente eingebaut, die es in ihren Werken zu entdecken gilt. Kann sich der Betrachter vorstellen, dass das Mäuslein im Bild gleich über die Nüsse und das Gemüse herfällt und dort hässliche Nagespuren hinterlässt? Dass die Blumen ihre Blütenblätter abwerfen und sich kahle Stängel nur präsentieren? Dass das Obst so lange in der Schale liegt, bis es erst Flecken und dann einen Pelz aus Schimmel anzieht? Wem dazu die Phantasie fehlt, der kann es sich in dieser Ausstellung demonstrieren lassen.
Die Ausstellung „Still bewegt“ setzt in 21 Filmen von 9 Künstlern die traditionelle Gattung gleichsam „in Bewegung“. In den vergangenen 13 Jahren entstanden, erweisen sich diese Videos Witz und Phantasie ebenso wie handwerkliche Präzision. Zu sehen sind Arbeiten von Christoph Brech, Gabriella Gerosa, Ori Gersht, Pia Maria Martin, Stefanie Pollot, Agnieszka Polska, Sam Taylor-Johnson, Wouter Verhoeven und Arnold von Wedemeyer.
Alle Künstler beziehen sich in ihren Filmen letztendlich auf die Stillleben der Alten Meister, also auf die „reinen“ Ursprungsmotive. Entsprechend kontrastiert die Ausstellung durch die Hinzunahme früher Stillleben vor allem des 17. Jahrhunderts, etwa von Gerrit Willemsz. Heda, Frans Snyders, Georg Flegel oder Abraham Mignon – Leihgaben vor allem aus Augsburg und Karlsruhe, aber auch vom Frankfurter Städel und dem historischen Museum. Dabei setzt die Ausstellung die malerische und motivische Innovation dieser großen Stilllebenepoche mit den avantgardistischen Ausdrucksformen des Films in Relation. Die Gemälde sind mit Blick auf die zeitgenössischen Filme ausgewählt. Die Konfrontation erhält nicht zuletzt auch dadurch ihren Reiz, dass es gelungen ist, die gesamte Technik zu verstecken, so dass die mit Bilderrahmen versehenen Flachbildschirme dem flüchtigen Blick oft wie ein etwas verfremdetes, besonders brillant leuchtendes Gemälde erscheinen.
Die Ausstellung läuft vom 13. Oktober 2013 bis zum 23. Februar 2014 und ist allemal einen Umweg wert. Als Besucher sollten sie aber genügend Zeit mitbringen, denn nicht nur die Alten Meister verlangen aufmerksames Schauen, die Videofilme aber erschließen ihren Witz erst, wenn man sich jeweils die ganze Schleife anschaut und dafür benötigt man zwischen vier und dreißig Minuten pro Exponat.