Weder schaurig noch schön – „Wir sind die Nacht“ räsoniert auch das Hörspiel zum Kinofilm aus dem Hörverlag

„Wir sind die Nacht“ also und bevor wir das Hörspiel uns näher betrachten, kurz der Zusammenhang mit dem Film, beide sind am 28. Oktober gestartet. Über den Film heißt es, daß Vampirinnen den Rausch und die Ekstase lieben. „Die Hauptstadt ist ihr Revier, die Nacht ist ihr Schutzschild, das Blut ihrer Opfer ist ihr Lebenselixier.“ Klingt doch stark und wer da glaubt, daß solche Themen wie Vampirismus typische Auswüchse unserer skandalfordernden und sensationslüsternen Zeit sind, der irrt sich erst einmal gewaltig. Dazu gleich.

Denn wenn sich die Produktionsgeschwader Martin Maszkowicz vom Constantin Film-Vorstand und Christian Becker auf die Tradition beriefen, weshalb sie mit 1000 Gästen am 25. Oktober in Berlin die Premiere des Films feierten, – wie man las im alten historischen Stadtbad Oderberger bei Champagner und Wodka bis in die frühen Morgenstunden – wobei die Schauspieler Nina Hoss, Karoline Herfurth, Jennifer Ulrich, Anna Fischer und Max Riemelt natürlich, allerdings ganz unvampirhaft, anwesend waren, Regisseur Dennis Gansel auch, wenn die sich also auf die Tradition beriefen, haben sie mit der Riesenparty Recht mit der Qualität und der Wucht des Vorbildes als Film allerdings nicht.

Es war wirklich der deutsche Film, der mit „Nosferatu“ im Jahr 1922 von Friedrich Wilhelm Murnau als Stummfilm den ersten und bis heute faszinierendsten Vampirfilm brachte – man kann Ausschnitte übrigens derzeit in der Darmstädter Ausstellung auf der Mathildenhöhe „Phänomen Expressionismus“ anschauen. „Nosferatu“ wurde zum Symbol für den Horrorfilm, für das Übersinnliche im Kino und die Möglichkeit das Grauen in Bilder zu packen. Die Musik tat ein Übriges. „Nosferatu“ hat sich übrigens einfach Bram Stokers „Dracula“ zu eigen gemacht, jenes Grafen Orloks Geschichte aus den Karpaten, wo man sich dunkle Verließe, nächtliche Gelage und schräges Roman- und Filmpersonal auch irgendwie besser vorstellen kann als im aufgeräumten Berlin.

Hier spielt nämlich „Wir sind die Nacht“ und wenn wir jetzt endlich zur Geschichte und dem Hörspiel kommen, das im glitzernden, verrucht wirken sollenden Berlin und seiner Nachtseite spielt, hat das damit zu tun, daß wir erst einmal unsere Enttäuschung überwinden mußten, daß so tolle Schauspielerstimmen und teilweise so witzige und freche Dialoge doch nicht mehr erreichen, als ein braves Zuhören und Wundern, was sich da tut. Von daher großes Lob denen, die das Hörspiel in Gang setzten und es tragen, aber doch mehr als leises Bedauern, daß es dem Drehbuchschreiber Jan Berger auf der Grundlage der Vorlage von Regisseur Dennis Gansel „The Dawn“ nicht gelungen ist, eine konzise, atmosphärisch abgründige Geschichte zu erfinden, die das Grauen von gestern in eins von heute transportiert.

Die Geschichte geht so: Lena (Karoline Herfurth) ist 20 Jahre und einer derer, die sich in Berlin mit Straßenraub über Wasser hält. Louise dagegen ist schon 200 Jahre und hält sich durch das ausgesaugte Blut jung, an das sie – das bietet sich an – als Nachtclubbesitzerin gut herankommt. Natürlich ist der Club in den Lena hineinstolpert illegal, denn Blutsaugen und Leichen zurücklassen, ist auch im mondänen und von Russen und Reichen bevölkerten nächtlichen Berlin verboten. Aber die einst männermordende und nun lesbisch gewordene Louise – wodurch unterscheidet sich eigentlich Frauenblut von dem männlichen, ist so eine interessante Frage, der in keinem Vampirfilm auf den Grund gegangen wird, die immer nur von den Gefühlen reden, aber nicht von der Beschaffenheit des Stoffes, dessentwegen sie beißen.

Damit wäre die Ausgangslage klar. Louise penetriert Lena durch den Biß und nun ist sie es, die ihre Opfer sucht und findet. Nur den einen, den sucht sie nicht und findet ihn trotzdem und sie will ihn gar nicht, nicht als Opfer, denn im Polizisten Tom finden sie nun ihren Retter als sie noch Kleindiebstahl beging und er ihr aus der Patsche half. Die Liebe also ist es, die wieder einmal alles kaputt macht, was als pure Lust auf Erden der Lena nun anstünde. Nimmt man die auf exaltiert stimulierten Frauenstimmen im Hörspiel ernst, dann sind sie eine auf Vampirinnen zurechtgeschnittene Version eines Frauenquartetts, das seit dem Erfolg der Fernsehserie „Sex and the City“ eben an diese denken läßt. Ganz eigentlich aber sind verschworene Frauenfreundinnen- und Feindinnen Männern immer schon unheimlich gewesen – manchen Frauen auch – und diese haben eine mindestens genauso weit zurückreichende historische Dimension wie die Vampire überhaupt. Selbst Richard Strauß hat seine schönste Musik einem Frauenterzett im „Rosenkavalier“ gewidmet und an anderer Stelle noch ein Frauenquartett beigefügt.

So haben wir also die beiden Antinomien genannt: die Liebe zu einem Mann und die Verbundenheit mit gleichgesinnten Frauen, die hier in der Geschichte „Wir sind die Nacht“ miteinander um den Sieg und das Weiterleben ringen. Wie es ausgeht, müssen Sie schon selber hören. Wir fanden die Qualität der Aufnahmen hervorragend und das meinen wir nicht im technischen Sinne, sondern im Ausdruck der Sprecherinnen und Sprecher. Nur, was nützt der schöne Schein, wenn das Drumherum so wenig lohnt? Wir hatten uns auch Gedanken über die Käufer, die man mit dem Hörspiel ansprechen will, gemacht. Soll man erst hören, dann sehen. Oder erst in den Film gehen und will man dann das Ganze noch mal hören. Wie auch immer: Wir haben gehört und gesehen.

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Sprecher: Karoline Herfurth, Nina Hoss, Jennifer Ulrich, Anna Fischer, Max Riemelt, u.v.a.

Erzählerin: Simona Pahl

Drehbuch: Jan Berger, Dennis Gansel

Regie: Dennis Gansel

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