Heute aber ging es um die Politik, die Gesellschaft und die Liebe. Die Liebe hatte wie so oft Wolf Biermann übernehmen müssen, was ihm nicht schwerfiel. „Dein freches Lächeln küsse ich so gerne“ versammelt des großen politischen Liederdichter Wolf Biermanns schönste Liebesgedichte. Allerdings hat er die nicht selbst ausgesucht aus seinem viel größeren Garten der Liebesgedichte. Andreas Öhler war so frei, sich im Biermannschen Oeuvre über die Jahrzehnte umzutun und zu entscheiden: die sehr guten ins Töpfchen, sprich zwischen die Buchdeckel, die eigentlich genauso guten ins Kröpfchen. So wenigstens sieht das der Dichter Biermann, der alle seine Kinder und Gedichte gleich lieb hat. Außerdem überführte er den Verleger und führte ihn zur Wahrheit.
Günter Berg hatte nämlich angekündigt: „Wir haben Wolf Biermann gebeten, die schönsten Liebesgedichte herauszusuchen.“ Darauf der Dichter: „Nein ”¦das ist nur halb wahr. Ich wollte mich nicht einmischen in meine eigenen Angelegenheiten. Das geht mir zu nah. Der Öhler hat das alleine gemacht. Ich bin ja nur der kleine Drachentöter mit dem kleinen Holzschwert mit sechs Saiten, der die politischen Streitgedichte”¦aber eigentlich sind alles Liebesgedichte. Wer nicht ruht in der Liebe eines Menschen, sondern nur ein Dummfick ist, hatte im Streit mit den Bonzen dieser Diktatur keine Chancen.“ Und fügte seiner Analyse so schöne Satzanfänge hinzu, wie: „Wenn ich mich nicht fest in der Liebe, in der Unendlichkeit der Liebe, in einer Frau”¦“. Er sprach auch von Brecht, der die Liebe eine Produktivkraft nannte: „Wenn man das richtig mißversteht, hat er vollkommen recht. Diese Gedichte könnten auch ganz anders.“
„Im Grund ist dies Buch aber eine Verlegenheit“, führte er weiter aus. „Ich sollte eigentlich hier sitzen und Ihnen ein großes Buch vor die Nase halten: ’Mein Leben in der DDR`, wo sich das Private und Politische überkreuzten, noch mehr als bei anderen. Dies alte Problem kommt aber auch in den Gedichten vor, solange ich die Prosa noch nicht liefern kann“, resümierte Biermann, der dann noch eins drauf setzte. Ihm fehlte nämlich ein Gedicht in der Auswahl: „Biermanns Ode auf den alten Adam“. Das hatte er ausgedruckt mitgebracht, und klebte es jedem in seinen Gedichtband hinein, „damit Sie auf dem Stand meiner Dummheit sind“. Das war ein schöner Zug, allerdings fehlte uns der Gedichtband.
Wie weit die Spannweite des Programms geht, machte sogleich die Vorstellung von „Unterm Strich“ durch Verfasser Peer Steinbrück deutlich. Das Buch des Ex-Finanzministers ist erst vor drei Wochen erschienen, hat aber schon bisher eine ungewöhnlich große Resonanz erhalten, was sich in den vielen Rezensionen und den Einladungen zur Buchpräsentation ausdrückt. Steinbrück hat laut Berg sich das Buch „aus dem Inneren herausgepreßt, alles selber geschrieben, die Wirtschaftskrise ist nur ein Thema“, es geht um die Veränderungen der gesellschaftlichen Verhältnisse in diesem Land, der „Sozialstaat“ hält die Dinge zusammen, nicht geliebt, aber wesentlich. Steinbrück selbst sagt dann so schnörkellos seine ökonomischen und daraus resultierenden gesellschaftlichen Wahrheiten und hatte abschließend die Lacher auf seiner Seite mit der Bemerkung: „Das Buch von mir enthält:
Eine gute Grundlage ist die beste Voraussetzung für eine gesunde Basis.“ Das allerdings kennen wir anders und ebenso hinterfotzig: Die Basis ist die Grundlage des Fundaments!
Peer Steinbrück legt Wert darauf, daß er falsch verstanden würde, würde es ihm und dem Buch nur un die Interpretation der Krise gehen, die vor zwei Jahren ihren Höhepunkt erreichte, als er Finanzminister in der Großen Koalition war und der unausgesprochene Zampano der Bundesregierung. Das sind unsere Worte. Sein Buch ist mehr als Krise und Krisenmanagement. Ausgangspunkt ist die Frage, ob nicht eine Reihe von Gewißheiten sich verflüchtigen werden und müssen, z.B. daß unser Wohlstandsniveau in Stein gemeißelt sei, daß Europa und USA noch der Mittelpunkt der Welt seien und Asien unter ferner liefen”¦
Bildungsnähe und Bildungsferne der Nachwachsenden brächten die Entscheidungen über Partizipation und sind auch maßgeblich für den gesellschaftlichen Fortschritt, völlig unabhängig vom religiösen Hintergrund.
Ob es Thilo Sarrazin geschuldet war, auf jeden Fall ging Steinbrück bei der Vorstellung seines Buches auch auf einen weiteren demographischer Druck ein, der sich schon aus folgenden Zahlen ablesen lasse: 1957, nach der absolute Mehrheit der CDU in den Bundestagswahlen, war das Verhältnis 9:1, „ also neun haben malocht, einer hatte seine Rente. Heute lauten die Zahlen 3:1 und werden bald 2,5: 1 betragen“, weshalb Steinbrück die Frage stellt: „Was passiert, wenn Gegenwartsinteressierte denen gegenüber, die Zukunftserwartungen haben, so viel mehr sind.“ Ein weiteres Thema ist die Art und Weise, wie Politik inszeniert wird. Denn längst wird diese nicht mehr nur durch Politiker gemacht. Es handelt sich um ein Feld, in dem Medien über Politik und Medien nicht mehr nur berichten, sondern diese machen. Steinbrück gab ein deutliches Plädoyer für Europa ab. „Niemand wie Deutschland hat neun Nachbarn, weshalb es den Deutschen nur so gut geht, wie es den Nachbarn gut geht. „ Fortsetzung folgt.