Übrigens: nicht nur Deutsche kennen Walther Kastner kaum, auch Österreichern tut das Wissen über diesen Sammler gut, das der Kurator der Ausstellung Lothar Schultes vom Oberösterreichischem Landesmuseum auch in zwei kleineren Broschüren zusammengestellt hat, wobei das Augenmerk auf die Schenkungen gerichtet ist, Teil 1 „Mittelalter und Barock“ sowie Teil 2 „Vom Biedermeier zum Expressionismus“. Während die Graphiken in zwei Sonderausstellungen präsentiert werden, sind die Gemälde u.a. der Sammlung in einer Dauerausstellung zu sehen.
Schon einmal gab es 1992 eine Ausstellung, die aus dem Konvolut der damaligen Schenkung von 500 Exponaten hervorging. Jetzt aber verfügt das Museum über 1400 Werke, die die im Januar 2008 verstorbene Gattin des Mäzens darüber hinaus gestiftet hat. Im Gespräch weist der Kurator auf die Ambivalenz des Sammlers Walther Kastner hin, der einerseits im Stillen Gutes tat und Kunstschätze anhäufte, die nun der Öffentlichkeit gehören dürfen, andererseits aber durchaus in seiner Selbstbiographie sein Mäzenatentum selbst ins rechte Licht rückte, wobei das Entscheidende eben ist, daß er gerne seine künstlerische Anlagen zum Beruf gemacht hätte, er dies aber trotz Begabung nicht weiter verfolgte, dann aber mit seiner Existenz als „Star-Anwalt“ und führender österreichischer Gesellschaftsrechtler die finanziellen Mittel zur Unterstützung von Künstlern und zum Kauf ihrer Werke besaß.
„Der Sammler stammte väterlicherseits aus Oberösterreich, wo der Name Kastner bis heute eng mit der Lebkuchenerzeugung verbunden ist“, heißt es im ersten Teil der beiden Begleitbroschüren, wo Lothar Schultes erst einmal den Sammler und seine Schenkung vorstellt. Und daß er künstlerisch begabt war, zeigt gleich am Anfang der Ausstellung seine Biografie, der eigene Werke beigefügt sind, bei denen ein Blatt durch seinen Stil als „Neue Sachlichkeit“ zu charakterisieren wäre, zeitlich aber viel früher entstanden ist. Hier hängen auch seine Porträts, viele von Hans Fronius, den er besonders zahlreich sammelte und somit zeitlebens unterstützte. Das Porträt Kastners, von Fronius 1988 als letztes seiner Werke gezeichnet, zeigt einen schmalen Intellektuellenkopf, der einen durch eine riesige Brille freundlich, aber leicht distanziert anschaut, die Lippen lächelnd und das ganze Wesen zuvorkommend, aber zurückgenommen.
So soll er auch gewesen sein, der in der österreichischen Gesellschaft nach 1945 reüssierte und die im selben Jahr verlorene Kunstsammlung von neuem aufbaute, begonnen mit österreichischer Kunst. Das waren Zeiten, wenn man kundig war – und Kastner verließ sich nur auf das eigene Auge -, wo Schieles und auch Klimts noch für jedermann erwerbbar waren, Kubin erst recht, und auch die Biedermeierkünstler standen nicht gerade in höchstem Ansehen. Mit ihnen beginnt die Ausstellung, wo man von Rudolf von Alt, dessen Vater Jakob Alt aus Frankfurt nach Wien gekommen war, sehr schöne Landschaftzeichnungen sehen kann. Der Ort Hallstatt, der ja nicht nur der Eisenzeit ihren Namen gab, sondern heute infolge eines gewissen und auch verständlichen Keltenkultes immer bekannter wird, war eine Berühmtheit im 19. Jahrhundert, immer wieder zeigen dies Zeichnungen wie die von Carl Goebel, der den hochgestaffelten Ort am gleichnamigen See als Schönheit wiedergibt, während in der Broschüre eine Fotografie das schon alt gewordene Sammlerehepaar am Gosausee mit der Kulisse des Dachstein sitzen läßt, die gleiche Gegend, nur in der Höhe.
Erstaunlich, wieviele Klimts und Schieles Kastner zusammentragen konnte. Bei manchen Modellen glaubt man, diese gerade in der Ausstellung der Fondation Beyeler „Wien um 1900“ gesehen zu haben, wo man überdies glaubt, ganz Wien, sprich: Belvedere, Albertina und Museum Leopold sei nach Basel ausgelagert. Aber nein, erstens sind auch in Wien noch viele zurückgeblieben, aber zweitens sind sich einfach manche Blätter sehr ähnlich, weil die Modelle dieselben waren und die Künstler es mit einer Zeichnung nicht bewenden ließen, noch eine neue Kopfdrehung, die Bekleidung ein wenig zur Seite gezogen, der Kopf gesenkt und der Blick gehoben. Während wir so Bekanntes zu sehen glauben und diese eine Zeichnung doch noch nie gesehen haben, entsteht in unserem Kopf die Idee, wie das wäre, wenn man eine Ausstellung nur mit einem Modell bestückte, von verschiedenen Künstlern in verschiedenen Momenten festgehalten, wie z.B. Schieles Wally, von der man weiß, daß sie auch Klimt Modell saß und zudem in der selben Straße wohnte, wo Klimt sein Atelier hatte: die Feldmühlgasse im Wiener XIII. Bezirk, Hietzing.
So geht es uns bei diesen schönen Blättern so wie immer, daß mit einer einzigen Zeichnung die Welt dieser Künstler, die man heute als Expressionisten mitbezeichnet, vor einem entsteht. Alfred Kubin hätten wir gar zu gerne kennengelernt und Kastner kannte ihn, sammelte ihn früh, verlor alles und gewann so viele bedeutende Blätter von neuem. Es wäre sehr lohnend, diese Graphiken, die nun wieder ohne Licht weiterschlummern, in einem Katalog verfügbar zu haben. Ob kunsthistorische Mittel der Konservierung und Publizierung in der Schenkung mitgedacht wurden? Das oberösterreichische Landesmuseum ist froh, daß die voluminöse Schenkung ans eigene Haus ging, dessen Voraussetzungen waren, daß sie – bis auf die Graphiken – ständig ausgestellt werden. Der moderne Einbau ins ehrwürdige Schloßmuseum hat das vom Platz her möglich gemacht und ein andermal wollen wir über diese ständige Kastnerausstellung berichten.
Jetzt erfreuen wir uns an „Knabe mit Katze“ von Johann Baptist Reiter um 1860, gemalt, der selber aus der Gegend – Urfahr bei Linz – stammte und hier, eher ungewöhnlich für ihn, ein Salonstück vorlegt. Nein, einmal kein leicht geschürztes Mädchen, sondern ein standesgemäß in Samt und Seide bekleideter Knabe, der lässig am Boden sitzend einer Katze einen Teller mit Sahne so lockend hinhält, wie er ihn vielleicht gleich wieder unerreichbar macht. Die Katze auf jeden Fall, mit doppeltem Perlenhalsband ebenfalls als Luxusgeschöpf ausgewiesen, giert nach der Sahne, daß ihr die Zunge schon heraushängt, so als ob sie gerade schon davon gekostet hätte und sich nun die Lippen leckt. Ein tolles Bild und der Knabe erinnert just an Reiters „Lesenden Knaben“, der im Belvedere in Wien hängt.
Während wir uns vom Ausflug in die Gemäldesammlung Kastners zurück zur Ausstellung bewegen, die heute schließt, machen wir uns noch einmal Gedanken über deren zweiten Teil, der am 20. Januar eröffnet wird. Der Titel ’verkauft` nämlich diesen nämlich unter Wert, da von Kastner schon Künstler weit vor Goya gesammelt wurden und jetzt ausgestellt werden. Albrecht Altdorfer ist so einer, der angesichts seiner Kunst viel bekannter sein müßte und den Kastner besaß. Ein interessanter Fall, denn während wir alle noch ihn als ’Maler der Donauschule` bezeichnen, räumt eine Ausstellung im benachbarten Regensburg, die eigentlich dem Miniaturmaler Furtmeyer gilt, aber auch seinen Regensburger Malerkollegen Altdorfer umfaßt, gründlich mit dieser Charakterisierung auf, die eine Kopfgeburt der Nachwelt sei, denn nie hätten sich diese Maler, zu denen auch der junge Cranach gehört, als zusammengehörig verstanden oder gar so benannt.
Lassen wir also Eingruppierungen und nominelle Festlegungen und freuen uns auf das Sichtbarmachen des reichhaltigen Bestands von Lorrain, Canal, Piranesi und Tiepolo, ja auch von Goyas, den Radierungen der „Caprichos“, „Disparates“ und „Desastres de la Guerra“, den satirischen Lithographien von Daumier und den Impressionisten. Es wird Turner gezeigt und Corot, Cézanne und Liebermann, Munch, Nolde, überhaupt die ganze klassische Moderne und auch der Kandinsky, der zeitlebens über dem Bett des Sammlers Walther Kastners hing. Das wird wieder eine, die Besichtigung sehr lohnende Ausstellung!
Katalog: Anlässlich der Neuaufstellung erscheinen in der Reihe der kleinen Sammlungsführer zwei Bändchen zur Schenkung Kastner, vom Kurator der Ausstellungen Lothar Schultes herausgegeben. Der erste enthält die Biographie des Sammlerehepaars und einen Überblick über die reichen Schätze des Mittelalters und der Barockzeit. Der zweite widmet sich der Kunst vom Biedermeier bis zur Moderne.
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Mit freundlicher Unterstützung der Air Berlin und des Tourismusverbandes Linz