Bellum Italianum – “Maria, ihm schmeckt ´s nicht!” serviert abgeschmackte Vorurteile als Komödie

Wer in der Schule Latein hatte (danke Goethe-Gymnasium Berlin) weiß, Italiker und Germanen trennt ein unüberwindbarer kultureller Graben. Gallien konnten die Römer einnehmen, an den Germanen biss sich selbst Cäsar die Zähne aus. Die alte Fehde frischt “ ´Maria, ihm schmeckt ´s nicht!” im Kino wieder auf. Vielleicht ist der umständliche Buch- und nun leider Filmtitel “Maria, ihm schmeckt ´s nicht!” nicht der Einfallslosigkeit Jan Weilers geschuldet, sondern soll neugierig machen. Wer ist Maria? Wird gar zur Gottesmutter selbst gerufen? Und wem schmeckt ´s nicht? Allen, dürfte die Antwort auf die letzte Frage lauten. Während der 96 Minuten, die Regisseurin Neele Leana Vollmer ihr Publikum mit den abgestandenen Vorurteilen in “Maria, ihm schmeckt ´s nicht!” quält, vergeht einem gründlich der Appetit. “Mir steht die Scheiße bis hier oben!” Dem Filmzitat von Hauptcharakter Jan (Christian Ulmen) stimmt man lange vor Filmende zu. Den übrigen Dialogzeilen kaum.

Jans Zusammentreffen mit ihren Eltern hat dessen halbitalienische Freundin Sara (Mina Tander) lange hinausgezögert. Vermutlich ahnte sie, dass Deutsche und Italiener nicht miteinander auskommen können. Mutter Ursula (Maren Kroymann) ist sympathisch, doch Vater Antonio (Lino Banfi) – der Italiener, denn in Italien heißen alle Männer Antonio oder Mario, erfährt man später – kann Jan nicht ausstehen. Fatal, dass Jan und Sara sich gerade verlobt haben. Nun geht es in das italienische Dorf Campobello, wo mit den italienischen Verwandten Hochzeit gefeiert werden soll. Caesars Kriegsbericht “Bellum Gallicum” setzt “Maria, ihm schmeckt ´s nicht!” mit einer witzlosen komödiantischen Kulturkampfmär fort. Den furor teutonicus fürchteten die Römer zu Recht.

Nach “Maria, ihm schmeckt ´s nicht!“ weiß man endlich, wie Italiener wirklich sind. Sie gestikulieren wild, haben Großfamilien, essen ständig und sind streng religiös. Das dolce far niente lassen Jan die Verwandten der Braut nicht genießen. Mit positiven Vorurteilen über Italiener will “Maria, ihm schmeckt ´s nicht!” endlich aufräumen. Südländische Gastlichkeit? Jan muss in einem unbequemen Bett schlafen. Getrennt von der Partnerin, denn “vor der Ehe” gibt es nur bei Latin Lovern. Beim Familienessen kommt es zum titelgebenden Ausruf, als Jan das vermeintlich unappetitlich italienische Essen nicht mundet. Nun ist die mediterrane Küche nicht für ihre Ungenießbarkeit bekannt. Doch Pane und Pasta, Dolci und Meeresfrüchte findet Jan ekelig. Ach, wie viele geschundene Deutsche mögen sich beim Italienurlaub wohl nach Saumagen, Sülze und Weißwurst sehnen? Um die Unbekömmlichkeit der italienischen Küche zu unterstreichen, mokiert sich Saras Mutter Ursula ebenfalls darüber. Jans Vater stößt hingegen die italienische Mentalität übel auf. “Das ist ein Genpool von Wahnsinnigen.“, lamentiert er über die Italiener und kritisiert an Jan “Deine Logik kommt mir italienisch vor.” Die spinnen, die Römer, philosophierte schon Gallier Obelix. “Ich brauchte Verstärkung.“, jammert Jan, als gelte es ins Nachbarland einzufallen. Natürlich hat Sara eine italienische Sippe wie aus dem Bilderbuch mit Mama, Papa, groben Cousins und verfeindetem Nachbarclan.

Vater Antonio weiß nicht einmal, dass Macchiavelli und Freud in unterschiedlichen Jahrhunderten lebten und spricht selbst nach Jahrzehnten nur gebrochenes Deutsch. Dabei sind Deutsche in Italien oder beim Italiener nicht gerade für ihre Sprachgewandtheit berühmt (“Duos Espressos!“) Ungehobelt, selbstgefällig und ungebildet zeichnet “Maria, ihm schmeckt ´s nicht!“ die Italiener. Im teutonischen Heimatland, heißt es in “Maria, ihm schmeckt ´s nicht”, arbeitet man pünktlich, schnell und gründlich. Die Wörter Amtsschimmel und Bürokratie haben die Deutschen sicher zur Beschreibung ihrer unfähigen Nachbarn erfunden. Ja, die Deutschen sind den Italienern voraus. Italien hat einen schrecklichen Regierungschef, aber die Deutschen hatten einen schlimmeren. Italien hat bürokratische Behörden, aber die deutschen sind nicht weniger bürokratisch, es hat – was in “Maria, ihm schmeckt ´s nicht!” nicht fehlen darf – unfreundliche Carabinieri, aber die deutschen Politessen”¦ “Nichts macht einen Deutschen so fertig wie als typisch deutsch bezeichnet zu werden.”, meint Jan. Besonders in Sachen abgeschmackter Vorurteile können Italiener Deutschen nicht das Wasser reichen. Das beweist “Maria, ihm schmeckt ´s nicht!”, in der die gröbsten Negativstereotypen aufgewärmt werden. Mancher erinnert sich an Italien vielleicht auch als das Land, wo Cappuccino nicht mit Schlagsahne verhunzt wird (typisch deutsch), Strandliegen nicht mit Handtüchern blockiert (typisch deutsch) werden und nicht notorisches Fremdenmisstrauen herrscht (typisch deutsch). Im Fernzug kam man übrigens mal mit einem Italiener über Film ins Gespräch. Da schwärmte man über Visconti, Bertolucchi, Fellini. Und der deutsche Film? Da fiel weder Italiener noch Deutscher etwas Aktuelles ein. “Maria, ihm schmeckt ´s nicht!” zeigt, wie schlimm es tatsächlich steht. Roberto Benigni, übernehmen Sie!

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Titel: Maria, ihm schmeckt ´s nicht!

Kinostart: 6. August 2009

Regie: Neele Leana Vollmer

Drehbuch: Jan Weiler, Daniel Speck

Darsteller: Lino Banfi, Christian Ulmen, Mina Thunder, Maren Kroymann

Verleih: Constantin

Internet: www.maria.film.de

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