Die Frankfurter Allgemeine von heute widmet dem Iran die Titelseite. Unter der Überschrift „Risse und Gräben“ schreibt Rainer Hermann: „An diesem Mittwochmorgen ist Mahmud Ahmadineschad vor dem iranischen Parlament für eine zweite Amtszeit als Staatspräsident vereidigt worden – während sich vor dem Gebäude Hunderte Anhänger der Opposition zu Protesten versammelten. Augenzeugen berichteten von mindestens einer Festnahme…
Die Vereidigung schließt formal einen Prozess ab, der mit der Wahl vom 12. Juni begonnen hat. Seither sind die Gesellschaft und die Politik Irans gespalten wie nie seit der Gründung der Islamischen Republik. Unversöhnlich stehen sich zwei Lager gegenüber…
Nicht die Loyalität zu Chamenei spaltet die Hardliner, sondern der Kampf um die Schalthebel der Macht. Das Amt des Staatspräsidenten soll mit der Wahl nicht nur die Illusion verbreiten, die Wähler hätten in der Islamischen Republik etwas zu sagen. Der Staatspräsident ist nach dem Führer der zweitmächtigste Mann der Republik…
Ahmadineschad deutete bereits an, dass er als Folge seiner Ankündigung, den Kurs gegenüber dem Westen zu verschärfen, Außenminister Mottaki ersetzen wird…
Viele behaupten, er richte seine Politik nach der eschatologischen Lehre aus, dass die Wiederkehr des Mahdi, des schiitischen Messias, bevorstehe und die Wiederkehr beschleunigt werde, je größer das Chaos sei, aus dem er die Menschheit zu erretten habe. Eine wahre Islamische Republik könne erst dann errichtet werden…“
Die Frankfurter Rundschau meint, dass die gegenwärtigen Ereignisse bereits das Ende der Islamischen Republik Iran einleiten werden, da diese die letzte Legitimation verloren habe. Ich sehe das im Prinzip ebenso. Die Zeitung befürchtet desweiteren, dass das Regime versuchen wird mit Hilfe eines außenpolitischen Abenteuers versuchen, nocheinmal das iranische Volk zusammenzuschmieden. Unter der Überschrift „Erste Zuckungen des Todeskampfs“ schreibt Martin Amis: „Auch auf die Gefahr hin, mich zu weit aus dem Fenster zu lehnen – aber die derzeitigen Ereignisse im Iran scheinen mir die ersten Zuckungen des bevorstehenden Todeskampfes der Islamischen Republik zu sein…
Möglicherweise ist alles tatsächlich mehr oder weniger wie es scheint: Die manipulierten Wahlen, bei denen das Ergebnis verdächtig schnell verkündet wurde, waren eine solch offensichtliche Farce, dass die Verachtung für das demokratische System klar zu Tage trat. Darauf folgte natürlich ein Aufruhr des Volkes, der dann mit Gewalt niedergeschlagen wurde…
Aber stellen wir uns doch einmal vor, der oberste geistliche Führer Ali Chamenei hätte in sachlicher Manier einen 51-Prozent-Sieg für Präsident Ahmadinedschad verkündet – dann hätte man im Iran und auch im Rest der Welt vielleicht genickt und das Ergebnis akzeptiert. Es ist in dieser Islamischen Republik absolut denkbar, dass mit voller Absicht ein Erdrutschsieg manipuliert und dann auch auf solch prahlerische Weise präsentiert wurde, um den Aufstand zu provozieren und ihn dann brutal niederzuschlagen…
Als 1997 Mohammed Chatami überraschend mit 69 Prozent einen klaren Sieg errang, der mit ungeteilter Freude aufgenommen wurde, fühlte sich das Regime sicher genug, um nicht einzuschreiten…
Eine Lockerung der internationalen Isolation, die dem Iran schon so lange die Luft abschnürt, schien in Sichtweite…
Jedem war klar, dass dieser Prozess Zeit benötigte. Im Juni 2001 wurde Chatami mit einer Mehrheit von 78 Prozent wiedergewählt. Sieben Monate danach kam George W. Bushs Rede über die "Achse des Bösen" (eine der verhängnisvollsten Ansprachen in der Geschichte der Vereinigten Staaten), und der Teheraner Frühling hatte ein Ende. Tatsächlich war Bush für die Iraner Rechte ein Geschenk des Himmels…
Nun ist den Mullahs klar, dass Barack Obama sehr viel schlauer ist. Bei einem Sieg Mussawis hätte Obama den Iran belohnt, und zwar auf eine Weise, die allen Iranern zugute gekommen wäre. Die Kopplung von Liberalisierungsbemühungen an Unterstützungsleistungen stellt für die Mullahs eine erhebliche Gefahr dar…
Jetzt stehen uns also weitere vier Jahre mit dem immer unsicherer werdenden Mahmud Ahmadinedschad bevor, weitere vier Jahre, in denen angstvoll über iranische Atombomben spekuliert wird…
Wenn es um apokalyptischen Islamismus in all seinen Ausformungen geht, kann man auch Norman Cohn zitieren. … `
Es gibt eine Welt im Untergrund, wo Kriminelle und halbgebildete Fanatiker [besonders aus dem niederen Klerus] als Ideen getarnte pathologische Phantasien ausspinnen, um damit die Unwissenden und Abergläubigen zu ködern. Von Zeit kommt es vor, dass diese Unterwelt an die Oberfläche steigt und dann auch Menschen in ihren Bann zieht und beherrscht, die normalerweise geistig gesund und mündig sind. Und manchmal wird diese Unterwelt zu einer politischen Macht und ändert den Lauf der Geschichte.`“
Die Junge Welt des heutigen Tages zeigt sich eher unbeeindruckt von der Unterdrückung des Volkes und speziell des Proletariates im Iran, sondern tendiert eher zur Solidarisierung mit Iran, da sie dessen antiamerikanische Positionen als antiimperialistisch bewertet. Aber wenn sich Peking und Teheran wirtschaftlich enger zusammentun, kommt es mir eher wie die Bildung eines rivalisierenden imperialen Blocks vor, denn als Bildung einer echt antiimperialistischen Koalition. Unter dem Titel „Peking düpiert USA“ schreibt Rainer Rupp: „Im Iran gibt man sich zufrieden und spart nicht mit Häme. Es sei ein »kräftiger Schlag ins Gesicht der USA, des zionistischen Regimes und der EU-Staaten, die weitere Sanktionen gegen Iran verhängen wollen«, heißt es in Leserbriefen an die englischsprachige Nachrichtenagentur presstv.ir. Anlaß ist eine aktuelle Meldung der Agentur, wonach die Islamische Republik Iran am Sonnabend mit einem chinesischen Firmenkonsortium ein Wirtschaftsabkommen über den Bau von zwei großen Ölraffinerien unterzeichnet hat…
So versuchen die USA mit Macht, den Import von Benzin und anderen, im Iran dringend benötigten, raffinierten Ölprodukten in das Land zu verhindern. Denn obwohl der Staat ein bedeutender Öl- und Gasexporteur ist, verfügt er nicht über genügend Raffineriekapazitäten, um den wachsenden Bedarf an Benzin seiner zunehmend automobilen 70-Millionen-Bevölkerung zu decken…
Unter Berufung auf die jüngsten Gespräche, die US-Verteidigungsminister Robert Gates vergangene Woche bei einem Besuch in Israel mit dortigen Politikern zum Thema Iran geführt hatte, berichtete die israelische Tageszeitung Haaretz, daß bereits 67 US-Senatoren (das Gremium hat 100 Sitze) eine von Senator Joe Lieberman eingereichte Gesetzesvorlage zur Drosselung des Verkaufs raffinierter Ölprodukte an den Iran unterzeichnet haben…
Diese Sanktionen sollen in Kraft treten, falls der Iran sich nicht bis Ende September dem »Verhandlungsangebot« von Präsident Barack Obama unterwirft und also nicht auf sein Recht auf Urananreichung zu friedlichen Zwecken verzichtet…“
Der Spiegel-Online in seiner heutigen Ausgabe berichtet ebenfalls über die Vereidigung Ahmadinedschads und über internationale Reaktionen. Auch die US-Regierung soll sich mittlerweile bereitgefunden haben Ahmadinedschad eben insoweit zu akzeptieren, als das er bei dem gegenwärtig im Iran noch existierenden Kräfteverhältnis, eben derjenige ist, an den man sich wenden muss, wenn mit dem Land verhandeln will. Von den sonst üblichen Gratulationen habe man allerdings Abstand genommen. Unter der Überschrift „Polizei verscheucht Demonstranten bei Ahmadinedschads Amtseid“ schreibt das Blatt: „Vor dem Parlament in Teheran nahmen die Sicherheitskräfte eine Anhängerin des Oppositionspolitikers Mir Hossein Mussawi fest – drinnen wurde der iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad für eine zweite Amtszeit vereidigt. Parlamentspräsident Ali Laridschani sagte zu Beginn der Sitzung, mit der Vereidigung beginne ein neues Kapitel für Iran…
Ahmadinedschad selbst erklärte in seiner Rede, die Präsidentschaftswahl vom 12. Juni sei der Beginn "wichtiger Veränderungen in Iran und in der Welt". Iran werde sich weiterhin "den Unterdrückern widersetzen" und weiter daran arbeiten, "die diskriminierenden Mechanismen in der Welt zugunsten aller Nationen zu ändern". Er erwarte keine Gratulation westlicher Regierungschefs…
Polizei und regierungstreue Bassidsch-Milizen trieben nach Angaben eines Augenzeugen mehrere hundert Demonstranten auseinander, die versuchten, sich vor dem Parlament zu versammeln. Die Demonstranten hätten Parolen gegen Ahmadinedschad skandiert, sagte der Augenzeuge. Die Polizei habe Tränengas eingesetzt…
In den vergangenen Wochen beteiligten sich Hunderttausende Iraner an den Protesten gegen die Wahl Ahmadinedschads, nach offiziellen Angaben kamen dabei rund 30 Menschen ums Leben…
Der außenpolitische Sprecher von CDU/CSU im Bundestag, Eckart von Klaeden, hatte der Zeitung gesagt, es wäre gut, wenn die schwedische EU-Ratspräsidentschaft dem Beispiel der meisten EU-Staaten folgen und nicht ihren Botschafter zu der Zeremonie schicken würde. "Europa sollte in seiner Missbilligung der gefälschten Wahl und der Unterdrückung der Opposition geschlossen auftreten", forderte er. Die "Neue Osnabrücker Zeitung" hatte unter Berufung auf diplomatische Kreise berichtet, dass auch ein Vertreter Deutschlands an der Feier teilnimmt, aber nicht der Botschafter…“
Auch der Tagesspiegel von heute berichtet über die Vereidigung Ahmadinedschads in vergleichbarer Weise. Unter dem Titel: „`Tod-dem-Diktator`-Rufe zur Vereidigung“ berichtet die Zeitung: „Mit Slogans wie "Tod dem Diktator" protestierten sie gegen den neuen und alten iranischen Präsident Mahmud Ahmadinedschad, der trotz der Unruhen nach seiner umstrittenen Wiederwahl am Mittwoch den Eid für eine zweite vierjährige Amtszeit ablegte. Die Polizei setzte nach Augenzeugenangaben Pfefferspray ein, um die Demonstranten auseinander zu treiben…
Anhänger der Opposition haben für Mittwoch zu neuen Demonstrationen aufgerufen…