Berlin, Deutschland (Weltexpress). Haben zehn schwache Minuten des Titelverteidigers BR Volleys Berlin und zehn perfekte Minuten des Rekordmeisters VfB Friedrichshafen nicht nur einen Satz und ein Spiel entschieden, sondern gar am Ende auch die deutsche Volleyball-Meisterschaft 2017/2018?
Die Antwort wird man erst nach dem fünften und letzten Play-off-Duell am Mittwoch in Friedrichshafen geben können. Aber der merkwürdige und schwer erklärbare Verlauf der Endspielserie spricht nun eher für die heimstarke Formation der Männer vom Bodensee.
Nach einer überraschenden 2:0-Play-off-Führung der Berliner hatte der VfB den ersten Matchball des Gegners vor heimischer Kulisse souverän abgewehrt und dessen zweite Titelchance am Sonntag in der Berliner Max-Schmeling-Halle mit 3:2 zunichte gemacht.
Über zweieinhalb Stunden vor 7600 Zuschauern in Meister-Feierlaune dauerten im sogenannten Volleyball-Tempel der Berliner die Ballwechsel. Wie schon in den vorherigen drei Endspielen kamen die ballsicheren Häfler auch auf Gegners Terrain besser in die Partie und sicherten sich Satz eins.
Die Volleys nahmen kleine Aufstellungskorrekturen vor. Brachten die beiden Ü 30-Erfolgsgaranten Robert Kromm und Paul Carroll auf die Platte. Lagen bei beiden technischen Auszeiten vorn und hatten auf diesem Niveau kaum aufholbare sieben Zähler Vorsprung. Doch das reichte gegen die nie aufsteckenden Schützlinge des belgischen Trainer Vital Heynen nicht, die auf 19:21 herankamen. Dann gab es Gleichstand, Verlängerung, vier Satzbälle für Berlin, deren vier für die Gäste, die dann mit dem fünften den 33:31-Satzgewinn feierten. Und damit 2:0 die Nase vorn hatten.
Angesichts der drohenden 0:3-Pleite mobilisierten die Volleys, angetrieben von Hallensprecher und den Fans, alle körperlichen und mentalen Reserven. Schafften tatsächlich den 2:2-Ausgleich und verloren die Begegnung letztlich doch im finalen Tiebreak 13:15 und somit 2:3!
Heynen gönnte wichtigen Akteuren im vierten Durchgang eine kleine Verschnaufpause. So erspielte sich der VfB mit einem konzentrierten Start im fünften Satz eine frühe Zwei,- drei Punkteführung und transportierte diesen minimalen Vorteil bis ans rettende 15:13-Ufer.
BR-Trainer Stelian Moculescu, dem an seinem 68. Geburtstag nach 13 Titeln mit dem VfB die 14. Meisterschaft und erste mit dem vormaligen Erzrivalen versagt blieb, benannte treffsicher den Knackpunkt des Spiels: „Der zweite Satz hat dieses Spiel entschieden. Mit sieben Punkten Vorsprung müssen wir den einfach gewinnen. Da standen wir uns selbst im Weg. Nun müssen wir eben versuchen, in Friedrichshafen die Meisterschaft zu holen. Das ist Berlin schon im letzten Jahr gelungen und warum nicht auch jetzt.“
Der gebürtige Rumäne war während jener Schwächephase im zweiten Durchgang ganz gegen sein sonstiges Wirken in fast vier Jahrzehnten als Trainer ziemlich passiv geblieben. Hatte zwar in einer zusätzlichen Auszeit gestenreich und beschwörend auf seine Spieler eingeredet.
Aber ein oder zwei Wechsel, um den Rhythmus des Rivalen zu stören, die Wasserflasche umzukicken oder einen Disput mit den Referees zu inszenieren – all die kleinen Tricks der Vergangenheit als Widersacher der Berliner -, das fiel ihm nicht ein.
Der Trainer wirkte in diesem Moment ähnlich paralysiert und ratlos wie die Spieler. Ein Sieben-Punkte-Polster herzugeben, das bedeutet bei mehr als einem halben Dutzend Angriffsmöglichkeiten nicht den Ball auf des Gegners Boden zu bringen. Auch weitere Punktechancen mit einem Aufschlag-Ass nicht realisiert zu haben!
Ungeachtet der verpassten Möglichkeiten meint Berlins Hauptangreifer Paul Carroll: „Letztes Jahr haben wir den Titel in Friedrichshafen geholt. Dort haben wir vier Meisterschaften gewonnen. Ich hoffe, es wird diesmal die fünfte sein.“ Optimismus, made in Australia.