Aber eine echte Ablösung vom Vater wäre nur möglich, wenn sie sich mit ihm über ihr „Nein“ wirklich auseinandergesetzt hätte. Wenn sie seinen Argumenten ihr eigenes Leben, ihre eigene Lebensgestaltung gegenüber gestellt hätte, wäre das ein argumentativer Schritt gewesen. Allerdings entzieht sich der Vater der Ablehnung durch seine Tochter auch dadurch, daß er schweigend den Kontakt abbricht. Daß der Schluß des Films dann die Tochter im Liebesspiel mit ihrem „boyfriend“ zeigt, das Leben also über den Tod siegt, obwohl gerade diese Beziehung für beide vorher zu Ende war, kommt einem eher als ein Zudecken der Beziehungsprobleme vor, die Herstellung einer für kurzen Heilen Welt, von der man nicht glauben kann, daß sie hält, weil sie die billige Antwort auf den Tod ist, wo sich zwei in die Arme fallen, um das Leben zu spüren.
Und nun die Geschichte: Die erfolgreiche Galeristin lebt zusammen mit Peter (Pilou Asbaeck), einem Künstler, den ihr Vater im Umgangston ’Picasso’ nennt. Sie erhält ein Angebot einer führenden Galerie aus New York, dort für europäische Kunst tätig zu sein. Peter soll mitkommen. Gleichzeitig erfährt sie, daß sie schwanger ist. Beide entscheiden sich zu einer Abtreibung und eigentlich bleibt ab da das Gesicht der Hauptdarstellerin Ditte das Antlitz einer Mater Dolorosa, denn ihr Weg geht jetzt dem Leid entgegen. Ihr Vater, der krank war, wird für gesund erklärt und entschließt sich die Frau, Sanne (Anne Luise Hassing), mit der er seit Jahren zusammenlebt und zwei jüngere Kinder hat, zu heiraten. Die beiden Töchter aus der ersten Ehe lassen sich untereinander ablehnend, ja zynisch darüber aus, feiern dann aber die Hochzeit glücklich und ja doch irgendwie scheinheilig mit. Das ist eine der Szenen, die zeigen, das diese ’Familie’ Abgründe und Widersprüche hat wie jede Familie.
Die Tochter informiert ihren Vater über ihren Entschluß nach New York zu gehen. Doch umgehend stellt sich heraus, daß nach der Bewältigung des Lungenkrebses der Vater einen unheilbaren Gehirntumor hat und sterben wird. Sie entschließt sich, in Dänemark zu bleiben, sagt die Stelle ab, was ihr Freund nicht akzeptiert, der für sich längst ein Atelier gefunden hat und auf jeden Fall nach Amerika geht. Dann kommt die Episode, wo der Vater sie für die Führung der Firma bestimmt, auch wenn sie nicht backen kann, ist sie doch die Tüchtigste von allen. Das – wie gesagt – lehnt sie ab. Die Sterbeszene ist für sich genommen, eine eindrucksvolle Szene, denn der Vater, der gegen den Wunsch seiner neuen alten Frau – „Das Haus gehört auch mir.“ – zum Sterben nach Hause will, stirbt schnell und die von ihm vernachlässigte Tochter Chrisser (Line Kruse) wäscht ihn mit seiner Frau und zieht ihm das Totenhemd an, zündet die Kerze an und betet.
Es gibt eine weitere, richtig schöne und ausgelassene Szene, die Emotionen im Bild zeigt, während sonst über diese nur gesprochen wird: das ist die Hochzeit von Rikard mit Sanne. Da findet die Regisseurin schöne Bilder und trägt von der Leinwand einfach Stimmung ins Publikum. Von daher gilt für diese Familie, die seit Jahrhunderten die Großbäckerei Rheinwalds führte: zwei Ereignisse zerstören diese Familie: die Hochzeit des Vaters und sein Tod.
Titel: Eine Familie
Land/Jahr: Dänemark 2010
Regie: Penille Fischer Christensen
Darstelle: Jesper Christensen, Lene Maria Christensen, Pilou Asbaeck, Anne Luise Hassing, Line Kruse
Wertung: