Der schlitzohrigen New Yorker Wirtschaftsdetektivin Maxine Tarnow wird von verschiedenen Seiten merkwürdiges Gewispert. Es soll in den allertiefsten Tiefen des weltweiten Netzes neutrale Räume geben, die einerseits Schutz bieten, andererseits aber auch dem internationalen Verbrechen als Schlupfwinkel dienen. Die gute alte YingYangnummer, ja, ihr habt’s erraten. Maxi ist überzeugte New Yorkerin, hat zwei Kinder und einen komischen Mann, der alsbald auftaucht und für Gefühlsverwirrung sorgt.
Wer nun einen Wirtschaftsthriller erwartet, sieht sich vom genialen Altmeister selbstverständlich getäuscht. Das Uhrwerk der amerikanischsten Stadt rattert gnadenlos, neben dem richtigen, gibt es mindestens noch drei falsche Leben, in dem sich die Figuren grandios austoben. Die Verschwörungskomödie mit bitterbösen Elementen zieht uns in einen Sog voll ironischer Ungeheuer und absurder Szenarien. Es ist ein Buch über Amerika in den jungfräulichen Tagen des Internets, über abstruse Nerds, die große Startupblase Ende der 90er. Es ist voll blühendem Sprachwitz, eine Million Anspielungen auf die amerikanische Geschichte, die Popkultur. Man versteht sicher beim ersten Lesen nicht alles, doch wenn man sich einsaugen lässt von des Meisters Zaubermelodie, ist das Lesevergnügen nicht zu toppen. Komplex, undurchschaubar, witzig, tiefgründig, finster – einfach große Fabulierkunst.
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Thomas Pynchon, Bleeding Edge, Rowohlt Verlag, Reinbek 2014, 608 Seiten, ISBN: 978-3-498-05315-4, Preis: 29,95 Euro (D)