Auf die Frage, ob der Mann zum Tragen edlen Geschmeides geeignet ist, fällt eine definitive Antwort oft nicht einfach. Dies liegt unter anderem an der enormen Bandbreite, die sich hinter dem Sammelbegriff „Schmuck“ verbirgt. Dem einen fallen dabei kostbare Preziosen ein: elegante Krawattennadeln, dezente Siegel- oder Herrenringe, Manschettenknöpfe mit funkelnden Diamanten oder kleine Fabergé-Knöpfe aus guillochiertem Emaille für die Hemdbrust. Ein anderer wieder assoziiert mit Herrenschmuck die Insignien des Ur-Machos: Goldkette mit oder ohne Kreuz, Panzerarmband und möglichst dicker Goldring.
Woher kommen die unterschiedlichen Zuschreibungen an diese Herren-Accessoires?
Zunächst sollte festgehalten werden, dass das Bedürfnis, sich zu schmücken uralt und instinktiv in allen menschlichen Kulturen besteht. Kommt das Distinktionsbewusstsein hinzu, versucht man(n) sich natürlich voneinander abzuheben. Die eigene vermeintliche Stellung in der Gesellschaft lässt sich anhand von kostbaren Artefakten besonders gut darstellen, Kunst, ein prächtiges Anwesen, aber auch Schmuck sind seit jeher Repräsentationsgüter erster Wahl. Der Träger eines Siegelrings demonstriert deutlich die Zugehörigkeit zu einer Familientradition und der Träger eines Diamanten in der Krawatte verweist mit seinem Schmuck eventuell auf die eigenen finanziellen Möglichkeiten. Wenn in gewissen Kreisen, der Repräsentationsgedanke vielleicht eher einem Individualisierungswunsch und einer Leidenschaft gewichen sein mag, so ist die Goldkette des Arbeiters oder das silberne Panzerarmband dennoch dem gleichen Motiv entsprungen: Der Repräsentation von Möglichkeiten.
Sie werden mir vorwerfen, dieser Themenkomplex sei nun schon durchaus etwas veraltet. Doch dies sehe ich gerade im Gegenteil. Hielt man vor wenigen Jahren beim Hemdenkauf nach Umschlagmanschetten Ausschau, so war die Auswahl eher eingeschränkt und der Gang zum Maßschneider fast unumgänglich. In letzter Zeit ist dieser Trend allerdings gegenläufig. Manschettenknöpfe sind absolut en vogue und die Hersteller von Juwelen und Accessoires haben den männlichen Markt entdeckt. Hier ist ein enormes Potential zu heben, wie das Beispiel „Thomas Sabo“ zeigt. Der Hersteller von modischem Schmuck hat ein unglaublich erfolgreiches Ergebnis zu verzeichnen. Das Erfolgsrezept: der Nimbus der „Echtheit“ von massivem Silber, hier wird Wertigkeit dargestellt, verbunden mit gefälligen modischen Entwürfen. Mit dem Testimonial David Garrett einem Nachwuchs-Star am Geigenhimmel im Punkrock Outfit haben die Marketiers des Hauses Sabo den Herrenmarkt im Blick und das Konzept scheint zu aufzugehen. Hier wird strotzende erfolgreiche Männlichkeit mit dekorativem Schmuck konnotiert. Die Firma Victor Mayer stellte in Pforzheim wieder sehr erfolgreich Schmuck unter dem Label „Fabergé“ her – darunter eine große Bandbreite von Manschettenknöpfen mit oder ohne Brillant. Ebenso groß ist der Markt für Luxusuhren, schlagen Sie nur einmal eine der großen Magazine wie Spiegel, Focus oder Manager Magazin auf – die Anzeigenwerbung kann man kaum übersehen.
Ergo: Mann schmückt sich wieder. Wieder? – Ja, wieder. Wir haben es hier mit einer erstaunlichen historischen Lücke zu tun. Denn betrachten wir Bilder des Mittelalters mit Darstellungen von Fürsten, Kaufleuten oder Geistlichen, so fallen einem, sofern man mit offenem Auge durch die Museen geht, prächtige Ringe und Amulette, Fibeln und Spangen auf, die einerseits eine pragmatische Funktion haben, aber mit denen vor allem der eigene Wohlstand demonstriert werden sollte.
Das Tragen von kostbarem Schmuck hat entschieden machtsymbolische Tradition
Betrachten wir uns zum Beispiel verschiedene Portraits von Johann Friedrich I. dem Großmütigen, Kurfürst von Sachsen (1503-1554). Derselbige wurde unter anderem von Lucas Cranach mehrfach im Bild festgehalten: immer mit prächtigem Schmuck, wie großen Ketten, edelsteinbesetzten Anhängern und pelzverbrämtem Kragen. Das grüne Gewölbe in Dresden, seit 2006 wieder in alter Pracht zu besichtigen, zeigt mit welcher Fülle von Preziosen die Herrscher der Renaissance und des Barock sich zu schmücken wussten. Da gibt es gleich mehrere Garnituren von Knöpfen, Hosenschnallen, Schuhspangen, Degengriffen, Agraffen Orden und Ringen aus kostbarstem Material: Diamanten, schwere Rubine, Smaragde, Saphire, es konnte nicht genug funkeln und glitzern. Unter der unüberschaubaren Vielzahl von Preziosen sticht besonders der „grüne Dresdner“ hervor: die in die Brillantgarnitur gehörige Hutagraffe. 1769 verarbeitete Franz Michael Diespach für dieses Schmuckstück den größten grünen Diamanten der Welt bis heute (41 ct), weitere 413 mittelgroße bis kleine Brillanten strahlen in der goldenen Fassung. Der Faszination dieses Schmuckstücks kann man sich bis heute kaum entziehen.
Im 18. und 19. Jahrhundert wurden die männlichen Preziosen wieder kleiner, aber sie verschwanden natürlich nicht. Das Zeitalter der Aufklärung war ein Zeitalter des Fortschritts, Taschenuhren kamen in Mode und wurden an reichen Goldketten mit Quasten an der Westentasche befestigt. Auch hier gibt es, analog zu reich verzierten Tabatieren, aufwändige Stücke mit Saatperlen, Rubinen, Diamanten und Guillochierung verzierte Wunderwerke. Aus den Galaknöpfen der Hofuniformen entwickelten sich die Hemdknöpfe der Piqueehemden, die im 19. Jahrhundert zum Frack getragen wurden. Auch hierfür wurden wunderbare Kreationen komponiert, mit denen der wohlhabende Aristokrat und Kaufmann des 19. Jahrhunderts seine Brust schmücken konnte. Immer größer wurde in jener Zeit auch die repräsentative Bedeutung von Manschettenknopf und Krawattennadel, die den modischen Änderungen des 19. Jh. Rechnung trugen. Nicht nur in Europa, auch in anderen Ländern und Kulturen war es durchaus üblich, reichen Schmuck als Mann zu tragen.
„Maharaja“ die Münchener Ausstellung besticht durch kostbare Artefakte
Die Ausstellung »Maharaja: Pracht der indischen Fürstenhöfe« aktuell noch bis zum 24. Mai 2010 in der Kunsthalle der Hypo-Kulturstiftung, München, ist stolz darauf, als Partner des Victoria and Albert Museums eine Schau zu zeigen, die einen umfassenden Blick auf die Welt der Maharajas und ihre einzigartig reiche Kultur wirft. Die Ausstellung zeigt mehr als 250 herausragende Objekte. Darunter mit Edelsteinen besetzte Waffen, indischer Turbanschmuck und Schmuck, der bei Cartier und Van Cleef & Arpels im 20. Jahrhundert in Auftrag gegeben wurde. Herrliche Edelstein besetzte Oberarmbänder und Turbanbroschen, sogenannte „Aigrettes“, ziehen die Blicke auf sich und wirken alles andere als unmännlich. Es scheint wohl eine Frage der Würde zu sein, ob der Schmuck zum Putz wird, oder nicht. Ein Objekt, das zum ersten Mal in Europa zu sehen ist, ist das Kollier von Patiala, Teil des größten Einzelauftrags, den Cartier jemals ausführte. Das Kollier wurde 1928 fertig gestellt und im Jahr 2002 restauriert; es fasste ursprünglich 2.930 Diamanten und kam auf fast 1000 Karat.
Die Symbole des Maharaja-Standes sind unter anderem ein »Gaddi« (Thron) aus Udaipur, aufwendig gearbeiteter Turbanschmuck, Zeremonienschwerter wie auch ein goldener, mit Diamanten besetzter »Ankus« (Treibstock für Elefanten). Der gleichnamige prächtige Katalog |„Maharaja“, der im Hirmer Verlag als festgebundener Band erschienen ist, illustriert mit reichen Begleittexten den Glanz der Ausstellung.
Eine Zäsur in der Verwendung edler Accessoires wird in Deutschland mit dem Ende der Monarchie und den Weltkriegen gesetzt
In Deutschland endete die funkelnde Mannespracht etwa mit dem ersten Weltkrieg, dem Ende der Monarchie, der beginnenden Moderne und spätestens seit der Machtergreifung Hitlers trat hier ein Paradigmenwechsel ein: Männer hatten Väter, Kämpfer, Helden zu sein, nicht aber virtuose Dandys oder effiminierte Aristokraten.
Dass die 68er nicht die richtige Generation war, um hochwertige Schmuckstücke wieder in den Alltag einzuführen, scheint klar zu sein. Aber spätestens seit unser ehemaliger Außenminister Joschka Fischer sich einen noblen Siegelring hat anfertigen lassen, samt Familienwappen versteht sich, wissen wir, dass Werte immer im Wandel sind. Somit blicken wir – und hier spreche ich gerne im Plural – nach vorn in eine facettenreichere Zukunft der männlichen Eitelkeit.
"Ohne Krawattennadel und Manschettenknöpfe fühle ich mich nackt." (Karl Lagerfeld).