Der Beschluss über die Beschlagnahme der Kopien des Buches „Die Armee des Imam“ war vom Istanbuler Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft getroffen worden, die jetzt in einem Fall zu Aktivitäten der nationalistischen Organisation Ergenekon ermittelt. Die Angeklagten in diesem Fall, der in der Türkei für Schlagzeilen sorgt, werden beschuldigt, ein Komplott zum Sturz der Regierung von Tayyip Erdogan geschmiedet zu haben. Ermittelt wird gegen rund 400 Menschen, darunter gegen Politiker, Journalisten, Anwälte, Hochschullehrer, ehemalige und aktive Militärs sowie Polizisten. Der Gerichtsprozess gegen sie läuft seit 2007 in Istanbul.
Mitte Februar kam es zu einer weiteren Verhaftungswelle im Rahmen des Falls Ergenekon: Festgenommen wurden mehr als 150 aktive und pensionierte Militärs sowie drei Mitarbeiter des oppositionellen Internet-Portals Oda-TV, darunter Ahmet Sik.
Am Donnerstag unternahm die Polizei Durchsuchungen in dem Verlag, in dem das Buch erscheinen soll, im Haus des Autors, bei seinen Bekannten und in der Redaktion der liberalen Zeitung „Radikal“. Die meisten türkischen Zeitungen verurteilen am Freitag diese Polizeiaktionen.
Eine Seite aus dem Buch „Die Armee des Imams“ wurde indes am Freitag per Facebook verbreitet. Unbekannte versprechen eine weitere Veröffentlichung des Buchs, das „die Türkei auf den Kopf stellen wird“, auf diesem Wege.
Im Buch geht es hauptsächlich um das Infiltrieren von Vertretern der religiösen türkischen Gemeinde, die vom in den USA lebenden Fethullah Gülen geleitet wird, in die Polizei des weltlichen türkischen Staates.
Die türkischen Zeitungen, die über die Durchsuchungen berichten, verweisen darauf, dass der Beschluss, Kopien des Buches zu vernichten, das noch vor der Herausgabe als ein potentieller Bestseller angesehen wurde, auf der Grundlage eines Gutachtens der Istanbuler Polizei erfolgte, die sich mit dem Manuskript bekannt gemacht hatte. Wie es im Gutachten heißt, „wurde das Buch auf der Grundlage von Ergenekon-Anweisungen geschrieben, es enthält eine Propaganda der Terrororganisation, rühmt ihre Verbrechen und die Verbrecher sowie ist darauf gemünzt, Druck auf die Ermittlung auszuüben.“
Das Vorgehen der Istanbuler Polizei wurde von türkischen Bürgerrechtlern verurteilt. Nach ihrer Ansicht verstöße die Polizei gegen die Verfassung und der Menschenrechtskonvention.
Polizei und Staatsanwaltschaft verweigern vorerst jede Stellungnahme mit dem Hinweis auf das Ermittlungsgeheimnis.
RIA Novosti