Bagdad, Irak (Weltexpress). Wer das, was im Rest-Irak das politische System ist, mit einer parlamentarischer Demokratie wie in den Vereinigten Staaten von Amerika (VSA) oder wie im Vereinigten Königreich (VK) von Großbritannien mit dem immer noch besetztem Großteil des irischen Ulster gleichsetzt, der hat nicht mehr Aladins Teetassen im Schrank.
Ein Volk, dass seine Vertreter in ein Parlament schickt, muss nicht aufstehen. Wenn ein Volk aufsteht gegen das korrupte Pack in der Quasselbude der VS-amerikansichen Marionetten an Euphrat und Tigris, dann hat das seinen guten Grund. Hunger und Elend, Arbeitslosigkeit und Frust. Die Wut ist über die Monate gewachsen.
Während heute in Politik und Presse von über 60 Toten, über 70 Toten und mehr die Rede ist, dann sind es längst über 100 Tote. Auf diese und höhere Zahlen kommt man, wenn man sich die vielen Meldungen vor allem in den sozialen Medien über die Lage in den Städten an Euphrat und Tigris durchliest und nicht die Meldungen der Hofberichterstatter.
Tausende Verletzte kommen hinzu, manche Medien wie die „Bild“ (5.10.2019) nennen die Zahl „4.000 Verletzte“ und sprechen von „93 Toten“. Von den Verletzten werden die meisten nach ihrer Genesung der US-amerikanischen Besatzungsmacht und ihren Marionetten dafür nicht Gnade erweisen. Im Gegenteil: ihre Wut wird wächst wie ihre Organisiertheit.
Für die meisten Irak wäre alles besser, sogar die Baath-Partei und dahin könnte das Pendel ausschlagen, wenn nicht der Druck sowohl von der Besatzungsmacht als auch von der Marionettenregierung wäre, die einzig und allein die Moscheen als Ort der Opposition zulassen, weil sie über die gemäßigten Kleriker Palaver und Protest kontrollieren und kanalisieren.
Der am vergangenen Dienstag ausgebrochene Protest in mehreren Städte im Kern des Zweistromlandes ist jedoch kein religiöser Protest, sondern ein sozialer, in dem Sozialisten auch der panarabisch-sozialistischen Baath-Partei mitmischen. Deswegen lässt die Regierung unter Ministerpräsidenten Adel Abdul Mahdi, der ein politischer Opportunist zu sein scheint und in vielen Parteien sein Glück versuchte (von der sozialistischen Baath-Partei über die maoistischen Kommunisten und die irakische Kommunistische Partei bis zur Islampartei SCIRI) und seinen Gegnern heute als Technokrat der Macht gilt.
Laut „Bild“ unter der Überschrift „Proteste gegen Einfluss der Mullahs – Über 90 Tote bei Demonstrationen im Irak“ habe Regierungschef Adel Abdel Mahdi“ am heutigen „Morgen … die Ausgangssperre“ aufgehoben, „die vor zwei Tagen begonnen hatte, wie die staatliche Agentur INA meldete“. Schiitenführer … Moktada al-Sadr fordere, „um weiteres Blutvergießen zu vermeiden“ dessen Rücktritt und „vorgezogene Neuwahlen unter UN-Aufsicht“.
Meret Michel teilt in der „Tageszeitung“ (4.10.2019) unter dem Titel „Proteste im Irak – Al-Sistani stützt den Aufstand“, dass der „einflussreicher Kleriker … Korruption“ anprangere und „sich hinter die Protestbewegung“ stelle. Offensichtlich können die Regierenden nicht alle Kleriker lenken. Großayatollah Ali al-Sistani scheint seinen eigenen Kopf zu haben.
Noch folgen die überwiegend jungen Männer, die auf der Straße sind, nicht den Klerikern wie Muktada al-Sadr und Ali al-Sistani. Sie werden von ihren Müttern und Vätern daran erinnert, dass unter der panarabisch-sozialistischen Baath-Partei die Einnahmen aus dem Erdöl „gerechter“ verteilt wurden.
Michel schreibt, dass „die Probleme, die die Demonstrierenden anprangern, … nicht das alleinige Verschulden der aktuellen Regierung“ seien. „Sie sind die Folge des politischen Systems, das im Irak nach dem Sturz Saddam Husseins 2003 implementiert wurde – ein System, das die Macht zwischen verschiedenen Religions- und ethnischen Gruppen aufteilt, was dazu führt, dass die politischen Führer unter ihren Anhängern Angst vor der jeweils anderen Gruppe schüren, während sie gleichzeitig die Ressourcen des Landes ausbeuten und den Gewinn unter sich aufteilen. Die jungen Leute hätten das durchschaut, sagt al-Mikdam.“
Dieses politische System hat die Besatzungsmacht VSA mit ihren Vasallentruppen und Marionetten möglich gemacht. Der soziale Protest wird sich also auch gegen sie richten.