Die Glaubenskrieger aus Böhmen trieben dem Geistlichen einen Nagel in den Kopf. Anderen Mönchen wurden Arme und Beine abgeschlagen. Weil sie sich weigerten, sich von der katholischen Kirche loszusagen. Auch lange nach der Reformation existierte noch das Kloster. Es konnte sich nicht zuletzt deshalb behaupten, weil sich der Landstrich gewissermaßen im Privatbesitz des österreichischen Herrscher-Hauses Habsburg befand. Wegen dieser ungewöhnlichen Eigentumsverhältnisse verfügt Brandenburg mit Neuzelle südlich von Frankfurt (Oder) auch über eine barocke Klosteranlage.
Was den Hussiten in Neuzelle gelang, schafften sie im Zisterzienser-Kloster Chorin nicht. Nämlich das Kloster zu plündern. Sie fanden die Abtei unweit des heutigen Eberswalde nicht und zogen unverrichteter Dinge wieder ab. Bis heute ist man in Chorin und Umgebung der festen Überzeugung, dass sich unter der malerischen Ruine Mengen von Gold und Silber befinden. Mönche hätten den Schatz in unterirdischen Gewölben versteckt, sie als das Land zwischen Elbe und Oder verlassen mussten. Seit dieser Zeit bewachen strenge Wächter – die Unterirdischen – den Klosterschatz. Viele Normal-Sterbliche haben versucht, den Eingang zu den geheimnisvollen Kellern zu finden, doch keinem ist dass wirklich gelungen. Nur der legendäre Böttcher von Chorin hat davon profitiert.
Was Berlin betrifft, so können Sagenfreunde durchaus nachts dem „hinkende Mönch“ begegnen. Mitten in der Bundeshauptstadt – an der Ruine der Franziskaner-Kirche in der Klosterstraße. Gar nicht weit vom Alexanderplatz entfernt. Der Mönche kann auch lange nach seinem Tod keine Ruhe finden. Er hat den Tod seines Sohnes zu verantworten und muss deshalb herumgeistern.
So ein Bösewicht in Kutte macht auch Klein-Nemerow südlich von Neubrandenburg unsicher. Dort irrt ebenfalls in der einstigen Niederlassung der Ordensritter ein Untoter herum. Der Mönch hatte ein Mädchen geschwängert, die Vaterschaft aber strikt abgestritten. Die junge Mutter konnte die Schmach nicht ertragen und musste samt ihres Kindes sterben. Der schändliche Mönch – wie er genannt wird – verlor seiner Missetaten wegen den Verstand und nahm sich im Tollense-See das Leben.
Anders die “schöne Nonne“ im einstigen Kloster Lindow bei Rheinsberg. Sie wurde von den Eltern zum Eintritt in den Zisterzienser-Orden gezwungen. Doch ihre Liebe zu einem jungen Mann war größer als die zu Gott. So gelang ihr die Flucht über die Klostermauer.
In Wismar lernt man den Heiligen Ludolf kennen. Aus seiner Heimat vom Landesherrn vertrieben, fand er im Benediktiner-Kloster Aufnahme. Nach seinem Tod ereigneten sich in seiner unmittelbaren Nachbarschaft Wunder an Wunder. In Rehna, dem Ort an der Straße zwischen Schwerin und Lübeck, geht der Autor der Frage nach dem Klostergründer nach. War dieser Bruder Ernestus ein frommer Mönch oder ein reumütiger Straßenräuber? Und weil ja bekanntlich Fressen und Saufen vor der Moral kommen, erhält der legendäre Kräuterschnaps „Zinnaer Klosterbruder“ den ihm gebührenden Platz.
Alles in allem ist ein Reiseführer der besonderen Art entstanden. Eine Sammlung von Geschichten über Geschichte. Durchweg begegnet dem Leser Geschichte zum Anfassen. Die Klostersagen sind gewissermaßen ein Oma-Opa-Enkel-Buch. Ein handliches Buch zum Selbst-Lesen oder zum Nacherzählen.
Für alle, die mittelalterliche Geschichte nicht todernst nehmen. Und die Freude daran haben, Bekanntes und Unbekanntes zwischen Kap Arkona und der Niederlausitzer Heide neu- oder wiederzuentdecken.
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Lars Franke, Auf den Spuren alter Klostersagen, von der Niederlausitz über Berlin bis Rügen, Steffen Verlag, Berlin 2014, 144 Seiten, 12,95 Euro (D), ISBN 978-3-942477-59-8