BR-Manager Kaweh Niroomand genügten danach ein paar analytische Worte, um den Leistungsunterschied zu bewerten. Tags zuvor hatte er gegenüber einer Nachrichtenagentur einen verbalen Stein ins Wasser geworfen. Angesichts der Situation, so Niroomand, müsse man sich überlegen, ob die BR Volleys sich nicht um Spielerlaubnis in der polnischen Liga bemühen sollten…
Eine eher sarkastisch gemeinte Äußerung — aber wie beabsichtigt, von Boulevard-Gazzetten aufgegriffen und als Schlagzeile vermarktet.
Niroomand weiß nur zu gut, dass die Eingliederung in eine der sportlich und finanziell stärksten Ligen Europas unrealistisch ist. Er wollte auf eine derzeit "paradoxe Situation" aufmerksam machen. Volleyball sei, so seine Sicht der Dinge, "momentan so populär wie nie in Deutschland". Das habe sich beispielsweise bei der Heim-EM der Frauen, bei internationalen Auftritten des Männer-Teams oder beim Pokal-Volleyball-Fest in Halle/Westf. manifestiert.
Da sieht er durchaus Parallelen zur Entwicklung seiner BR Volleys. Die haben sich vor drei Jahren mit der Profimannschaft aus dem Stammverein SC Charlottenburg unter der neuen Bezeichnung "Berlin Recycling Volleys" herausgelöst. Und wagten den Sprung von der bescheidenen Sömmeringhalle (maximal etwas über 2000 Zuschauer) in die Max-Schmeling-Halle. Schauplatz von EM der Frauen und Männer und anderen Großereignissen. Die Volleys haben bis dato nie erreichte Zuschauer-Dimensionen in der Bundesliga erreicht. Mehr als 8000 gegen den Erzrivalen Friedrichshafen. Mit rund 4700 pro Spiel gab es in der Champions League hier den größten Publikumszuspruch aller europäischen Spitzenklubs.
Daneben wurden Umfeld und Strukturen professioneller aufgestellt und erweitert. Die Website bietet neben Texten auch Video-Interviews und Mini-Filme an. Der Rahmen bei Heimspielen hat sich allgemeinen Trends des Sport-Entertainments angepasst: Klatschpappen, Leuchtstäbchen, Cheerleader, Feuer. Nebel, Böller, Maskottchen und Hallensprecher, die "Krach, Krach" fordern…
Ob das unbedingt in dieser Form für eine Erfolgsstory a la BR Volleys vonnöten ist, sei dahingestellt. Aber die Volleys sind nach längerer Durststrecke zweimal hintereinander Meister geworden und haben sich auch in der europäischen Königsklasse mehr als respektabel gehalten.
Konträr dazu jedoch das Erscheinungsbild der Deutschen Volleyball-Liga (DVL): Bottrop wurde während der Saison aus wirtschaftlichen Gründen die Lizenz entzogen. Der frühere Meister Moerser SC reagierte auf die Rückzugsansage des Hauptsponsors mit der Information, sich nach Saisonende zu verabschieden. Generali Haching, eine der erfolgreichsten Mannschaften der letzten Jahre, lässt offen, ob man ohne Unterstützung des Hauptsponsors ab Herbst im Oberhaus noch dabei sein werde.
Und schon hat Leipzig, einst mit großen Erfolgen und Traditionen im Volleyball zu DDR-Zeiten, als Spitzenreiter der zweiten Bundesliga Süd verkündet, sein Aufstiegsrecht in die DVL nicht wahrnehmen zu wollen. Man müsse erst Strukturen und das (wirtschaftliche) Umfeld für den Aufstieg schaffen. Schon die 5000 Euro Startgebühr für die DVL seien nicht so einfach zu stemmen. Die Randberliner Netzhoppers KönigsWusterhausen, wegen wirtschaftlicher Engpässe aus der ersten Liga abgestiegen, marschieren ungeschlagen durch die zweite Liga und würden gern zurückkehren. Wenn sie denn mit Hilfe einer Spendenaktion das Etatminimum zusammen brächten.
Niroomand beziffert einen Etat von ca. 700 000 bis 750 000 Euro als notwendige Voraussetzung, um allen Erfordernissen als Erstligist gerecht zu werden. Doch die Mehrzahl der Vereine kratzen mit Müh und Not um die 400 000 Euro zusammen. "Und erwarten von der DVL, dass die dank eines noch zu findenden Hauptsponsors der Liga oder eines Fernseh-Vertrages etwa 250 000 dazubekommen."
Rekordmeister VfB Friedrichshafen mit ca. 1,7 Millionen und die BR Volleys mit etwa 1,5 Millionen Euro liegen weit vor den Konkurrenten. Spitzenklubs im Handball oder Basketball können mit bis zu 10 oder mehr Millionen planen.
Die Suche nach einem potenten Liga-Namensgeber — die Basketballer haben einen türkischen Küchengeräte-Hersteller gewonnen — aber stockt.
Sind die Lizenz-Forderungen der DVL, die sich an den finanziell weitaus besser bestückten Ligen der Basket- und Handballer orientiert, eine Nummer zu groß oder was sind die Ursachen der Misere im Volleyball?
Niroomand glaubt, "die Probleme sind vor allem hausgemacht". Die Klubs investieren zu massiv in die Mannschaften und vernachlässigen den Ausbau der Spielstätten und der Vereins-Infrastruktur. "Wir haben uns mit unserer Entwicklung als Lokomotive für die Popularisierung der Sportart gesehen und gehofft, dass andere unsere Vorlage nutzen. Aber nicht unser Konzept kopieren. Sondern jeder muss in seiner Region sein Konzept und sein Erfolgsmodell kreiren."
Logisch, dass Bühl mit rund 30 000 Einwohnern oder Spergau (ca. 1000) mit dem CV Mitteldeutschland andere Wege und Dimensionen anstreben sollten als die BR Volleys. Die Hauptstädter haben auf das Prinzip Wachstum gesetzt. In einer Region mit rund 3,5 Millionen Menschen die Werbetrommel gerührt. Und dank der Überzeugungskraft und Überredungskunst von Macher und Visionär Niroomand — ehrenamtlich Manager im Verein, hauptberuflich Deutschland-Chef eines IT-Dienstleisters — mit Berlin Recycling ein Unternehmen als Hauptsponsor gefunden, der als Glücksfall gilt. Jener subventioniert eine Werbekampagne im sechsstelligen Kostenbereich. Mit "Urban Volley" soll ein neuer Kreis von Sportinteressierten gewonnen werden. Ein mobiler Volleyball-Platz wird durch die Stadtbezirke wandern. Eine Kinokette schaltet Info-Spots zu den Heimspielen.
Niroomand glaubt unverändert: "Volleyball hat noch längst nicht alle Ressourcen ausgeschöpft, um flächendeckender beworben und stärker wahrgenommen zu werden."