Seit 10 Jahren gibt es das Education-Programm der Berliner Philharmoniker. Was ist das? Selbstdarstellung: »Das Education-Programm der Berliner Philharmoniker ist die von der Deutschen Bank ermöglichte Initiative der Berliner Philharmoniker, die Arbeit des Orchesters und seine Musik einem möglichst breiten Publikum zugänglich zu machen. Sie will Menschen aller Alterstufen, unterschiedlicher sozialer und kultureller Herkunft und Begabung für eine aktive und schöpferische Auseinandersetzung mit Musik begeistern.«
Seit 25 Jahren ist die Deutsche Bank Exklusivsponsor der Berliner Philharmoniker und gibt dafür jährlich vier Millionen Euro aus (insgesamt 80 Millionen für kulturelle Projekte über ihre Kulturstiftung). Der Künstlerische Leiter Sir Simon Rattle wird auch nicht müde, bei jeder Gelegenheit die großzügige Hilfe der Deutschen Bank zu rühmen. Bei Zuwendungen des Senats und der Lottostiftung von 15,6 Millionen Euro jährlich sind die 4 Millionen das Katapult von der Sonderklasse zur Luxusklasse. Nur zum Vergleich: Den Berliner Symphonikern wurde 2004 der Zuschuß des Senats von 3,3 Millionen Euro gestrichen. Sie halten sich seitdem mit Lohndumping und Selbstausbeutung mühsam über Wasser. Und darüber hinaus gibt es Dutzende von Theater- und Ballettensembles und Orchestern, die eine Förderung mit Klein- und Kleinstbeträgen erkämpfen oder auch nicht bekommen, wie jüngst das Jüdische Theater Berlin. Das ist ihr Tribut an die Kulturmetropole Berlin.
Die Berliner Philharmoniker haben die Förderung durch die Großbank bestens genutzt und haben jedes Jahr mit Hunderten Schülern, Jugendlichen und Senioren Ballettaufführungen hingelegt, die die Berliner Zuschauer in der Arena Treptow (einem stillgelegten Busdepot) begeisterten (unter anderem »Le Sacre du Printemps« von Igor Strawinski und »Carmina Burana« von Carl Orff).
Das hat sich irgendwie erschöpft. Ist auch nicht billig. Darum hat man sich auf eine wichtige, vielleicht vernachlässigte musikalische Ausdrucksform besonnen – das Singen. Es ist die unmittelbare und ursprünglichste musikalische Äußerung. Wer singt nicht beim Radiohören, unter der Dusche, beim Wandern oder sogar bei der Arbeit, wenn sie Spaß macht? Also wird das Chorsingen unter dem Titel »Vokalhelden« die Kunstform der Berliner Kinder, die unter dem Schirm der Berliner Philharmoniker mitmachen wollen. Es gibt auch nichts Einfacheres: man braucht kein Instrument, sondern nur sich selbst – die eigene Stimme und natürlich Lust zum Singen und Ausdauer. »Singen geht überall und sofort«, sagt Simon Halsey, bewährter Leiter des Rundfunkchors Berlin und nun zusätzlich künstlerischer Leiter des Chorprogramms der Berliner Philharmoniker.
Die Teilnahme der Kinder ist freiwillig und kostenlos. Die Projektleiterin Andrea Tober sagt, dass sie insbesondere sozial benachteiligte Kinder und Jugendliche für die Chöre gewinnen will. Zu diesem Zweck hat das Team mit Quartiersmanagern und Lehrern gesprochen. Probenorte wurden so gewählt, dass keine Räume von Jugendklubs oder Nachbarschaftszentren beansprucht werden. Wichtig ist auch: kurze Beine, kurze Wege. Für längere Distanzen wird dennoch ein Fahrdienst organisiert. Für das erste Jahr stehen drei Probenorte fest: das Stadtschloß in Moabit, der PalasT in Schöneberg und die »Helle Mitte« in Hellersdorf. Weitere sind in Vorbereitung. Geprobt wird wöchentlich zwei Stunden. Einen »Lehrplan« gibt es nicht, sondern jeder Chor darf sich sein eigenes Programm selbst suchen. Zur ersten Probe kamen rund 100 Kinder zusammen. Neue können jederzeit hinzukommen. Es sei ein Programm, an dem das Educationteam selbst lernen wolle, erklärt Andrea Tober. Bisher ist das Programm nicht befristet. Natürlich arbeiten die Gruppen auf ein Ziel hin, denn die Kinder wollen einen Erfolg sehen. Höhepunkt wird die Aufführung der Kantate »Carmina Burana« von Carl Orff am 15. Juni 2014 im Kulturforum vor der Philharmonie sein. Noch größer wird das Chorprojekt für Erwachsene: Die deutsche Erstaufführung von »Crowd Out« des New Yorker Komponisten David Lang für 1 000 Stimmen, die singen, sprechen, rufen und raunen. Zur Zeit beginnt die Ausschreibung der Bewerbungen von Laienchören und Einzelpersonen. Von allen wird eine gewaltige Probenarbeit verlangt werden.
Speziell für jenes Fest am Kulturforum am 14. und 15. Juni hat die Deutsche Bank einen Sonderzuschuß gewährt. Das teilte der Deutsche-Bank-Vorstand Jürgen Fitschen persönlich mit. Das Motiv sei ein edles, nämlich Deutsche Bank und Berliner Philharmoniker verbinde das Motto »Leistung aus Leidenschaft«. Ganz uneigennützig? Angesichts wachsender Strafen und Schadenersatzforderungen von Geschädigten der Finanzmanipulationen der Deutschen Bank fragt man sich, ob denn die Bank noch zusätzliche Mittel übrig habe. Doch andererseits braucht sie dringend eine Aufbesserung ihres Image. Aber gemach – sie bleibt von der Wiederanhebung der Körperschafts- und Einkommenssteuer unter einer künftigen Koalitionsregierung verschont. So ist das: Der Normalverbraucher atmet auf, wenn die SPD nun auf Steuererhöhungen verzichtet, denn er glaubt, er sei gemeint gewesen. Doch weit gefehlt. Es bleibt bei den Steuergeschenken an die Banken, Konzerne und Großverdiener von jährlich mindestens 50 Milliarden Euro aus der Ära Gerhard Schröder mit den Nachbesserungen von Angela Merkel, von den Bankenrettungspaketen ganz zu schweigen. Da fällt auch für die Kunst was ab. So hat alles sein Gutes.