Von César Aira über Cortázar und Montalbán zu Jorge Volpi – Serie: Das Instituto Cervantes präsentierte zur Frankfurter Buchmesse die Iberoamerikanische Kulturcharta und eine Fotoausstellung spanisch schreibender Schriftsteller (Teil 3/3)

Enrique Vila Matas

Daß wir uns unsere Gedanken machen, ist just die Absicht des inszenierenden Fotografen. Denn, was sollen Bilder von schreibenden Männern und Frauen, wenn nicht, unsere Phantasie in Gang zu setzen, was mit ihnen vor und nach dem Schreiben ihrer von uns gelesenen Bücher passiert. Wenn unsere Lieblingsfotografie die von Jorge Semprún ist, in Paris 2004 geknipst, dann liegt das sicherlich auch daran, daß wir für diesen, das KZ Buchenwald und die Franco-Diktatur überlebenden großen Humanisten geradezu eine tiefe Verehrung verspüren. Seine Nachdenklichkeit, seine Wahrhaftigkeit, auch eigene Fehler als solche zu bezeichnen und für sich daraus zu lernen, kommt hier in einer überaus schlichten Geste zum Ausdruck. In Aufsicht sehen wir auf völligem Schwarz in sein gesenktes Gesicht, das in die rechte Hand gestützt wird. Die Augen sind fast geschlossen, aber es wirkt, als ob er etwas unter sich, was sich unseren Augen entzieht, zur Kenntnis nimmt.

Woran es allerdings lag, daß wir Claudia Pineiro nicht erkannten, müssen wir uns selber fragen. Diese argentinische Autorin, die mit „Elena weiß Bescheid“ gerade zur Buchmesse den LiBeraturpreis erhielt, sitzt hier – 2008 in Buenos Aires – mit dunkler Sonnenbrille und langen dunklen Haaren sehr dekorativ in einem roten Boot auf einem See mit Bäumen und Wiesen im Hintergrund, hält die Ruder in der Hand und strahlt uns so unverschämt gutgelaunt und herausfordernd an, daß man sie für ein Modell einer Werbefotografie hält. Aber sie ist nicht die Reiseführerin in eine Touristenattraktion, sondern eine ausgezeichnete Führerin in die durch Literatur vermittelbaren Abgründe und Hintergründe des Lebens in Argentinien. Wir lieben ihre Bücher und freuen uns, daß der Unionsverlag aus der Schweiz nicht nur sie, sondern weitere spanischsprechenden Autoren übersetzt und publiziert.

Der 1953 in Chile geborene Roberto Bolano ist nun schon sieben Jahre tot. Aber sein Werk lebt und wird derzeit in Deutschland endlich umfassend zur Kenntnis genommen. Hier sehen wir ihn eins mit der Natur. Inmitten eines in den Rändern unscharfen Grüns, das sind die verzerrten Blätter, sitzt er unter einem Baumstrauch, man sieht nur seine Gesicht, seine gefalteten Hände und den einen Schuh mit umgeschlagener Hosenkante. Bebrillt schaut er nach oben in den Himmel, von dem wir nichts sehen, weder Sonne noch Blau, noch Grau. Das Bild wurde in Paris im Jahr 2002 aufgenommen, ein Jahr vor seinem Tod.

Manche der Schriftsteller und Dichterinnen sind schon tot auf diesen Porträts, die wir stundenlang weiter anschauen können. Aber was heißt schon tot. Menschen, die so geschrieben haben, daß andere das lesen wollen, bleiben auf eine ganz gewisse Art immer in ihren Werken lebendig. Schön, daß Daniel Mordzinski sie in diesem feinen kleinen Band auch als Porträts weiterleben läßt.

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Info:

Die Ausstellung wurde innerhalb des Symposiums zur Iberoamerikanischen Kulturcharta eröffnet, die die Buchmesse einläutete. Es war daher angesichts des Ehrengastes Argentiniens zur Frankfurter Buchmesse 2010 also schon viel argentinische literarische Prominenz in Frankfurt anwesend. Für diese Ausstellung wurde eine andere abgehängt und in die Paulskirche verlagert: „Verschwunden. Das Fotoprojekt ’ausencias` von Gustavo Germano mit Texten zur Diktatur in Argentinien 1976-1983. Auch dies ist eine berührende Ausstellung mit einem hervorragenden Katalog, in dem die Mütter der Plaza de Mayo eine große Rolle spielen. Deshalb wollen wir hier beide Kataloge angeben:

Verschwunden. Das Fotoprojekt ’ausencias` von Gustavo Germano mit Texten zur Diktatur in Argentinien 1976-1983, Münchner Frühling Verlag 2010

Daniel Mordzinski, De Tinta Y Luz, Una mirada al alma de las letras hispanoamericanas, Instituto Cervantes Madrid 2010

www.frankfurt.cervantes.es

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