Schon der Vorspann ist einen Ausflug nach „Zombieland“ wert. Für Connaiseure des gepflegten Horrors werden in Zeitlupe all die Charaktere zerfleischt, welche man schon immer sterben sehen wollte – nicht nur auf der Leinwand. Anzug tragende Manager werden von Zombiebürgern gejagt, Zombiebräute stürzen sich auf ihren Bräutigam, Zombie-Stripperinnen verfolgen notgeile Kerle, Zombie-Demonstranten zerreißen Polizisten. Es erwischt auch biedere Hausfrauen, kleine Mädchen in Feen-Kleidern, fette Hinterwäldler und die Kirchengemeinde. Na gut, die Kirchengemeinde sieht man nicht sterben, aber sie passt perfekt ins Beuteschema der Kannibalen. Drehbuchautor Sheldon Turner erklärt die Verwandlung der Menschen in tollwütige Bestien durch eine Seuche. Schon Regisseur George A. Romero nutzte seine wegweisende „Night of the living Dead“-Filmreihe für gesellschaftskritischen Untertöne. Jeder frisst jeden in der US-Gesellschaft, nicht nur im symbolischen Sinne.„Zombieland“ ist das komödiantische Gegengift zu Roland Emmerichs Endzeitfilm „2012“, in dem die Reichen und moralisch Unantastbaren überleben.
Die Horrorkomödie zeigt das Zusammenfinden der Hauptfiguren und begleitet sie ein Stück auf ihrer Reise durch „Zombieland“. Die in den USA zum Überraschungserfolg avancierte Horrorsatire ähnelt einem Road Movie, in dem statt Anhalter am Straßenrand Fleischfresser warten. Der Jugendliche Einzelgänger Columbus (Jesse Eisenberg) überlebt dank seiner selbst erstellten Verhaltensregeln in „Zombieland“. Unterwegs begegnet er dem schießfreudigen Tallahassee (Woody Harrelson). Als Entschädigung dafür in „2012“ von einem Lavabrocken zermalmt zu werden, darf Harrelson in der Horrorsatire einer der letzten Überlebenden sein. Mehr als nach anderen Menschen sucht der harte Kerl nach den pappweichen, Creme gefüllten Teigriegeln namens „Twinkie“. Die einzige Schönheitskönigin ist „Little Miss Sunshine“ Abigail Breslin als Trickbetrügerin „Little Rock“. Die Bundesstaaten-Namen ihrer Komplizin Wichita (Emma Stone) und der übrigen Figuren stören nicht weiter im Land von Washington (George), Tennessee (Willimas) und Dakota (Fanning). Das unähnliche Quartett wächst zur skurrilen Alternativfamilie zusammen. Die Kernfamilie, das Allerheiligste des Endzeitkinos, existiert nicht in „Zombieland“. Um sie zu vernichten braucht es keine blutrünstigen Menschenfresser, sie bestand von Anfang an nicht. Columbus hat keine Bindung zu seinen Eltern, die auch vor der Zombieübernahme nie zu sehen sind. Wichita und Little Rock schlagen sich elternlos mit Betrügereien durch. Tennessee hat seine einzige Bezugsperson durch die Seuche verloren.
„Zombieland“ zeigt die Charaktere bei dem, was man während der Apokalypse wirklich tun würde: einen dieser pseudo-authentischen Souvenierläden verwüsten, in der Villa eines Filmstars logieren, zum Titelsong von „Ghostbusters“ tanzen und Monopoly spielen, bis der Gegner die Schloßallee und alle Bahnhöfe hat. Wozu den Präsidenten retten? Die letzte Steuererhöhung war zu viel. Überlebensregel: Sei kein Held. Kunstschätze in Spezialschutzhüllen retten? Der eigene Koffer ist schwer genug. Überlebensregel: Reise mit Leichtgepäck. Das Leben in „Zombieland“ hat noch andere Vorteile: keine Facebook-Nachrichten („An alle: Jan und Tina freuen sich auf die Schulfeier!“) und (fast) keine Clowns. Es gibt noch mehr Gründe, die zu einem Ausflug verlocken: Woody Harrelson trägt eine Schlangenleder-Jacke, die Villa des Filmstars bewohnt Bill Murray (Bill Murray!) und „Zombieland“ endet in einem Vergnügungspark.
Der Kampf gegen die Zombies in Mitten der blinkenden Fahrgeschäfte ist die Quintessenz der Horrorkomödie: ungenierter Spaß mit ein paar blutigen Nebenwirkungen. Letzte sind dank der Situationskomik eher rar – für einen Horrorfilm, versteht sich, nicht für den Disney-Weihnachtsfilm. Im sarkastischen „Zombieland“ wartet politisch unkorrekte Unterhaltung nicht nur auf Horrorfilm-Freunde. Das Glück ist nur einen Twinkie weit weg. Vorletzte Überlebensregel: Genieße die kleinen Dinge.
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Titel: Zombieland
Land/ Jahr: USA 2009
Genre: Horrorkomödie
Kinostart: 10. Dezember 2009
Regie: Ruben Fleischer
Drehbuch: Sheldon Turner
Darsteller: Woody Harrelson, Emma Stone, Jesse Eisenberg, Abigail Breslin, Bill Murray
Laufzeit: 88 Minuten
Verleih: Sony Pictures
Internet: www.zombieland-derfilm.de