Von Lexika und anderen Irrtümern – Serie: Zum Jahresübergang die alten und neuen Bücher aus vielen Bereichen (Teil 19/20)

Nein, so doll kommt’s nicht, aber der Autor fängt genau bei den unausrottbaren Lebensweisheiten an, die jeder kennt und kaum einer, woher er sie kennt und die da heißen“ Pilze darf man nicht aufwärmen”¦und Spinat auch nicht. Ein tolles Menü am Abend macht dick. Und Muscheln soll man nur in Monaten mit „R“ essen. Undundund. Wie es sich gehört, ist das Lexikon nach dem ABC sortiert. A beginnt mit „Alkohol verdampft beim Kochen“ (nur ganz wenig!) und bei K wird „Kaffee ist ein Flüssigkeitsräuber“ widerlegt. Das kennen wir auch als Ammenmärchen, daß man jede Tasse Kaffee mit mindestens einem Glas Wasser „neutralisieren“ sollte, besser zwei Gläsern.

Denn der Kaffee entziehe dem Körper Wasser, weshalb die Wasserzufuhr diese schädliche Wirkung des Kaffees ausgleiche. Pustekuchen. Alles falsch, sagt nun unser Autor und zitiert die Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE), daß „die Mär vom Flüssigkeitsräuber auf einem Fehlschluß beruht“”¦und Kaffee „als wichtigen Teil der täglichen Gesamt-Wasserzufuhr“ vorzusehen ist. Ach und der Spinat. Den darf man aufwärmen, Pilze auch. Bei beiden geht es nur darum, daß das gesamte Gericht gut heiß gemacht wurde. Na und die Muscheln. Wenn sie die mögen vom 1.1. bis 31.12. des Jahres verzehrbar.

Michael Breckwoldt hat sich dasselbe in „Kleines Lexikon der Gartenirrtümer“ vorgenommen, nämlich Aufklärung und ebenfalls bei Eichborn erschienen. Was fällt uns dazu ein? Am ehesten noch, daß man Bäume nur bis zu einem gewissen Datum im Winter schneiden darf. Aha, lesen wir, die Gärtner haben vor Jahren den Februar als den besten Schneidemonat bestimmt. Weil dann nämlich wenig sonst zu tun ist und die Kälte die Keime, die sich auf den frischen Schnittflächen versammeln, abtötet. Und jetzt ist alles anders. Man soll sie dann schneiden, wenn sie in Saft und Kraft stehen, bevorzugt in den Monaten April bis Juni! Nur dort, wo Vögel nisten, sollte man auf den Spätsommer ausweichen. Aber im Winter: nie!

Wie wir von den Irrtümern auf Markus Bennemann kommen? Da gibt es nur einen Grund, der in der Unterüberschrift seines Buches „Im Fadenkreuz des Schützenfischs“ liegt. Die lautet nämlich: „Die raffiniertesten Morde im Tierreich“. Und das wollten wir immer schon einmal wissen, seit aus unserem entzückenden kleinen Kater blitzschnell der sadistische Mörder einer Maus wurde. Und dann sagen die Leute auch noch, das ist ihre Natur. Und genau dies macht erst mal Autor Bennemann, indem er mit unseren Moralbegriffen von Verbrechen, von Täter-Opferkonstellationen spricht, diese Mordgelüste und mörderischen Taten dann aber in den Begründungszusammenhang der Evolution stellt.

„Mörderbanden, Serienmörder, Psychokiller, Scharfschützen, Hightechwaffen, Moderwerkzeuge“, so lauten Überschriften, während in den Kapiteln differenziert wird, beispielsweise unter „Hausfriedensbruch“ vorkommen: „Täter: Tarantelwespe/Opfer: Tarantel/Tatort: USA“ oder „Täter: Steinadler/Opfer: Schildkröte/Tatort: Griechenland. Das ist richtig gut gemacht, weil das Interesse an den Untaten nicht nachläßt. Der titelgebende Schützenfisch, der eineinhalb Meter hoch aus dem Wasser schnellen kann, ist im Bild zu sehen, andere auch, und da auf einmal wünscht man sich noch mehr Bilder. Was nur daran liegt, daß man den Text las und nun auf die Tiere visuell scharf ist.

Gut, gut, das Scharfsein hatten wir nur formuliert, weil dieser Markus Bennemann als rechter Tierexperte uns auch „Die Evolution im Liebesrausch“ vorführt, nämlich „Das bizarre Paarungsverhalten der Tiere“, beide Bücher im Eichborn Verlag. Auch hier sind dem Autor anregende Kapitelüberschriften eingefallen wie „Liebeslieder“, „Ewige Jungfrau“, „Transvestiten“, „Heiratsschwindler“ oder „Samenräuber“. Ersteres bezieht sich auf das rührende Lied der Nachtigall, die ja schon den Kaiser von China verzauberte, ein Märchen von Hans Christian Anderson, das noch rührender ist.

Wir haben uns beim Durchstöbern des Buches – denn man muß mal vorne, mal hinten lesen, je nachdem, für welches Tier man das geschlechtliche Verhalten gerade wissen will – dann auch gedacht, wieviel mehr an Wissen wir in unserem Kopf aus anderen Gebieten gespeichert haben, die als „Bildung“ bezeichnet werden. In Deutschland sind die Kenntnis der Natur und auch das Wissen um die Tierwelt unterentwickelt. Vielleicht sollte man bei den Fernsehunterhaltungs-Millionärsfragen diese Thematik unterbringen, statt Popstars abzufragen. Markus Bennemann muß man wirklich ein großes Lob aussprechen, daß er Fachwissen in einem solch ansprechenden Ton vermittelt, wobei nie der Eindruck von belangloser Plauderei entsteht und auch nie der, daß hier Wissenschaft versimpelt würde.

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Ludger Fischer, Kleines Lexikon der Küchenirrtümer, Eichborn Verlag 2009

Michael Breckwoldt, Kleines Lexikon der Gartenirrtümer, Eichborn Verlag 2010

Markus Bennemann, Im Fadenkreuz des Schützenfischs. Die raffiniertesten Morde im Tierreich, Eichborn Verlag 2008

Markus Bennemann, Die Evolution im Liebesrausch. Das bizarre Paarungsverhalten der Tiere, Eichborn Verlag 2010

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