Das war 1830, da war Vater Alt gerade 38 und Sohn Rudolf 18 Jahre. Gereist war Jakob aber schon vorher, 1828 in Oberitalien. Aus seiner Erfahrung heraus nahm er die Aufträge des Kaisers an, reiste aber auf der Basis des eigenen Portemonnaies und verkaufte anschließend seine Aquarelle dafür sehr teuer an den Hof, denn er war berühmt geworden für seine lieblichen Landschaften und für die Städtebilder auch. Zwischen 1830 und 1849 entstanden rund 300 solcher Stadt- und Landschaftsansichten im Auftrag des Kaisers, die neben Jakob und Rudolf von Alt, – auf deren Konto 170 Bilder gehen, wobei 46 von Rudolf stammen, aber alle mit Jakob signiert sind, denn er hatte das Mandat erhalten – auch Eduard Gurk und Leander Russ fertigten und von denen nun insgesamt 120 Meisterwerke in der Albertina die Schönheit des Österreichischen Kaiserreiches zeigten, von dem man immer noch sagen muß, daß es sich seit 1806 – dem Ende des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation – als Nationalstaat auch über sein Territorium definierte.
„Jakob Alt“ war also längst ein Markenname, zu dem als Bezeichnung für seine für Ferdinand I. geschaffenen Aquarelle noch „Guckkastenbilder“ hinzutrat, die dem Ruf nach die Crème der Biedermeier-Aquarelle darstellten. Guckkastenbilder? Da dachten so manche an ihre Funktion, als abgeschnittene Bilder der räumlich unendlichen Wirklichkeit wie ein Guckkasten zu funktionieren. Denn die echten Guckkastenbilder, die es auf den Jahrmärkten gab, die waren seitenverkehrt gefertigt, denn mit einem Hohlspiegel wurden sie von hinten beleuchtet nach vorne ’wie echt` geworfen. Die Alt’schen Aquarelle jedoch waren nichts anderes als normale Bilder, was für die Kunsthistoriker absolut verwirrend war, zumal auch keine Gebrauchsspuren durch den Apparat zu finden waren, weder Aufhängungen noch durch die Lampe Angesengtes .
Tatsächlich verbarg sich hinter der generalisierenden Bezeichnung „Guckkastenbilder“ jedoch die Tatsache, daß der Kaiser dreißig Exemplare dieser Guckkastenserie auf sein erst 1887 erworbenes Schloß bei Prag mitnahm, aus Heimweh, und diese dann wirklich von hinten erleuchtete, aber ohne Spiegelungseffekt, nachdem sie zuvor auf Pappe verstärkt wurden. Erbarmungswürdig sei der Zustand dieser Blätter, so die Kuratorin der Albertina-Ausstellung Maria Louise Sternath, die deshalb auch nicht ausgestellt werden können. Das ist sicher richtig aus kunsthistorischer Sicht. Die Besucher allerdings lassen sich gerne mit etwas Ungewöhnlichem überraschen, und die Ausstellungen, die einem auch mit Geräten oder sonstigen Dingen den Gebrauchswert von Kunst für den Besteller nahebringen, sind oft Selbstläufer, will sagen: so ein Guckkasten in der Ausstellung wäre nicht schlecht gewesen, wenn schon die Bilder so heißten, ohne Guckkastenbilder zu sein.
So also schauen wir die Folge der Vedutenbilder an mit dem Blick derer, die es genau wissen wollen, wie es war, als Wien um 1800 ins Bild kommt, was der Eingangssaal zeigt. Denn ursprünglich galt die Zielsetzung den realistischen Abbildungen, die dann mehr und mehr zu Stimmungsbildern wurden, wo das Licht nicht mehr rein naturalistisch eingesetzt wurde, sondern in Verbindung mit den Farben auch emotionalen Charakter erhielt. Erst recht, wenn die Menschen ins Spiel kommen, wie es Leander Russ in der „Parade zur Begrüßung des Kaisers in Laibach“ gleich massenhaft gestaltet – und wir heute froh sind, die originale und Vielfalt vermittelnde Bekleidung des „Volks“ sehen zu können. Überhaupt wird das eines der Unterscheidungsmerkmale sein, die häufigen Aquarelle mit und die eher seltenen ohne Menschen, wobei dann bei einer Abbildung wie vom Schloß Belvedere, ebenfalls von Leander Russ, die Menschlein nur noch Strichmännchencharakter besitzen, Beiwerk zur beeindruckenden Architektur und gestalteten Natur.
Solche Bilder sind auch gemalte Geschichte. Dies nicht nur, weil sich die historischen Ansichten mit den heutigen vergleichen ließen, sondern vor allem immer dann, wenn ein Dokumentationsinteresse hinzutritt, wie beim „Wiener Hochwasser von 1830“ oder den Wallfahrten nach Mariazell. Die folgenden Ansichten von Böhmen und Mähren sind ja noch geradezu heimisch, aber dann geht der Weg von Jakob und Rudolf von Alt nach Italien. Sie kommen vom Norden, halten sich in Venedig auf, alles wird erfaßt, denn die Reise setzt sich nach Süden fort. Das Ziel jeder Grand Tour, von der die beiden Maler nicht sprechen, die sie aber abbilden, ist schließlich Rom und die Campagna, bis hin zur Küste von Amalfi.
Auch die dalmatinische Küste auf der anderen Seite wird vorgestellt und mit ihr die nordöstlichen Kronländer und auch Ungarn sowie die gesamte Alpengegend. Mit dieser Ausstellung erfährt man also nicht nur mehr über die Darstellungsmöglichkeiten „Stadtbild und Landschaft“ sowie die Künstler und den Auftraggeber, sondern auch über einschneidende historische Ereignisse wie das Hochwasser oder allgemein gesellschaftlichen Brauch wie Wallfahrten. Erst recht natürlich lernt man die Landschaften selbst kennen. Da die meisten Werke den Alts zugehören, wie der Ausstellungstitel vermittelt, kommt auch der Zusammenarbeit von Vater und Sohn besondere Aufmerksamkeit zu, die genau entschlüsselt wird und die jeweiligen Anteile aufzeigt. Dabei wird der zugereiste Jakob zeitlebens ein Innovativer bleiben, sein Sohn Rudolf jedoch der gesellschaftliche geachtete und geadelte Wiener werden.
Ausstellung: bis 24. Mai 2010
Katalog: Jakob und Rudolf von Alt. Im Auftrag des Kaisers“, hrsg. von Klaus Albrecht Schröder, Maria Luise Sternath, Albertina Wien 2010