Von Begeisterung bis zu Vorwürfen des Faschismus reichte die Rezeption bei der Aufführung und Auszeichnung des umstrittenen Werks bei den deutschen Filmfestspielen des letzten Jahres. Stellt man die scheinbar unvereinbaren kritischen Rezeptionen von “Tropa De Elite” einander gegenüber, lassen sie sich mit dem selben Argument widerlegen. Weder ein Meisterwerk, noch von faschistischem Impetus, ist Padhilas Film vorrangig ein lateinamerikanisches Pedant zu amerikanischen Gangsterfilmen. Captain Nascimento fühlt sich nach jahrelangem Polizeidienst der emotionalen Belastung durch seine Arbeit nicht mehr gewachsen. Der Leiter der “Tropa De Elite” BOPE in Rio sucht unter den Jungrekruten einen Nachfolger. Der hitzköpfige, engagierte Neto (Caio Junqueira) und der nachdenkliche Matias (Andre Ramiro) wecken Nascimentos Aufmerksamkeit. Anders als Nascimento und Neto zieht Mathias den rechtlichen Kampf dem gewalttätigen vor. Er studiert Jura und verheimlicht seinen Kommilitonen, darunter seiner wohlhabenden Freundin Maria (Fernanda Machado) seinen Polizeidienst. Korruption und Drogengeschäfte regieren an der Universität und unter der Polizei gleichermaßen. In Padihlas aufwühlender Mischung aus Thriller und Sozialstudie kennt der Krieg gegen die Gewalt nur Verlierer.
Lula Carvalhos brillante Kameraführung reißt den Betrachter in den Sog der Brutalität. Seine gelungensten Szenen sind emotional aufgeladene Farbkompositionen. Abrupt wechseln kaltes Blau und glühendes Rot-Orange einander ab. Kühle Farbtöne symbolisieren Professionalität auf Seiten der Polizei und selbstbewusste Gelassenheit auf Seiten der Drogenhändler. Sie sind die Ausnahme im Alltag der “Tropa De Elite”. Die dokumentarischen Bilder wirken hektisch, heiß, stickig. Das Leben der Protagonisten ist im wörtlichen Sinne schweißtreibend. Ihre innere Anspannung ist Folge der permanenten Bedrohung in den Elendsvierteln. Der psychische Druck mündet in Gewalttätigkeit, die Gewalt führt zu mehr Angst, diese wiederum endet in neuer Gewalt. Die Verrohung beider Seiten, der polizeilichen und der kriminellen, ist der tatsächliche Feind der Einwohner Rios. Für diese Erkenntnis fehlt dem Hauptcharakter Nascimento die Einsicht. Seine Verbitterung ist angesichts des deprimierenden Polizeialltags verständlich. Darunter lässt das präzise Spiel Hauptdarstellers Wagner Mouras eine verbissenen Sturheit aufblitzen. Emotional berührt die aufreibende Arbeit Nascimento nicht mehr. Es ist die Bewusstwerdung der eigenen Abgestumpftheit, der schwelenden inneren Aggression, welche er auch gegenüber seiner Frau fühlt, die ihn depressiv macht. Zum Aussteigen ist es für Nascimento zu spät. Sein Leben kann er so schützen, seine unversehrte Psyche hat er längst verloren. Er tötet, foltert und unterzieht BOPE-Anwärter im Ausbildungslager unmenschlichem Drill, dazwischen telefoniert er mit seiner hochschwangeren Ehefrau. In einer doppelbödigen Szene fordert Nascimento seinen Einheit zum Angriff auf, unmittelbar nachdem ihm seinen Frau am Telefon mitgeteilt hat, dass die Geburt des gemeinsamen Kindes einsetzt. Die Welt, in welche das Baby geboren wird, gleicht einer Hölle. Nascimento trägt mit seiner Unmenschlichkeit dazu bei. Der Kampf gegen das Verbrechen ist vergeblich. Im Zirkel der Brutalität wird die Hydra der Gewalt von denen genährt, welche sie zu bekämpfen vorgeben.
Dieser unbarmherzige Fatalismus unterscheidet José Padhilas “Tropa de Elite” von den gängigen Kriminaldramen amerikanischer Regisseure. Ideologischen Dogmen entzieht “Tropa De Elite” den Boden. Das einzige Gesetz ist das des Stärkeren. Eine Moral existiert nicht. Einen einzigen Gerechten, einen Geläuterten oder Hoffenden gibt es nicht. Nascimento, Matias und Maria sind alle auf ihre Weise zu verblendet, um ihre Mitverantwortlichkeit am kollektiven Elend zu erkennen. Die Schwäche von “Tropa De Elite” ist, dass der Film an dieser Stelle nicht hintergründig genug ist und zu wenig emotionale Tiefe aufweist. Nicht die brutalen Szenen, sondern die auflockernden Momente grotesker Komik widersprechen der Realität in den Slums. Dank seiner Charaktere, den ungeschönten Szenen und der gradlinigen Handlung ist “Tropa De Elite” trotz seiner fragwürdigen Anklänge an den konventionellen Unterhaltungskrimi ein aufrüttelnder Kriminalthriller. Würde Padhila in “Tropa de Elite” die Gewalt so detailliert analysieren, wie er sie abbildet, hätte es auch kinematisch zur Elite gereicht.
Titel: Tropa De Elite
Start: 6. August
Regie und Drehbuch: José Padhila, Rodriguo Pimentel
Darsteller: Wagner Moura, Caio Jungueira, Andre Ramiro, Maria Ribeiro, Fernanda Machado
Verleih: Senator
