Schon die Eröffnung mit dem Spiel Polen gegen Serbien garantiert einen Knalleffekt: Schauplatz ist das für die Fußball-EM errichtete Nationalstadion in Warschau. 62 000 Tickets waren binnen Stunden ausverkauft und bescheren dem Match einen Zuschauer-Weltrekord für Volleyball! Ansonsten spielt sich die Vorrunde mit 24 Teams in anderen Städten ab. In den Hochburgen der polnischen Liga, die vom Telefonanbieter Plus als Titelsponsor unterstützt wird: Wroclaw (Vorrundenspiele des Gastgebers ausverkauft), Krakow, Gdansk, Bydgoszcz, Lodz und Katowice. Zuschauer-Kapazitäten: 6 500 bis 15 300 sowie 4 000 ehrenamtliche Helfer.
Insgesamt rund 50 Millionen Euro sind für das „bedeutendste Sportereignis in Polen nach der Fußball-EM 2012 veranschlagt. Wobei Ausgaben für Hallenneu- und Ausbau sowie für die Infrastruktur eingerechnet sind und die WM selbst „10 bis 15 Millionen“ kosten werde.
Diese Zahlen nannte Wojtek Czaya, Präsident des Organisations-Komitees, im Juni während des Weltligaspiels Polen gegen Italien in Katowice.
Obwohl man im Vorverkauf schon 300 000 Karten abgesetzt habe, möchte man noch mehr Fans bei der WM sehen. Und deshalb eine Hand voll Sportjournalisten aus Deutschland eingeladen.
Kultarena Spodek in Katowice
Das einstige Bergbauzentrum, nach Strukturreform mit Hochschulen und Universitäten als Markenzeichen, präsentiert nicht zufällig die Halb- und Finalspiele der WM. Es hat die besten Fans und bietet in der Arena „Spodek“ (Untertasse) großartiges Volleyball-Entertainment.
Vor Spielbeginn auf einem großflächigem Bildschirm erste Interviews mit den Stars. Volles Haus mit knapp 12 000 Zuschauern beim Weltligatreffen gegen Italien. Kaum einer ohne Fan-Utensil – Trikot, Schal, Hüte, Kappen. Alle stehen bei der Nationalhymne. Nach zwei, drei Takten stoppt die Musik und alle singen a-capella die Hymne voller Inbrunst zu Ende. „Polska- Polska“-Rufe.
Klatschpappen, Leuchtstäbchen, Kunstnebel, Feuerstöße – das Berliner Repertoire – werden nicht benötigt. Das Maskottchen – ein leichtfüßiger (polnischer) Adler – springt umher, schießt dann und wann WM-Gastgeber-Trikots in die Ränge. In den Ecken digitale Anzeigen der Aufschlag-Geschwindigkeiten: 95, 110, 118 km/h.
Das Publikum fachkundig, begeistert, enthusiastisch. Feuert an. Wenn nötig, treiben Gesänge nach der Melodie von „Zieht den Bayern die Lederhosen aus…“ die Eigenen an. Mit frei übersetzt: Die Herzen hoch – Polen wird das Spiel gewinnen!
Gegen Italien klappt es: 1:0, 1:1. 2:1, 2:2 und 3:2.
Die Begeisterung für Volleyball in Polen speist sich einerseits aus Traditionen: Weltmeister 1974, Olympiasieger 1976, fünf Mal EM-Zweiter, Europameister 2009, Weltliga-Erster 2012.
Und andererseits aus der aktuellen Situation: Volleyball ist nach Fußball (derzeit erfolglos) die populärste Mannschafts-Sportart. Von Freitag bis Sonntag mit Live-Berichten im Fernsehen. Die Liga gehört zu den attraktivsten in Europa: Mit den Spitzenteams in der Champions League mit vorn. Momentan für deutsche Nationalspieler der begehrteste Arbeitgeber und das „neue Volleyball-Paradies“ des Kontinents. Fünf hatten in der Vorsaison dort ihr Können gezeigt. „Und es werden im Herbst noch mehr“, sagt Vital Heynen, Bundestrainer für die schwarz-rot-goldene Auswahl. Der Belgier hat im Zweitjob seine erste Saison als Cheftrainer in Bydgoszcz absolviert.
Volleyball weit populärer als in Deutschland
Und ist ähnlich begeistert wie Außenangreifer Dirk Westphal, der vom SCC Berlin über Italien und Belgien nach Radom, 100 km südlich von Warschau, wechselte. „Volleyball ist in Deutschland ein Randsport, in Polen aber sehr gefragt und populär. Wird perfekt als Event inszeniert und fasziniert junge Leute und Ältere. Die Liga hat viel professionellere Strukturen als in Deutschland“, sagt er. „Da gibt es nicht nur vier oder fünf Topspiele pro Saison wie in Deutschland, sondern bist du in jedem Spiel voll gefordert. Weil es nicht nur zwei oder drei Spitzenmannschaften wie in der Bundesliga gibt, sondern neun Konkurrenten,von denen jeder jeden schlagen kann.“
Ihn habe das eine Jahr dort sportlich „und auch in der Persönlichkeits-Entwicklung“ (so der Bundestrainer) vorangebracht.
Man verdiene „gutes Geld“ und die Lebenshaltungskosten seien geringer als in Deutschland. Und natürlich öffentliche Aufmerksamkeit sowie Anerkennung höher. Für den 28-jährigen 2,03-m-Mann wäre es die Erfüllung eines Traums, bei der WM aufspielen zu können.
Zumal die Deutschen ihre Sechser-Vorrunde in der Kultarena „Spodek“ – u.a. gegen Brasilien und Kuba – bestreiten dürfen. Rund 50 Mitglieder des Fanclubs der Nationalmannschaft wollen ihnen dort den Rücken stärken. Jan Wawrzyniak, Direktor des Polnischen Fremdenverkehrsamtes, wirbt weiterhin: „Wir rechnen damit, dass noch mehr deutsche Fans zu den Spielen anreisen werden.“ In allen Spielorten wird es Fanzonen geben und Public Viewing für diejenigen, die kein Ticket ergattert haben. Am Bahnhof Katowice hilft ein Infocontainer allen Interessenten weiter.
Der Bundestrainer hat übrigens im Januar kämpferisch angekündigt: „Wir wollen 32 Jahre nach dem Olympiasilber 1972 für ein deutsches Aufgebot (damals die DDR-Mannschaft, d.A.) wieder um einen Podiumsplatz kämpfen.“