Tucholsky taugt gegen den fruchtbaren Schoß des Kapitalismus, aus dem der Faschismus kroch – Zum Buch „Lerne lachen ohne zu weinen“ von Kurt Tucholsky

Kurt Tucholsky: Lerne lachen ohne zu weinen.
"Lerne lachen ohne zu weinen" von Kurt Tucholsky. © Marixverlag in der Verlagshaus Römerweg GmbH

Berlin, Deutschland (Weltexpress). „Lerne lachen ohne zu weinen“ lautet der Titel eines 416 Seiten langen Buches von Kurt Tucholsky aus dem Marixverlag, das „dem Andenken Jakopps“ (S. 5) gewidmet ist.

Der Text des Titels folgt der Ausgabe Berlin 1932, obwohl es im Oktober 1931 in Berlin beim Rowohlt-Verlag erschien. Am 10. Mai 1933 verbrannten die Faschisten auch dieses Werk auf dem Kaiser-Franz-Joseph-Platz, der jedoch Opernplatz genannt wurde und heute als Bebelplatz bekannt ist. Auf dem Platz Unter den Linden vor der heutigen Humboldt-Universität zu Berlin verbrannten 70 000 Studenten, Professoren, Mitglieder der SA und SS nicht nur Bücher von Tucholsky, sondern auch von Heinrich Mann und Erich Kästner, Karl Marx und Sigmund Freud. Geplant und inszeniert wurde diese Bücherverbrennung von der Deutschen Studentenschaft.

Spätestens im Jahr 33 des vergangenen Jahrhunderts nach unserer Zeitrechnung hatten die Anarchisten, Sozialisten und Kommunisten das Lachen längst verlernt. Sozialdemokraten und Christdemokraten beziehungsweise die politischen Katholiken vom Zentrum verlernten das Lachen später. Sie hätten auf Tucholsky hören und ihn 1931 lese sollen. Dann hätte sie verstanden, dass „alle Ideologen, die im Namen des ‚Volkes‘ Partikularinteressen durchsetzen wollen und so den Einzelnen um Kopf und Kragen bringen“, wie es im Nachwort (S. 401) des mir vorliegenden Buches, aus dem ich gerne zitiere, denn besser könnte ich es nicht formulieren, heißt: „Als wohl verkaufsstärkster, scharfsinnigster und unterhaltsamster politischer Journalist der Weimarer Republik war Tucholsky ein ewiger, aber selten falsch liegender Motzer, und – wenn die Formulierung nur nicht so abgegriffen wäre – ein unbeugsamer Kämpfer für das Gute und Gerechte. Und obwohl er und seine Kollegen der ‚Weltbühne‘ alles in ihrer Macht stehende versucht hatten, um das drohende Unheil abzuwenden, brachte es ihm nichts als Verbitterung, Exil und schließlich den Tod. 1935 starb Tucholsky in Göteborg durch eine Überdosis Schlaftabletten. So wurde das Buch, das Sie in ihren Händen halten, zu seinem letzten.“

Dieses Buch des Mannes, der 1930 seinen Wohnsitz in weiser Voraussicht nach Schweden verlegte, darf ich Ihnen wärmstens empfehlen, denn – um es mit Bertolt Brecht zu sagen, auch wenn es auch abgegriffen klingen mag -: „Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch.“

Der Kampf in der aktuellen kapitalistischen Gesellschaft, der Klassenkampf von unten gegen die Ausbeuter von Natur und Menschen und gegen die Kriegstreiber in der Presse, den Parteien und Parlamenten scheint eine nie enden wollende Geschichte zu sein.

„Was Tucholsky über die gruseligen und bellizistischen Ressentiments schreibt, die sich in den Medien seiner Zeit finden, kann man heute getrost auf weite Teile des Feuilletons und den Zeitgeist der deutschen Intellektuellen übertragen.“ (S. 402). Wohl wahr, dass nach dem Krieg vor dem Krieg ist.

Um für den Frieden kämpfen zu können und wachsam zu sein, hilft dieses Buch eines der bedeutendsten Schriftsteller des 20. Jahrhunderts, der in der Tradition Heinrich Heines steht und laut „Nein!“ sagt.

Bibliographische Angaben

Kurt Tucholsky, Lerne lachen ohne zu weinen, 416 Seiten, gebunden in feines Leinen, Format: 12,5 x 20 cm. Marixverlag, 2. Auflage, Wiesbaden, Oktober 2017, ISBN: 978-3-7374-0980-3, Preis: 16 EUR

Anmerkung:

Der Beitrag von Paul Puma wurde unter dem Titel „Tucholsky taugt auch hier und heute gegen den fruchtbaren Schoß des Faschismus – Zum Buch „Lerne lachen ohne zu weinen“ von Kurt Tucholsky“ am 21. April 2018 im KULTUREXPRESSO erstveröffentlicht.

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